Korruptionsskandal im Weltfußballverband:Warum sich Al Capone in Blatters Fifa gut zurechtfände

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Fifa-Präsident Joseph Blatter beim Kongress des Weltfußballverbands in Zürich. (Foto: AP)

Politiker rollen den Funktionären den roten Teppich aus, das Geld fließt in rauen Mengen - unter Joseph Blatter ist die Fifa zu einem ebenso mächtigen wie korrupten Verein geworden. Das muss ein Ende haben.

Kommentar von Hans Leyendecker

In den Roaring Twenties, den rasenden Zwanzigerjahren, also in der Zeit der amerikanischen Prohibition, wurden die Lastzüge der Alkoholschmuggler in Chicago von weiß gekleideten Polizisten auf Motorrädern eskortiert. John Torrio oder Alphonse Capone galten als große Unternehmerpersönlichkeiten und Korruption war ein anderes Wort für Gesetz.

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Wenn die Autokolonnen der Fifa-Größen heranpreschen und vor Regierungssitzen haltmachen, könnte man meinen, ein Staatspräsident rausche heran. Vorfahrten mit Polizei und Blaulicht, rote Teppiche, Blitzlichter. Viele Politiker sind stolz, wenn Joseph Blatter höchstselbst vorbeischaut. Sie behandeln ihn wie eine Macht.

In der Fifa hätten sich Mafiosi aus den Zwanzigerjahren bestens zurechtgefunden

Dabei ist Blatter der Chef einer Organisation, in der sich Diamanten-Jimmy oder Quinta der Springfrosch, Figuren aus dem alten Chicago, gut zurechtgefunden hätten. Fifa-Funktionäre lassen sich schmieren; wer nicht spurt, wird bedroht, und die Gier gibt den Takt vor. Nur wenn bei Feierlichkeiten der Geigenkasten aufspringt, ruht da, anders als zur Zeit Capones, keine Maschinenpistole im grünen Samtfutter, sondern tatsächlich eine Geige. Das Gewese, das in diesen Tagen von der Welt bestaunt wird, müsste ihr also eigentlich vertraut sein.

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Je nach Betrachtungsweise ist die Fifa ein von Korruption zerfressener oder ein von Korruption infizierter Verband. Dieser Zustand dauert länger als die Ära der Prohibition währte - die ging nach 14 Jahren zu Ende. Warum ist die Fifa damit bislang durchgekommen? Hat jemand die gravitätischen Begriffe, zu denen Blatter gerne greift, wie "Integrität", "Solidarität" und "Respekt" wirklich mit den Geschäften dieser Organisation in Verbindung gebracht? Als ginge es um einen Verband irgendwo zwischen Vereinten Nationen und Amnesty International. Die Realität sind epidemische Korruption und das Elend der Arbeiter beim Bau der WM-Stadien in Katar.

Korruption ist der Missbrauch eines öffentlichen Amtes zu privaten Zwecken

Als Blatter vor vierzig Jahren bei der Fifa begann, hatte der Verband nur ein paar Mitarbeiter. Heute sind in Zürich mehr als 400 Fifa-Angestellte beschäftigt, und die rasante Kommerzialisierung des Fußballs weltweit wird als Erfolg verkauft. Jedem das Seine, mir das meiste - das ist die heimliche Botschaft der Fifa. Blatter gibt den Ehrenmann und lässt sich mit den Voten der Korrumpierten wählen. Er zahlt hohe Beträge an Mitgliedsverbände, angeblich nur um die Entwicklung des Fußballs global zu fördern, aber das viele Geld macht seine Unterstützer gefügig und gierig zugleich. Er spielt den Wohltäter und ist doch Pate oder eine Art Zar.

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Die kriminologische Forschung definiert Korruption als Missbrauch eines öffentlichen Amtes zu privaten Zwecken. Der Begriff beschreibt auch den allgemeinen moralischen Verfall, der in vielen Ländern Lateinamerikas zu beobachten ist. So ist es auch kein Zufall, dass die US-Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen dort sehr fündig geworden ist. Der "Korruptionsstadl" Fifa, von dem Karl-Heinz Rummenigge einmal gesprochen hat - es war eine Verniedlichung.

"Wir können nicht jeden überwachen", so kommentierte Blatter die jüngsten Ermittlungen. Und stellte sich erfolgreich zur Wiederwahl. Zum Wesen der Demokratie gehört aber, Verantwortung zu übernehmen - selbst wenn ein Präsident nicht persönlich in einen Skandal verstrickt ist. Und es gibt ja auch Formen der Korruption, für die es keine Zahlungsströme braucht.

Bei der Frage, warum das alles so lange fast ungestört lief, muss man zunächst in die Schweiz schauen. Seit 1932 ist Zürich der Stammsitz der Fifa; das "Mekka des Fußballs" wie Blatter sagt. In der Schweiz sind Schmiergeldzahlungen an einen Verein oder dessen Funktionäre immer noch kein Offizialdelikt. Sie werden als eine Art Privatsache behandelt.

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Das soll sich durch ein neues Korruptionsstrafrecht ändern, das dem Ständerat vorliegt. Denn die Reputation der Schweiz leidet unter vielen dubiosen Geldgeschichten, auch unter Sportskandalen: Auch das Internationale Olympische Komitee, das vor allem in der Amtszeit von Juan Antonio Samaranch monumentale Korruptionsskandale erlebte, hat seinen Sitz in Lausanne.

Fifa sollte Status der Gemeinnützigkeit verlieren

Ob die Schweizer Justiz, die wegen der Umstände bei der Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland und Katar gegen unbekannt ermittelt, ihr Verfahren ernst nimmt oder es nur als Begleitmusik zum Auslieferungsbegehren der Amerikaner laufen lässt, ist offen.

Klar ist, was zu tun wäre: Die Fifa ist ein gemeinnütziger Verein. Was macht man, wenn ein Verein gemein ist? Man entzieht ihm die Gemeinnützigkeit. Wenn ein Verein oder ein Verband nicht in der Lage ist, das Verhalten seiner Leute so zu beeinflussen, dass die nicht korrupt sind, sollte er wenigstens nicht mehr steuerlich subventioniert werden. Die permanente Verletzung moralischer Standards ist nicht nur ein Ärgernis, sondern ein Ausschlusskriterium.

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Staatsanwaltschaften in aller Welt haben dem Treiben mehr oder weniger gelangweilt und viel zu lange zugeschaut. Und die Politik wollte es sich mit denen, die über die Vergabe von Fußballweltmeisterschaften entscheiden, nicht verderben. Gehandelt hat der Weltpolizist USA und dafür ist ihm - ausnahmsweise - zu danken. Ohne die amerikanischen Strafverfolger, ohne FBI und US-Steuerbehörde wäre in Sachen Fifa wieder nichts passiert. Es zeigt, dass die USA in der Korruptionsbekämpfung Vorreiter sind. Und auch bei der Stürmung der Steuerfeste Schweiz spielten amerikanische Fahnder und Politiker eine große Rolle: Sie drohten mit der Schließung von Schweizer Banken in den USA. Das half.

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Korruption kann nur mit Nulltoleranz bekämpft werden. Alle Taktierei der Uefa, alle Beschwörungen, man müsse was tun, dürfe aber nichts überstürzen, führen weiter ins Elend. Ob der Austritt aus der Fifa oder der Boykott einer Weltmeisterschaft der richtige Weg wäre - darüber kann man streiten. Aber nicht darüber, dass wirklich was passieren muss. Auf die Einsicht des selbstherrlichen Blatter darf jedenfalls niemand hoffen.

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"Ich bin ein guter Bürger", erklärte Al Capone 1932. "Schaut euch nur um, wie viel Gutes ich getan habe, und das ist nun mein Lohn." Da war er gerade zu elf Jahren Haft verurteilt worden.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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