Kölns neuer Trainer Timo Schultz:Ostfriese im Millionendorf

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Timo Schultz leitete bereits das erste Training am Geißbockheim. (Foto: Buriakov/Beautiful Sports/Imago)

Timo Schultz, in Deutschland bekannt geworden als Coach des FC St. Pauli, übernimmt den schwierigen Job, Köln vor dem Abstieg zu bewahren. Er ist kein typischer Trainerkarussell-Kandidat.

Von Philipp Selldorf

Freunde des 1. FC Köln waren mindestens irritiert, als zu Jahresbeginn der Bundesliga-Sender Sky eine Liste mit den Namen der Kandidaten für den offenen Cheftrainer-Posten veröffentlichte: Die Rede war vom Dänen Bo Henriksen, derzeit beim Schweizer Nationalligisten FC Zürich aktiv, von Thomas Stamm, der die Zweitvertretung des SC Freiburg in der dritten Liga betreut, und von Matthias Kohler, zuletzt beim FC Volendam in der niederländischen Eredivisie tätig. Was sollte man von solchen exzentrischen Insider-Empfehlungen halten?

Einerseits möchten Fans zwar, dass nicht nur Bruno Labbadia und andere übliche Verdächtige zur Auswahl stehen, andererseits möchten sie sich auch das Kontrastprogramm nicht vorstellen: Zum Beispiel, dass die Geschicke ihres Klubs einem unbekannten jugendlichen Laptop-Trainer anvertraut werden - der im Fall des FC auch noch an die Stelle des charismatischen Vorgängers Steffen Baumgart zu treten hätte.

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Insoweit hat der Kölner Sportchef Christian Keller mit seiner Auslese die gröbsten Befürchtungen im Publikum fürs Erste zerstreut. Was sein berufliches Selbstverständnis angeht, ist Keller ein Mann, der ein außergewöhnlich starkes Vertrauen in sein eigenes Urteil besitzt und die öffentliche Meinung nicht fürchtet, ihm wäre auch eine augenscheinlich unpopuläre Entscheidung zuzutrauen gewesen. Der Beschluss für Timo Schultz, 46, stellt hingegen eine realistische Lösung zwischen den konträren Standpunkten dar. Schultz, der zweieinhalb, zwischenzeitlich sehr erfolgreiche Jahre den FC St. Pauli in der zweiten Liga angeführt hat und zu Beginn dieser Saison ein dreimonatiges, weitgehend missratenes Gastspiel beim allerdings ziemlich vom Weg abgekommenen FC Basel gab, kann einige Erfahrungen im Profifußball vorweisen. Er ist aber noch kein typischer Repräsentant des Trainer-Karussells und verkörpert eine von stereotypen Beurteilungen unbescholtene Personalie.

"Wenn der 1. FC Köln anruft, dann muss man nicht lang überlegen", sagt der neue Coach

Den einen oder anderen Kölner Anhänger dürfte Schultz schon mit dem ersten Satz gewonnen haben, den er am Donnerstagnachmittag auf der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung gesprochen hat. Befragt, was ihn trotz der Transfersperre für den Klub und Tabellenplatz 17 zum Engagement am Geißbockheim bewogen habe, antwortete Schultz ohne einen Hauch von Bedenkzeit und mit der größtmöglichen Selbstverständlichkeit: "Wenn der 1. FC Köln anruft, dann muss man nicht lang überlegen." Die prekäre sportliche Situation in Verbindung mit der Fifa-Strafe - für ein Vertragsvergehen im Fall des Nachwuchsspielers Jaka Cuber Potocnik - habe ihn zwar schon "beschäftigt, aber ich habe die Überzeugung, dass wir eine gute Mannschaft haben, und dass wir die Situation, so unschön sie sein mag, drehen und geraderücken können."

Christian Keller bestätigte, dass er während der vergangenen zwei Wochen seit der Trennung von Baumgart diverse Kandidaten geprüft habe. "Zu einem guten Auswahlprozess gehört es, dass man ihn gründlich führt, ich habe mit vielen hervorragenden Trainern sprechen dürfen", sagte er. An dem Verfahren nahmen außer dem Sportchef auch Teammanager Thomas Kessler sowie Chefscout Martin Schulz teil. Anders als bei den besagten möglichen Anwärtern blieb der Kontakt mit Timo Schultz im Verborgenen. Als sein Name am Donnerstag das erste Mal in den Medien fiel, hatte er bereits den Vertrag unterschrieben und den Anzug für das erste Training angelegt, das am Vormittag im Franz-Kremer-Stadion stattfand. Abends zuvor hatte er bereits mit den verbliebenen Mitgliedern aus Baumgarts Trainerteam zusammengesessen. Dass André Pawlak und Kevin McKenna auch Schultz zur Seite stehen sollten, war eine Bedingung, die der Klub gestellt hatte, diese Position sei "unverhandelbar" gewesen, hatte Keller erklärt. Torwarttrainer Uwe Gospodarek hingegen packte nach dem Weihnachtsurlaub seine Sachen und verließ den Posten.

Schultz versicherte, er habe viele Spiele des FC in dieser Saison gesehen und darunter auch solche erkannt, die ihm gut gefallen und ein besseres Ende verdient hätten, wie er meinte: "Da waren viele dabei, die wirklich Spitz auf Knopf gestanden haben." Kümmerliche zehn Punkte und noch kümmerlichere zehn Tore seien allerdings Tatsachen, "die man nicht wegdiskutieren kann". Stilistisch werde er das Werk seines geschätzten Vorgängers nicht revolutionieren, sagte Schultz, weder in der grundlegenden Formation - bevorzugt Viererkette - noch in der angriffsfreudigen Herangehensweise: "Der Begriff aktiv vorwärts Denken trifft's am besten - vorn draufzugehen ist ein wesentlicher Bestandteil auch meiner Idee."

Die Frage, wie ein gebürtiger Ostfriese und überzeugter Hamburger im Millionendorf Köln am Rhein zurechtkommen wird, wusste Schultz noch nicht zu beantworten. Mit Köln verbindet ihn aber bereits eine unvergessliche Erinnerung: Hier wurde ihm die Geburt seines Sohnes verkündet, als er nach einem Abendspiel mit dem FC St. Pauli in einem Hotel am Rande der Altstadt bleiben musste. Der Ruf seiner Frau, dass der Junge in Kürze zur Welt kommen werde, erreichte ihn um halb fünf in der Früh. Ob er da noch in der Altstadt oder schon im Hotel weilte, wollte Schultz am Donnerstag - Zwinkersmiley - nicht verraten. Aber er war rechtzeitig zur Geburt des Kindes zurück in Hamburg.

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