Niko Kovac beim FC Bayern:Chronologie eines Missverständnisses

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Mit Niko Kovac und dem FC Bayern trafen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Fußball aufeinander. Es geht ein Trainer, der nie ankam - und dem es von Beginn an schwer gemacht wurde.

Von Martin Schneider

Es gab diesen Moment, da dachte man, das mit Niko Kovac und dem FC Bayern - das würde noch etwas werden. Kovac saß damals sehr stolz mit regennassen Haaren im Keller der Anfield Road in Liverpool, gerade hatte er sich ein bisschen mit Jürgen Klopp gezofft, es ging um einen Handschlag, aber das war schnell vergessen. Seine Mannschaft hatte dem FC Liverpool ein 0:0 in diesem mystischen Stadion abgetrotzt, Pep Guardiola sollte später sagen, er hätte mit ManCity in Liverpool gerne wie Kovac gespielt. Es war Kovacs erster großer Champions-League-Abend und viele hatten sich davor gefragt, ob er als unerfahrener Trainer auf dieser Bühne bestehen könne. "Das war eine tolle Defensivleistung. Die Mannschaft hat sich an das gehalten, was wir ihr vorgegeben haben", sagte Kovac damals.

Nun, vielleicht ist es bezeichnend, dass Kovacs Zeit beim FC Bayern nun damit endet, dass er nach Spielen ständig sagte, dass die Defensivleistung nicht gut war und dass die Mannschaft nicht das tue, was er vorgibt. Am Sonntagabend, neun Monate nach dem Hinspiel in Liverpool, war es dann offiziell aus, der FC Bayern verschickte die entsprechende Pressemitteilung. Das mit Niko Kovac und dem FC Bayern, der Defensiv-Trainer und die Offensiv-Mannschaft, das hat nie wirklich gepasst. Der Abend in Liverpool war die Ausnahme.

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Wobei man sich nun, da es zu Ende ist, die Frage stellen muss, welche Chance Niko Kovac eigentlich hatte. Der FC Bayern machte die Trainersuche damals ja quasi öffentlich. Karl-Heinz Rummenigge wollte Thomas Tuchel, Uli Hoeneß wollte nicht akzeptieren, dass Jupp Heynckes wirklich nicht mehr weitermachen will - als Hoeneß das einsah, war Tuchel vom Markt. Kovac traf ohne jegliche internationale Erfahrung als öffentliche B-Lösung auf eine Mannschaft, die die Champions League gewinnen will. Herzlich willkommen an der Säbener Straße.

Schon kurz nach seiner Ankunft kollidierten die verschiedenen Vorstellungen von Fußball miteinander. Kovac ließ in Frankfurt einen disziplinierten, körperbetonten, vertikalen Tempofußball spielen. Der FC Bayern hatte noch die Ballbesitzschule von Pep Guardiola verinnerlicht. Beides zusammen geht nicht. Vielleicht war es Prinzipientreue, vielleicht war es Sturheit, aber Kovac wollte seinen Stil nicht dem des FC Bayern anpassen.

Wer es gut mit Kovac meint, könnte sagen: Der Trainer gibt die Taktik vor. Wer es schlecht mit ihm meint, könnte sagen: Ein Trainer passt seine Taktik den Fähigkeiten seiner Spieler an. Was man auf dem Platz dann recht fix sah, war jedenfalls kein einheitliches System. Dass der Ballkünstler James Rodríguez damals laut Bild-Zeitung in einem Anflug von Ärger in der Kabine ausgerufen haben soll: "Wir sind hier nicht bei Eintracht Frankfurt!", passte perfekt ins Bild.

Aber es war nicht nur die Taktik. Kovac rotierte damals viel, wollte jeden in der Mannschaft zufriedenstellen - was nachvollziehbar ist, wenn man als Trainer nicht die maximale Autorität hat, gar nicht haben kann. Aber er rotierte nicht wie Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes, die eine mehr oder weniger feste Stammelf hatten und den Leistungsträgern Pausen gönnten, sondern Kovac rotierte so, dass kaum ein Spieler wusste, ob er nun Leistungsträger oder Ersatzspieler ist. Das sorgte für Verunsicherung.

Kovac schlitterte in seine Herbstkrise, nach einem slapstickhaften 3:3 gegen Düsseldorf stand er bereits vor der Entlassung. Aber Hoeneß, durch dessen Zögern Kovac erst Trainer wurde, setzte sich für ihn ein, sagte, er werde ihn "bis aufs Blut verteidigen" und sprach intern offenbar ein Machtwort. Kovac stoppte die Rotation, gewann wichtige Spiele, der FC Bayern raufte sich zusammen. Es begann die beste Phase mit dem Spiel in Liverpool als Höhepunkt.

Aber dann kam das Rückspiel und es war vermutlich der Moment, an dem Karl-Heinz Rummenigge den Glauben an seinen Trainer verlor. Die 1:3-Niederlage wäre ja noch verkraftbar gewesen - immerhin verlor jede andere Mannschaft in dieser Saison auch gegen Liverpool in der Champions League - aber der Auftritt in der eigenen Arena, zögerlich, mutlos, sich teilweise dem Schicksal ergebend, das war wohl zu viel für Rummenigge.

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Als Kovac in der Liga auf einem guten Weg war, Borussia Dortmund zu Hause 5:0 schlug und kurz davor war, den Neun-Punkte-Rückstand in der Liga wieder wettzumachen, setzte sich Rummenigge in eine TV-Talkshow und zählte dessen Fehler auf. Die Rotation, sagte er, habe man ihm im Herbst ausgeredet, seitdem sei es besser geworden. Rummenigge meinte. "Es gibt keine Jobgarantie!" Wie gesagt, nach einem 5:0-Sieg. Das kam auch bei den Bayern-Fans nicht gut an. Weil Kovac weiter an seinem Weg festhielt, schlugen sie sich auf seine Seite, feierten ihn mit Sprechchören.

Aber die Frage war zu diesem Zeitpunkt, wie die Mannschaft eigentlich ihren Trainer sah. Spieler wie Robert Lewandowski und Mats Hummels murrten nach dem Liverpool-Aus zunehmend offen, deuteten ein fehlendes Offensivkonzept an. Trotzdem gewann der FC Bayern - auch, weil der BVB auf spektakuläre Art zauderte - Pokal und Meisterschaft. Aber wenn man die Bilder von damals sichtet, dann muss man schon Schnappschüsse suchen, auf denen Niko Kovac zusammen mit einem Spieler zu sehen ist. Ganz anders, als er mit Eintracht Frankfurt den DFB-Pokal gewann.

Im Sommer verließen Hummels und James den Klub, Kovac bekam mit Lucas Hernández den ersehnten schnellen Innenverteidiger, als Leroy Sané sich das Kreuzband riss, zauberte der FC Bayern Coutinho aus dem Hut, zudem kam Kovacs Wunschspieler Ivan Perisic. Man konnte das als Zeichen deuten, dass der Klub und der Trainer sich endlich annähern in ihren Vorstellungen. Dass passend gemacht werden soll, was bisher nicht passte. Es kam der 7:2-Sieg in Tottenham und wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn Niko Kovac im folgenden Bundesliga-Spiel gegen Hoffenheim einfach Thomas Müller aufgestellt hätte.

Tat er nicht, wie schon in den Spielen zuvor. Doch statt die Sache zu moderieren, machte Kovac Müller öffentlich zum Notnagel. Müller war stocksauer, forderte öffentlich mehr oder weniger deutlich Einsatzzeit und weil der FC Bayern wieder verlor, gab die Chefetage, diesmal Hoeneß am Flughafen, Aufstellungstipps. Aus so einer Situation kann man sich kaum mehr retten, Kovac wirkte immer angezählter, seine Forderungen nach Respekt und Menschlichkeit, die man in der ersten Saison noch nachvollziehen konnte, wirkten zunehmend unpassend. Er äußerte sich unglücklich, schob die Schuld Richtung Spieler und seine Mannschaft, die lieferte ein freudloses Spiel nach dem anderen. Dass er ausgerechnet in Frankfurt sein letztes Bayern-Spiel machte (nachdem er sein letztes Spiel für Frankfurt gegen Bayern und sein erstes Spiel mit Bayern gegen Frankfurt spielte) - das passt dann einfach zu gut in diese Geschichte eines Missverständnisses.

Woran ist Niko Kovac gescheitert? Er hat versucht, seine Fußball-Idee beim FC Bayern durchzusetzen und er hat es auch dann noch versucht, als er merken musste, dass es nicht funktioniert, dass die Mannschaft damit nicht klarkommt und dass außer Uli Hoeneß kaum noch jemand auf seiner Seite ist. Man kann es als gradlinig interpretieren, man kann es aber auch als gefährliche Sturheit auslegen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Niko Kovac als Trainer in die Bundesliga zurückkommt, ist jedenfalls da. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er wie in Frankfurt ein erfolgreicher Trainer sein kann, die ebenfalls.

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