Aus von Tayfun Korkut:Hertha wartet auf den nächsten Feuerwehrmann

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Fredi Bobic (rechts) verkündete die Trennung von Tayfun Korkut (links), obwohl er zuweilen durchblicken ließ, dass er den Trainer ganz und gar nicht für den Alleinverantwortlichen an der Lage hält. (Foto: Engler/Nordphoto/Imago)

Hertha BSC rutscht auf Platz 17 ab und wirft in Tayfun Korkut schon den zweiten Trainer dieser Saison raus. Wem ist die Rettung vor dem Abstieg nun noch zuzutrauen?

Von Javier Cáceres, Berlin

Es war schon am Samstagabend klar, was am Sonntag bei der Hertha vollzogen werden würde. Spätestens, als Herthas Manager Fredi Bobic, 50, bei der früheren Legende Lothar Matthäus, 60, im mobilen Studio des TV-Senders Sky stand und sagte, dass sich die Hertha-Verantwortlichen "erst mal ganz in Ruhe besprechen" werden, und ergänzte: "Wir werden uns morgen auf jeden Fall dazu äußern." Korkut, 47, wusste nach dem 0:2 bei Borussia Mönchengladbach sicher längst, dass es für ihn eng werden würde. Und am Sonntag, kurz nach 11 Uhr, war es dann auch vorbei für ihn in Berlin. "Nach intensiver Analyse und Bewertung der aktuellen sportlichen Situation hat sich die Geschäftsführung von Hertha BSC dazu entschieden, Tayfun Korkut mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Cheftrainer der Lizenzmannschaft zu entbinden", teilte der Klub mit.

Der Rauswurf von Korkut ist Fredi Bobic offenkundig schwer gefallen. Unter anderem auch deshalb, weil er wie die Korrektur eines Fehlers gelesen werden muss, an den Bobic auf nachgerade sadistische Weise erinnert wurde - von Lothar Matthäus.

Der Weltmeister von 1990 schlug am Samstagabend vor, den Vollblut-Herthaner Pal Dardai, 45, mit der Rettung zu betrauen. Wozu man wissen muss, dass Lothar Matthäus nicht nur Sky-Experte ist, sondern sich Dardai verbunden fühlt. Verbunden genug, um zu wissen, wie es um die Beziehungen zwischen den ehemaligen Hertha-Spielkameraden Bobic und Dardai bestellt ist, seit Bobic den Ungarn Ende November entließ - um Korkut zu holen.

Niko Kovac, Friedhelm Funkel, Markus Gisdol - die Liste der Namen, über die nun spekuliert wird, ist lang

Mit diesem habe es einen "verheißungsvollen Start mit sieben Punkten aus den ersten vier Spielen" gegeben, teilte Bobic schriftlich mit. Doch nun habe man "offen und klar die Entwicklung der Leistungen und Ergebnisse der neun Spiele in der Rückrunde analysiert" und sei "zu dem Entschluss gekommen, eine nochmalige Veränderung auf der Trainerposition vorzunehmen". Der Klub steht nach der 0:2-Niederlage vom Samstag in Mönchengladbach auf dem vorletzten Tabellenplatz und hat nur noch acht Spieltage Zeit, den sechsten Abstieg seiner Bundesligageschichte zu verhindern. Mit welchem Trainer? Das war am Sonntag zunächst offen.

Man wolle sich nach Klärung der Personalie melden, teilte die Hertha mit, die vorherige Feuerwehrmänner wie Bruno Labbadia und Dardai noch auf der Gehaltsliste stehen hat. Zuletzt als Wunschtrainer gehandelte Koryphäen wie Niko Kovac (vereinslos) oder Roger Schmidt (PSV Eindhoven) soll es perspektivisch eher nach England denn nach Berlin ziehen. Kovac, ein Junge aus dem Wedding, könnte man noch emotional kitzeln. Spekuliert wird ansonsten über diverse Namen. Die Liste reichte von Friedhelm Funkel bis Markus Gisdol, der neulich bei Lokomotive Moskau aus eigenem Entschluss ging. Der Ex-Stuttgarter Slaven Bilić soll über einen Mittelsmann kontaktiert worden sein, aber aus prinzipiellen Erwägungen - kein größeres Interesse an der Bundesliga - abgewunken haben. Daniel Farke (zuletzt FK Krasnodar/Russland) zählte dem Vernehmen nach in den vergangenen Tagen hingegen nicht zum Kreis der Hertha-Kandidaten.

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Die Mannschaft ging jedenfalls gegen 11 Uhr morgens ohne Chef zum regenerativen Training, das nach einer halben Stunde wieder beendet war. Mit den Verteidigern Dedryck Boyata und Marton Dardai - dem Sohn von Pal Dardai -, die sich kurz nach der Gladbacher 1:0-Führung auf der Auswechselbank einen ähnlich großen Ast gelacht hatten wie seinerzeit Kanzlerkandidat Armin Laschet nach der Flutkatastrophe im Ahrtal.

Dardai Jr. lachte quasi stellvertretend für den Papa, der Kolportagen zufolge schon länger darüber schmunzelt, dass die Ironie bei der Hertha gerade herzhaft zubeißt. Dardai war im Sommer 2019 noch vom damaligen Manager Michael Preetz hinauskomplimentiert worden, weil sein Fußball als nicht attraktiv genug galt (was er er auch nicht war). Dann kam Dardai im Januar 2021 zurück, weil seine Nachfolger Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri und Bruno Labbadia die Hertha allesamt nicht vom Fleck bekamen; Ende November 2021 wurde er dann wieder von Bobic beurlaubt.

Die Ironie: Ausgerechnet zum Ende der Amtszeit Korkuts feierte der Dardaiismus fröhlich Urständ. Korkut hatte seine Mannschaft am Dienstag vor laufenden Kameras zusammengestaucht, was eigentlich nicht seine Art ist, bei seinem Vorgänger hingegen schon mal vorkam. Dann stellte Korkut in Gladbach - wider die eigene Natur und ganz im Sinne des Dardaiismus - acht defensive Spieler auf. Und vorn verließ sich Korkut auf Davie Selke - eine Entscheidung, die vor Agnostizismus nur so strotzte. Weil: Die Antwort auf die Frage, ob Selke ein bundesligatauglicher Stürmer ist, kann man nur so beantworten, wie Agnostiker die Frage nach der Existenz Gottes beantworten: Es ist nicht geklärt. Wobei man sich da keine Sorgen um Selke machen muss: Es ist bei der Hertha alles andere als einsam um ihn in dieser Frage.

Auffällig auch: In der Startelf standen lediglich zwei von Bobic verpflichtete Spieler. Neben Ishak Belfodil nämlich nur noch Marc-Oliver Kempf, der Ende Januar vom VfB Stuttgart gekommen war und in vier Spielen für die Hertha zwei Elfmeter gegen die Hertha verursachte (und gegen Leipzig die rote Karte sah). In den Augen vieler Hertha-Fans steht er deshalb unter dem - selbstredend hanebüchenen - Verdacht, ein Angehöriger der fünften Kolonne des ebenfalls abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart zu sein.

"Am liebsten würden wir ganz andere Sachen tauschen", stöhnt Manager Bobic über den Kader

Am Samstag war es Kempfs Foul an Gladbachs Stürmer Marcus Thuram, das den von Alassane Pléa verwandelten Strafstoß zum 1:0 für Gladbach heraufbeschwor. In der zweiten Halbzeit kassierte Hertha nach einer Ecke das 2:0 (59. Minute). Manager Bobic gab zu verstehen, dass da Niklas Stark wohl vergessen hatte, für den späteren Torschützen Matthias Ginter zuständig zu sein. Aber die Passivität Selkes, als Ginter neben ihm zum Kopfball aufstieg, war schon sagenhaft und sicher nicht dem Trainer Korkut anzulasten. Derlei schwant offenbar auch Bobic. "Am liebsten würden wir ganz andere Sachen tauschen", stöhnte der Manager im ZDF, was ja nichts anderes ist als ein Misstrauensvotum gegen weite Teile eines dysfunktionalen Kaders. "Ich kann Ihnen sagen, Tayfun Korkut haut alles rein", sagte Bobic noch. Selke fand ebenfalls, dass Korkuts Plan schon auch gut gewesen sei: "Wir haben es über weite Strecken hinbekommen, über weite auch nicht", bekundete er. Die Strecken, über die sie es nicht hinbekommen haben, waren alles in allem die längeren.

Und nun? Die Hertha bekam ab dem Sommer 2019 von ihrem Investor Lars Windhorst mal eben 374 Millionen Euro zugesteckt; im Lichte der getätigten Transfers würde man dem Klub im Nachhinein wünschen, er hätte das berühmte Bonmot von George Best zum Businessplan erhoben. Sprich: das Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos auszugeben und den Rest zu verprassen. Hertha hingegen? Steht längst nicht mehr nur vor Scherben, sondern vor einer existenziellen Krise; die gleichwohl nicht verhindert, dass Präsident Werner Gegenbauer, was Erklärungen für die Öffentlichkeit anbelangt, weiter als missing gilt. Wobei: Er wurde am Samstag auf der Ehrentribüne in Gladbach und Sonntagfrüh auf dem Parkplatz vor der Hertha-Geschäftsstelle gesehen.

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