1. FC Köln:Schichtwechsel im Geißbocktor

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Parierte gegen Bochum mehrere Schüsse: Der neue Kölner Stammtorhüter Marvin Schwäbe. (Foto: David Inderlied/dpa)

Beim Kölner 2:2 in Bochum zeigt Marvin Schwäbe eine exquisite Leistung und wird auch nach der Rückkehr von Timo Horn die Nummer eins sein. Er passt als spielender Torhüter besser ins System des Trainers Steffen Baumgart.

Von Philipp Selldorf, Köln

Schon möglich, dass Thomas Reis und Steffen Baumgart später noch auf ein paar Pils in die Kneipe an der Ecke gegangen sind. Die Trainer des VfL Bochum und des 1. FC Köln zelebrierten beim 2:2 ihrer Teams am Samstagabend freundschaftliche Nähe. Sie trafen sich vor, während und nach dem Spiel zum ausdauernden Plausch, beim nächsten Mal sitzen sie wahrscheinlich nebeneinander auf der Bank oder gleich auf dem abgewetzten braunen Sofa, das der VfL für ausgewählte Fans auf der Haupttribüne aufgestellt hat, um das Stadion zum Wohnzimmer zu stilisieren. In dem Bewusstsein, dass hier der VfL zuhause ist, hat am Samstag ein Fan dem Kölner Coach befohlen, das Coaching zu unterlassen ("Halt die Fresse!!!"), was den Kölner Coach aber nicht beeindruckte: "Ganz bestimmt nicht!!!", rief er ebenso laut zurück.

Reis und Baumgart haben 2015 gemeinsam den Fußball-Lehrer-Kurs besucht, als Cheftrainer hatten sie bisher lediglich in der zweiten Liga miteinander zu tun. Dass ihr paralleler Aufstieg im vorigen Sommer einen Gewinn für die Liga bedeutet, das bestätigten die Protagonisten im sogenannten Topspiel, das nicht aussah wie die Begegnung eines finanziell minderbemittelten Aufsteigers mit dem Relegationsteilnehmer des Vorjahres. Beide Trainer haben ihre Mannschaften zu einheitlich operierenden Einsatzkommandos geformt und sie spielerisch ansehnlich geschult, die Partie vermittelte vielleicht nicht die Ahnung von Champions-League-Niveau, aber sie lieferte in vielen Phasen erstklassige Unterhaltung. Davon konnte sich auf der Tribüne auch Timo Horn, 28, überzeugen, jedoch mit vermutlich zwiespältigem Vergnügen.

FC-Torwart Marvin Schwäbe war der heimliche Spieler des Abends

Der FC-Torwart Horn hat nach einer Erkrankung, die auf seine Knie-Verletzung folgte, noch keine Spielreife, deswegen saß er in zivil im Stadion. Aber gespielt hätte er sowieso nicht. Den Stammplatz im Kölner Tor hat Baumgart in der vergangenen Woche Marvin Schwäbe, 26, zugesprochen, was diesen, wie er sagte, "natürlich sehr glücklich" gestimmt habe.

Den brav aufgesagten Vorsatz, das Vertrauen der Trainer rechtfertigen zu wollen, hat Schwäbe tatsächlich gleich mal eingelöst. Die beste Szene des Abends gehörte zwar wieder mal FC-Torjäger Anthony Modeste, der das zwischenzeitliche 2:1 mit einem meisterlichen Heber verantwortete, woraufhin er seinen patentierten Brillenjubel folgen ließ, Schwäbe aber durfte mit dem Gefühl heimgehen, bei den Kölnern der mindestens heimliche Spieler des Abends gewesen zu sein. Wegen einiger gelungener Abwehraktionen, besonders aber als elfter Feldspieler.

In dieser Extra-Rolle trägt er viel zum weiterentwickelten Kölner Spiel bei. Schwäbe strahlt dann eine tief sitzende Ruhe aus, Stress scheint ihm fremd zu sein, und sein Umgang mit dem Ball ist so tadellos und gentlemanlike, dass es dem Ball eine wahre Freude sein sollte. Der in Jugendzeiten bei Eintracht Frankfurt unterrichtete Torwart hat in den vergangenen Jahren schon anderen Traditionsvereinen beigestanden: Erst lernte er bei Dynamo Dresden die zweite Liga kennen, in Bröndby das Ausland, an beiden Orten war er jeweils als Nummer Eins im Einsatz. Seine Praxiserfahrung ist präsent.

Bereits im Sommer hatte sich die Degradierung von Timo Horn angedeutet

Horn, der bisher zu den alteingesessenen Stammkeepern der Liga zählte, dürfte die Degradierung kaum überrascht haben. Schon im Sommer, als Schwäbe vom dänischen Meister Bröndby IF ans Geißbockheim kam, wurde der Aspekt des Konkurrenzkampfs auffallend betont. Den zu Hertha BSC gewechselten Kölner Torwarttrainer Andreas Menger ersetzte der FC zudem durch Uwe Gospodarek, vormals beim VfB Stuttgart tätig, der ein ausgesprochen energischer Lehrer ist und gleich davon sprach, er wolle beim Schüler Horn "Strukturen aufbrechen - es gibt Dinge, die er besser machen kann". Anfangs sah es aus, als ob die Strategie Erfolg hätte.

Horn startete erfolgreich in die neue Zeitrechnung, er schien vom missionarischen Eifer seines Ausbilders zu profitieren, aber er konnte weiterhin nicht verbergen, dass seine Beziehung zum Ball nicht von Innigkeit geprägt und die kreative Spielbeteiligung nicht seine Sache ist. Schließlich verletzte er sich am Knie, und Schwäbe legte beim 4:1 im Derby gegen Mönchengladbach ein exquisites Debüt hin. Als "eiskalt" lobte der Teammanager des FC seinen Auftritt, und der sollte es wissen, denn der Kölner Teammanager heißt Thomas Kessler und war jahrelang die Nummer zwei hinter Horn.

Am Samstagabend in Bochum bekam Schwäbe ein Gegentor der eigentlich entehrenden Art, der gegnerische Stürmer schob ihm den Ball durch die Beine. Trotzdem traf den Torwart keine besondere Schuld, er war lediglich ein weiteres Opfer des konkurrenzlos schnellen VfL-Stürmers Gerrit Holtmann, der mal wieder allen davongerannt war. Ansonsten empfing Tribünengast Horn keine Signale, die darauf hindeuten, dass er seinen 300 Ligaspielen mit dem FC demnächst das 301. folgen lassen darf. Ob er den Kollegen bedauere, wurde Marvin Schwäbe gefragt. "Brauchen wir nicht drüber zu reden", hat er erwidert: "Timo hat neuneinhalb Jahre hier im Tor gestanden. Absolute Vereinsikone. Natürlich tut es mir leid für ihn."

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