FC Bayern:Ein letzter Akt der Freundlichkeit von Niko Kovac

Lesezeit: 4 Min.

  • Niko Kovac bekommt beim FC Bayern keine weitere Chance: Der Verein trennt sich von ihm mit sofortiger Wirkung.
  • Bei den Spielen gegen Olympiakos Piräus und Borussia Dortmund sitzt nun der bisherige Co-Trainer Hansi Flick auf der Bank.
  • Die Bayern-Bosse dürften die Woche indes nutzen, um den Trainermarkt zu sondieren - auf dem es allerdings nicht sonderlich gut aussieht.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Dass die Zeiten ernst sind, lässt sich im Fußball verlässlich daran erkennen, dass das Geschehen mit großer Ernsthaftigkeit und minutiös protokolliert wird. Die sehr ernsten Zeiten am Sonntag enden beim FC Bayern damit, dass der Verein um 21.06 Uhr in einer Mitteilung bestätigt, was die Bild um 20.42 Uhr gemeldet hatte: Der Klub trennt sich von Trainer Niko Kovac, "im gegenseitigen Einvernehmen". Zuvor soll Kovac seinen Rücktritt angeboten haben. "Ich denke, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung für den Klub ist", wird Kovac zitiert. Über seine 16 Trainermonate in München, gekrönt von Meisterschaft und Pokalsieg, bilanziert er: "Es war eine gute Zeit." Die jüngsten Resultate allerdings, wird Klubboss Karl-Heinz Rummenigge zitiert, hätten gezeigt, "dass Handlungsbedarf bestand".

Zumindest für die Spiele am Mittwoch gegen Piräus und am Samstag gegen Dortmund übernimmt Hansi Flick, der erst im Sommer als Assistent in Kovacs Trainerteam integriert worden war. Dass dies ein sehr ernster Tag werden würde, das hatte sich schon früh am Vormittag gezeigt. Mehrere Fernsehteams hatten am Vereinsgelände an der Säbener Straße ihre Kameras aufgebaut, und obwohl die Bayern den Trainingsplatz mit haushohen grauen Vorhängen abgeschirmt hatten, wurde der Verlauf gewissenhaft festgehalten.

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7.56 Uhr, Niko Kovac fährt in die Tiefgarage, was da noch viel und gar nichts bedeuten konnte, entscheidend war ja, ob er später am Tag als Trainer des FC Bayern wieder herausfahren sollte. 10.14 Uhr, Kovac leitet das Training mit den Reservisten, was - wie sich später zeigen sollte - allerdings zunächst nur bedeutete, dass Kovac um 10.14 Uhr immer noch Bayern-Trainer war. Um 11.52 Uhr parkte dann Alfons Schuhbeck seinen Wagen auf dem Gehweg und ging in seiner Kochkluft durch den Eingang zu den Trainingsplätzen, aber was das für Kovac bedeutete, blieb wie so vieles an diesem Sonntag lange offen. Um 14.58 Uhr verließ dann Kovac wieder die Tiefgarage, zu diesem Zeitpunkt galt als vermeintlich gesichert, dass er nach wie vor als Trainer des FC Bayern davonfuhr.

Um 12.30 Uhr hatte der Klub einen Spielbericht zum 1:5 vom Samstag in Frankfurt auf die Webseite gestellt, die Überschrift: "Nach Frankfurt: Training und Blick auf Piräus-Spiel". Kovac wird darin sogar noch zitiert: "Wir haben am Mittwoch die Möglichkeit, in der Champions League den Sack zuzumachen"; mit einem Sieg wäre das Team für das Achtelfinale qualifiziert. Und einen Trainer über ein Spiel sprechen zu lassen, das er nicht mehr leiten darf, gehört sich das nicht selbst in ernsten Zeiten nicht? Wäre das nicht ungefähr so charmant, wie eine Pressekonferenz einzuberufen, um dort die Presse zu beschimpfen?

Rummenigge hat seit Monaten daran gearbeitet, Kovac weiter zu schwächen

Ein "offenes und seriöses Gespräch" hätten Präsident Uli Hoeneß, Sportdirektor Hasan Salihamidzic und er mit Kovac geführt, wird Rummenigge in der Mitteilung vom Abend zitiert. Ob Kovac in diesem Gespräch am Anfang oder am Ende seinen Rücktritt angeboten hat, bleibt zunächst ungelöst. "Wir alle bedauern diese Entwicklung", fügt Rummenigge hinzu, was ein erstaunlicher Satz für einen Klubboss ist, der seit Monaten daran gearbeitet hat, diesen Trainer weiter zu schwächen. Dass sich Verein und Trainer am Sonntag trennen, war dabei nicht einmal überraschend. Überraschend war vielmehr, dass es erst nach einer weiteren Zusammenarbeit aussah - und sich dieser Eindruck überholte, als der Verein abends doch verkündete, was die meisten in der Branche erwartet hatten, nach dem 1:5 in Frankfurt.

Den Ernst der Lage hatte nach dieser Niederlage Manuel Neuer am deutlichsten formuliert, ausgerechnet der sonst so diplomatische Kapitän, der in den vergangenen Wochen vehement das Team in die Pflicht genommen hatte. Am Samstag sagte Neuer Sätze, die an Kovac, vielleicht sogar an den Vorstand gerichtet waren. "Ich finde, das hat sich schon ein bisschen abgezeichnet. Das ist für mich kein Wunder, was hier heute passiert ist." Nach dem zähen 2:1 im Pokal in Bochum sei die Niederlage in Frankfurt "für mich keine Riesenüberraschung".

Anders als Kovac, der später viel auf die frühe rote Karte für Jérôme Boateng schieben sollte, ließ Neuer den Platzverweis als Ausrede keinesfalls gelten. "Das ist nicht darauf zurückzuführen", sagte er, sondern darauf, "dass es nicht läuft. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, wir analysieren es und sprechen Dinge an. Aber es muss sich auf jeden Fall was ändern."

Kovac sagte am Samstag noch kämpferisch: "Ich weiß auch, wie das alles läuft in diesem Geschäft, also von daher bin ich nicht naiv, und ich bin auch nicht blauäugig. Aber wir hatten vergangene Saison eine Situation, wo es auch nicht gut lief. Und unterm Strich ist dann das Double rausgekommen. Ich habe damals nicht aufgegeben, ich gebe niemals auf, und ich gebe auch jetzt nicht auf."

Für die Bayern gibt es nicht wirklich einen Trainermarkt

Die Woche, in der nun Flick, 54, der einstige Assistent von Bundestrainer Joachim Löw, die Mannschaft betreuen wird, ist auch eine Woche, die die Klubbosse nutzen werden, um, wie es im Ernste-Zeiten-Sprech des Fußballs heißt, den Trainermarkt zu sondieren. Und die Herausforderung für Hoeneß und Rummenigge liegt dabei darin, dass es zurzeit für einen Klub wie den FC Bayern nicht wirklich einen großen Trainermarkt gibt.

Interessante Personalien wie Erik ten Hag (Amsterdam) oder Thomas Tuchel (Paris) sind vertraglich gebunden und wohl - wenn überhaupt - erst im Sommer verfügbar. Ralf Rangnick ist zwar im Red-Bull-Kosmos auch irgendwie vertraglich gebunden, wenngleich kaum jemand weiß, für welche Aufgabe; den Job beim FC Bayern würde er sich mit Sicherheit zutrauen. Doch würden die Bayern sich auch Rangnick zutrauen, mit seinem radikalen Gegen-den-Ball-Fußball, mit seinem mutmaßlich großen Stab, ohne den er kaum zu haben sein wird?

Andere Kandidaten wären frei, Massimiliano Allegri zum Beispiel, der mit Juventus Turin fünfmal in Serie Meister geworden ist, aber kaum Englisch spricht, geschweige denn Deutsch. José Mourinho ist ohne Verein, dem Vernehmen nach lernt er sogar Deutsch, doch ein Ego von diesem Kaliber dürfte selbst den Egos der Münchner Oberen zu groß sein.

Die Zeiten beim FC Bayern bleiben also spannend, zumal sich erst noch zeigen muss, ob die Trainerpersonalie wirklich der entscheidende Punkt war, um alles wieder zum Guten zu ändern.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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