Sportpolitik:DFB vertuscht Ethiker-Urteil gegen Interimsboss Koch

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Im Mai erstattete die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" bei der Ethikkommission Anzeige gegen DFB-Interimsboss Rainer Koch. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Der Verband teilt mit, dass ein Ethik-Verfahren gegen Rainer Koch eingestellt sei. Doch dabei verschweigt er, dass das DFB-Sportgericht dessen Verhalten gegenüber der Ex-Schiedsrichterin Steinhaus-Webb als "unethisch" eingestuft hat.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Frankfurt/München

Es war wieder eine dieser zufälligen Punktlandungen. Am Donnerstagmorgen, gerade ist der Interimspräsident Rainer Koch nach neuen Enthüllungen zu seiner Rolle in der DFB-Berateraffäre und vor der Zusammenkunft der Landes- und Regionalpräsidenten massiv unter Druck geraten, veröffentlichte der Deutsche Fußball-Bund eine kurze Mitteilung. Ein Ethikverfahren gegen Koch, bei dem es um sein Verhalten gegenüber der früheren Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb ging, sei eingestellt worden, teilte er mit. Die klare Botschaft: ein glatter Freispruch.

Doch nun zeigt sich: Die Ethik-Affäre ist keineswegs vorbei. Stattdessen weitet sie sich gehörig aus. Denn die offizielle Darstellung des DFB ist grob irreführend, weil sie eine wichtige Information unterschlägt, wie die zuständigen Mitglieder des Sportgerichtes am Freitag in einer "persönlichen Erklärung" klarstellten. Tatsächlich kam die Ethikkammer des Gerichts - nicht zu verwechseln mit der kürzlich umgebastelten, stark affärenbelasteten DFB-Ethikkommission - zu dem Schluss, dass Kochs Verhalten in dem monierten Fall "unethisch" gewesen sei. Dazu die Warnung: "Im Wiederholungsfall" könne eine Anklageerhebung erfolgen.

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Mit dem Argument, man habe 17 Millionen Euro zurückgeholt, wehrte sich DFB-Vize Koch einst prominent im ZDF gegen Kritik an mysteriösen Dienstleistern. Nun zeigt sich: Die Rechnung ist komplizierter - und der Verband zahlte eine stolze Summe.

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Der Vorgang ist beispiellos, dass sich die Mitglieder des unabhängigen Sportgerichtes genötigt sehen, eine offizielle DFB-Darstellung zu ihrem Entscheid so massiv richtigstellen zu müssen. Aber das ist noch nicht alles: Angesichts der abstrusen Abläufe steht im Raum, ob das Verfahren überhaupt juristisch sauber abgeschlossen ist. Diese Frage wird nun, auf Nachfassen der Sportrichter, zu klären sein.

Der Anlass für die Causa ist ein irritierendes Gespräch zwischen Koch und Steinhaus-Webb

Das Bubenstück zeigt erneut, mit welchen Tricks rund um dieses Verfahren gearbeitet wird - mit dem erkennbaren Ziel, den im DFB allmächtigen Strippenzieher Koch aus der Schusslinie zu nehmen. Die Ethik-Causa Koch geht zurück auf eine Anzeige der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr", die für grundlegende Veränderungen im deutschen Fußball eintritt. Zur Gruppe zählte im Frühjahr die frühere Schiedsrichterin Steinhaus-Webb, die damals noch als DFB-Videoassistentin wirkte und heute Schiedsrichter-Managerin in der englischen Premier League ist. Steinhaus-Webb monierte damals, sie sei im DFB unter Druck gesetzt worden, sich nicht an der Reformgruppe zu beteiligen.

In diesem Kontext kam es zu mehreren Gesprächen mit Koch. Dieser schaltete die Schiedsrichterin einmal ohne Vorwarnung in ein Telefonat mit einem Journalisten der Sport Bild und forderte sie dann auf, gewisse Erklärungen gegenüber diesem dritten Gesprächsteilnehmer abzugeben. Steinhaus-Webb weigerte sich und empfand die Situation als "irritierend", weil sie sich unter Druck gesetzt fühlte.

Die Frauen-Initiative brachte den Fall vor die Ethikkommission. Doch als sich das Gremium um den Münchner Juristen Bernd Knobloch dieser und einer weiteren Eingabe zu Koch widmete, geschah Erstaunliches: Mit dubiosen Manövern sprengte die DFB-Spitze den kritischen Ethiker-Stab und installierte stattdessen ein Gremium unter einer Personalberaterin, Irina Kummert. Dieser Tross sollte fortan im Sinne Kochs wirken - der Verdacht ergab sich schon aus dem filmreif bizarren Umbildungsprozess.

Ist der brisante Zusatz Teil des offiziellen Beschlusses oder nicht?

Allerdings kann das Ethikorgan ein begonnenes Verfahren satzungsgemäß nicht einfach einstellen, es braucht dafür die Zustimmung der Ethikkammer am Sportgericht. Diese stimmte zwar zu, auch eingedenk der Tatsache, dass die genervte Steinhaus-Webb die Sache nicht weiterbetreiben will. Jedoch stellten die drei Richter ihre Zustimmung unter einen glasklaren, bindenden Vorbehalt. Das Verhalten des Patrons Koch sei "unethisch" gewesen, das müsse die DFB-Ethikkommission im Beschluss genau so festhalten. Nun aber ist unklar, ob sie das wirklich tat.

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Bereits am 1. November verschickten die Sportrichter Holger Schindler, Wolfgang Otten und Michael Emde ihren Koch-Entscheid an die DFB-Ethiker. Die stellten das Verfahren ein, laut DFB schon am 23. November - aber ohne Rückmeldung ans Sportgericht. Diesen Beschluss mussten die Sportrichter nun erst anfordern, er lag ihnen bis Freitag nicht vor. Weshalb man sich fragt, was Kummerts Ethik-Combo wirklich verfügt hat. "Wenn der Beschluss tatsächlich ohne unseren Zusatz (Kochs unethisches Verhalten, d. Red.) verfasst ist, dann ist dieses Verfahren nicht abgeschlossen", heißt es aus dem zuständigen Ethiker-Trio auf SZ-Nachfrage.

Der DFB teilte Freitagabend mit, dass die Ethik-Kommission den Hinweis auf ein unethisches Verhalten "in einem Anschreiben an Herrn Dr. Koch erteilt" habe. Und er argumentierte: Das Sportgericht habe ja nicht explizit vorgegeben, dass die Öffentlichkeit zu informieren sei. Scheinheilig sei das, finden die Richter, sie hatten dem DFB und seinen treuen Ethikern am 1. November sogar einen Pressetext mitgeliefert. Die Frage, ob der Zusatz zu Kochs unethischem Tun explizit ein Teil ihres Beschlusses ist, ließen Kummert und der DFB unbeantwortet.

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