Kommentar :München ist Schauplatz eines völlig unzeitgemäßen Experiments

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Redet den Spielern gut zu: der neue und alte Bayern-Trainer Jupp Heynckes (hier mit Thomas Müller). (Foto: Bongarts/Getty Images)

Mit der Rückkehr von Jupp Heynckes erlebt die zuletzt innovative Liga eine Zeitenwende: Es geht darum, ob erfolgreich sein kann, wer statt neuer Konzepte den Glauben an die eigene Stärke vermittelt.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Als Jupp Heynckes seine siebte deutsche Meisterschaft feierte, seine dritte davon als Trainer, sagte er: "Ich habe noch nie eine so kalte Meisterschaft erlebt." Das war am 6. April 2013, es war der Auftakt zu den Wochen, die aus einer erfolgreichen Trainerkarriere eine für die Geschichtsbücher machten. Ein paar Wochen später hatte Heynckes mit dem FC Bayern das Triple gewonnen.

Sollte Heynckes noch eine deutsche Meisterschaft feiern, das hat der erste Spieltag nach seiner Rückkehr gezeigt, dann wird man ihn jetzt schon beruhigen dürfen: So kalt wird's nächstes Jahr nicht sein.

Die Liga ist ausgeglichener als vor vier Jahren

Die Bundesliga, in die Heynckes an diesem Samstag nach fast viereinhalb Jahren zurückgekehrt ist, ist ausgeglichener als die, die er verlassen hat. Damals neigte sich der große Klopp-Zyklus in Dortmund allmählich seinem Ende entgegen, aus einem Duell an der Tabellenspitze wurde ein jahrelanger Alleinmarsch des FC Bayern. Inzwischen ist die Liga - teilweise ist das auch das Erbe von Heynckes' Nachfolger Pep Guardiola - innovativer, sie ist mutiger. Zu erkennen war das auch an diesem achten Spieltag, an dem sich Leipzig und Dortmund unterhaltsam attackierten, auch im Versuch, die Hoheit der eigenen Idee nachzuweisen.

Dass der FC Bayern nun noch einmal Jupp Heynckes reaktiviert hat, verleiht dieser Saison eine zusätzliche Spannung, die Liga ist nun auch der Schauplatz eines völlig unzeitgemäßen Experiments. Es geht darum, ob es gelingen kann, in dieser Liga auch erfolgreich zu sein, indem den Spielern nicht neue Konzepte vermittelt werden, sondern vor allem der Glaube an die eigene Fantasie, an die eigene Stärke.

Eine Aufstellung ohne eine einzige Überraschung

Der Fußball sei in seiner Abwesenheit nicht neu erfunden worden, hat Heynckes bei seiner Vorstellung in München gesagt, es klang fast trotzig. Er hat dann beim 5:0 gegen Freiburg auch demonstrativ so spielen lassen wie es wohl jeder erwartet hat, es war eine Aufstellung ohne eine einzige Überraschung, und es war auch ein Auftritt, der seine Stärke daraus zog, dass er auf Bewährtes setzte - das aber so konsequent ausgeführt, dass einige Spieler ihrem eigenen Vermögen erkennbar näher waren als in den Schlendrianwochen zuletzt unter Carlo Ancelotti.

"Wir haben den Fußball nicht neu erfunden", sagte Thomas Müller. Doch darum geht es dem FC Bayern in dieser Saison auch nicht. Heynckes ist nicht gekommen als Ideenstifter, sondern als Identitätsstifter. Und unter ihm hat sich der FC Bayern, den er ja nach einer gefühlt endlosen Serie von drei Spielen ohne Sieg übernommen hat, zurückgemeldet im Meisterschaftsrennen, das ist dieser Saison ein Dreikampf ist, vielleicht sogar ein Vierkampf. (Dass der hartnäckig als Heynckes-Nachfolger gehandelte Julian Nagelsmann mit seiner TSG Hoffenheim zuletzt strauchelte, ist eine Pointe, wie man sie sich nicht besser hätte ausdenken können beim FC Bayern.)

Beim FC Bayern wissen sie wieder, wer sie sind, das ist die Botschaft dieser Partie gegen Freiburg. Was das wert sein wird, wird sich zeigen, wenn das Team Ende Oktober/Anfang November innerhalb von zehn Tagen zweimal auf Leipzig und einmal auf Dortmund trifft. Auf die beiden Teams also, die sich an diesem Spieltag das wahre Duell der Identitäten geliefert haben.

© SZ vom 15.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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