Kommentar:Hinterhalt in der Europa League

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Fehlt dem 1. FC Köln mit einer Muskelverletzung bis zum Endes des Jahres: Innenverteidiger Dominic Maroh (Mitte). (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Liste der Kölner Verletzten ist vor dem Spiel gegen Hertha BSC fast länger als die der Gesunden. Die Europa League könnte sich für den nächsten Bundesligisten als Unheil erweisen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Im kommenden Mai könnte es verdammt eng werden im Terminplan des 1. FC Köln. Binnen sechs Tagen stehen dann höchstwahrscheinlich vier entscheidende Partien an: am 16. das Europa-League-Endspiel in Lyon, am 19. das Pokal-Finale in Berlin - und die Relegation gegen Fortuna Düsseldorf am 17. und 21. Mai. In Köln darf man nämlich immer noch vom Triple fantasieren, was in Hoffenheim und Berlin schon länger kein Thema mehr ist: Aus dem nationalen Pokal hatten sich beide Klubs bereits verabschiedet (im Falle von Hertha BSC infolge einer eingewachsenen Zwangsneurose), bevor beide jetzt auch im Europacup das Ende ihres Horizonts erreicht haben.

Die Kölner dagegen haben sich am Donnerstag ihren Glücksgefühlen hingegeben. Gemäß der alten rheinischen Weisheit, wonach man seine Sorgen in ein Gläschen Wein schütten sollte, berauschten sich die Menschen im rappelvollen Stadion am 1:0 gegen Arsenal. Selbst der große Arsène Wenger schien sich am Frohsinn auf den Rängen zu vergnügen, man sah ihn nach Abpfiff schmunzeln.

Zugegeben: Arsenal-Star Mesut Özil war wie andere Premium-Mitarbeiter zu Hause in London geblieben. Aber auch die Kölner traten mit einer B-Auswahl an (was sie in dieser vertrackten Saison quasi grundsätzlich tun), außerdem zählt das, was auf der Packung steht: "In ein paar Jahren werden wir vielleicht erzählen, dass wir Arsenal London geschlagen haben", sagte Trainer Peter Stöger.

In Köln ist die Verletzten-Liste fast länger als die der Gesunden

Bereits in ein paar Wochen wird man wissen, ob dieser Sieg aber nicht womöglich zu teuer erkauft war. Die Liste der Verletzten ist bei den Kölnern bald länger als die der Gesunden, durch Dominic Marohs (selbstredend langfristigen) Ausfall steht Stöger gegen Hertha BSC am Sonntag nur noch ein Innenverteidiger zur Verfügung: der Spanier Jorge Meré, 21, der bisher seinen Stammplatz in der Reserve hatte. Auch der teure Sturmzugang Jhon Córdoba erlitt gegen Arsenal eine Oberschenkelblessur, wegen der er bis Jahresende ausfällt. Gegen Hertha fehlen damit bis zu zehn FC-Leistungsträger, sieben kehren frühestens im Januar zurück.

Warum der FC auf epidemische Weise von Muskelverletzungen heimgesucht wird, darüber wird viel spekuliert, aber man liegt sicher nicht ganz falsch, den Hochdruck im unentwegten Abwehr- und Überlebenskampf zu den Ursachen zu rechnen. Angefangen hatte das Unglück im September beim ersten Europacup-Festspiel in London mit einer Szene, die rückblickend wie ein Menetekel erscheint: Nationalspieler Jonas Hector wurde beim Stand von 1:0 für den FC im Strafraum des FC Arsenal gefoult. Doch statt des Elfmeters gab es wegen eines Abseitspfiffes Freistoß für Arsenal - während Hector schwer verletzt liegen blieb.

Die Europa League mit ihren weiten Reisen und dunklen Nächten an unbekannten Orten hat sich schon für manchen selbstgewissen Bundesligaklub als Unheil erwiesen. Klubs, die noch im Sommer den Karrieresprung gefeiert hatten, beklagen im Herbst oft den Raubbau, den der Wettbewerb anrichtet. In Hoffenheim bringt gerade die Europa League dem Trainer Julian Nagelsmann ein Stück Demut bei, und in Berlin darf man sich schämen, an Östersund und Luhansk gescheitert zu sein.

Dass die Kölner am 7. Dezember zu einem Gruppenfinale in Belgrad antreten dürfen, macht zwar die Fans glücklich, es könnte aber ein weiterer Hinterhalt sein. Auch in Freiburg wird dieses Match für Einschaltquoten sorgen, die Spieler des SC werden wohl mit einem Fläschchen Tannenzäpfle auf dem Sofa sitzen und zusehen, wie sich die letzten gesunden Kölner verausgaben. 62 Stunden später treffen sich beide Vereine zum Bundesliga-Kellerduell. Vom Mai 2018 träumt danach womöglich keiner mehr in Köln.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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