Fußball-Bundesliga:Der "Mythos Südtribüne" wankt - aber steht

Lesezeit: 2 min

Ein Dortmund-Fan protestiert vor dem Spiel gegen Wolfsburg. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Die Bundesliga und ihre Mythen: In Dortmund hadern sie mit ihrer leeren Tribüne, und die Bayern bekommen eben so viel Nachspielzeit, bis sie treffen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Was Konventionen hiesiger Gesellschaften verpönen, ist im Fußballstadion erlaubt. Brüllen und auf den Boden spucken zum Beispiel. Oder das Tragen von fransigen Jeanswesten mit bunten Aufnähern: Würde in jedem Restaurant zu lebenslangem Hausverbot führen und bei jedem Date den unverzüglichen Abbruch provozieren, wird auf Stadiontribünen aber mit Anerkennung gewürdigt. Ähnlich ist es, trotz vereinzelter Erfolge des Postfaktischen, mit Verschwörungstheorien. Wer Angela Merkel für ein Reptil oder die Erde für eine Scheibe hält, gilt als Hanswurst. Im Fußball gilt der Verschwörungstheoretiker als Experte.

Wer sich gerne über Fußball unterhält, der ist dabei schon zahlreichen Mythen und Legenden begegnet und hat sie bestätigt, weil sie sich im Fußball halt richtig anfühlen. Nun, am 21. Bundesliga-Spieltag, waren in Berlin gleich zwei Mythen Gesprächsthema. Der FC Bayern spielte dank eines Tores in der sechsten Minute der Nachspielzeit 1:1. Grund waren Bayern-Dusel und Bayern-Bonus, genauer: die vom Bayern-Bonus mal wieder profitierenden Duselbayern.

Der Promibonus im Fußball ist empirisch belegt

Berlins Trainer Pal Dardai sagte: "So viel Nachspielzeit, das ist dann einfach Bayern-Bonus, sorry." Der Schiedsrichter hatte fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt bekommen, aber sechs nachspielen lassen. Nun argumentierten Spieler und Trainer des FC Bayern, die Spielzeit sei aufgrund häufiger Zeitverzögerungen der Berliner vollkommen berechtigt gewesen. Was die Bayern in ihren Erklärungen missachteten: Fees et al. (2016) von der Frankfurt School of Finance & Management haben den vermuteten Promibonus bei Schiedsrichterentscheidungen im Fußball längst empirisch bestätigt.

Was den Mythos Bayern-Dusel (Dusel = unverdientes Glück) angeht, gibt es dagegen eine Erklärung, die selbst Bayernfans, also notorische Leugner des Bayern-Dusels, freuen wird: Wer gegen Freiburg, in Ingolstadt und in Berlin in der Nachspielzeit trifft, wer so geil auf Punkte ist (im Fußball darf man "geil" sagen, ohne das näher zu präzisieren), der hat sich irgendwann sogar das unverdiente Glück verdient. Oder wie ein bekannter Verschwörungstheoretiker sagen würde: "It's true. Believe me."

Eintracht Frankfurt
:"Die Niederlage ist meine Schuld"

Frankfurts Hasebe übt nach dem 0:2 gegen Ingolstadt harte Selbstkritik. Doch auch der Schiedsrichter steht erstaunlich oft im Mittelpunkt.

Von Johannes Aumüller

Der Mythos Südtribüne? Wankte, aber steht

Um den nächsten Mythos ging es in Dortmund, dort wankte der Mythos Südtribüne (ja, im Fußball darf ein Mythos wanken). Sie blieb nach den Hassplakaten gegen RB Leipzig am Samstag erstmals in der Geschichte leer, was für BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der vor dem Spiel direkt von der Front sprach, "schreckliche Bilder" waren, "wie Fußball ohne Ball". Der Wolfsburger Jakub Blaszczykowski, früher Dortmunder und vom Mythos Südtribüne zur Legende erklärt, sagte weniger subtil: "Fußball ohne Fans ist kein Fußball".

Jeder Bunte-Liga-Kicker und Kreisliga-C-Spieler wird diese Aussage ohne weiteres mit Fakten wiederlegen können. Andererseits schufen die Dortmunder Fans auf ihre Weise Fakten, sie gingen entweder auf der Nordtribüne ins Stadion (weil die mythenarmen Gäste aus Wolfsburg zu wenige Fans haben, um den Gästeblock zu füllen), oder sie stellten sich mit Plakaten vors Stadion. Ohne Frage: Der Mythos "Südtribüne lebt" wankte, aber er steht noch.

Ein beliebter Mythos ist auch der unabsteigbare Hamburger SV. Zweifel an seinem Wahrheitsgehalt sind solange völlig unangebracht, bis der Hamburger SV absteigt. Gerade steht der Klub über dem Strich, trotz eines Remis gegen Freiburg, das eigentlich ein Sieg hätte sein können. Wichtiger als zu gewinnen war es dem HSV offensichtlich, einen weiteren Mythos zu pflegen: Der Gefoulte soll nie schießen, heißt es über Elfmeter. Beim Stand von 2:2 wurde Hamburgs Aaron Hunt im Strafraum gefoult. "Ich wollte schießen und habe geschossen", sagte er hinterher. Er schoss natürlich zu schwach.

© SZ vom 19.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga
:Bayern ist zu abhängig von Lewandowski

Trainer Ancelotti probt gegen Hertha BSC den Ernstfall: Wie sähe seine Elf ohne Robert Lewandowski aus? Die Antwort ist unbefriedigend.

Von Christopher Gerards

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: