Klopps Assistenz Buvac:Im Schatten der Rampensau

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Zwei auf Augenhöhe: Zeljko Buvac (links) und Jürgen Klopp (Foto: dpa)

Weil Jürgen Klopp für ein Champions-League-Spiel gesperrt ist, muss Zeljko Buvac gegen Marseille den Chef geben. Der Assistent gilt als großer Schweiger - und als Taktiker, der die stillen Reserven der Mannschaft heben kann.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Frage kam ihm zu früh, viel zu früh: Ob er nicht mal ein paar Worte mit Journalisten reden wolle, einfach so, 72 Stunden vor seinem ersten Auftritt als Chefcoach in der Champions League auf der Bank von Borussia Dortmund? Nur ein paar Worte zum Spiel gegen Marseille?

Aber Zeljko Buvac, der Assistent von Jürgen Klopp, schlich weiter, wie immer, setzte sein freundliches Lächeln auf und hauchte die knappste aller noch halbwegs höflichen Antworten-Möglichkeiten: "Nein, noch nicht." Viel zu früh, schon Worte zu machen. Wo käme man da hin? Schließlich ist er gerade mal fünf Jahre in Dortmund.

Im Schatten einer geborenen Rampensau wie Klopp muss einer wie Buvac nicht viel mit der sogenannten Öffentlichkeit reden. Klopp ist der Entertainer in der Trainerwelt, ein Rhetorik- und Showtalent, einer, der sich und alles, was um ihn herum passiert, verkaufen und erklären kann, einer, der mit Worten, Gesten und Pointen die Leute fängt. Manchmal jault und brüllt er auch und schneidet furchterregende Grimassen. Zeljko Buvac ist das Gegenstück zu seinem Chef. Jedenfalls, so weit man das beurteilen kann - reden tut er ja nicht.

Wenn nicht alles täuscht, wird er sich selbst bei seiner Zwangs-Premiere in der ersten Reihe vor allen Begleitworten an Presse, Fans und Zuschauer drücken. Klopp, der Chef, ist bekanntlich für seine Wutattacke beim ersten Champions-League-Spiel, dem 1:2 in Neapel, für ein Spiel gesperrt worden. Er war dem vierten Offiziellen grimassierend auf die Pelle gerückt, das Gesicht grün vor Zorn und schnaubend wie die Bestie aus dem Trash-Comic. Deshalb darf und muss Buvac übernehmen.

Aber Klopp wäre nicht Klopp, hätte er nicht die Details des Straf-Reglements längst studiert: Die Pressekonferenz am Tag vor dem Spiel durfte er noch bestreiten, "dann muss ich mich vor dem Spiel von der Mannschaft trennen und darf nicht in die Kabine, aber ab 15 Minuten nach dem Spiel darf ich dann wieder, also auch zur Pressekonferenz". Dürfte heißen: Buvac schweigt weiter.

"Wir kommunizieren ohnehin telepathisch miteinander", sagt Klopp noch vorsorglich. Gedankenübertragung! Technische Hilfsmittel überflüssig. Was Klopp denkt, denkt Buvac sowieso.

Nicht, dass Buvac sich nicht auch aufregen könnte - man hat ihn ja auch schon gestikulierend auf der Trainerbank gesehen, sogar am Spielfeldrand. Buvac springt beim Jubeln meist höher als der Chef. Aber im Vergleich zu Klopps regelmäßigem Aufbrausen wirkt er beim Protestieren eher wie ein Konfirmand, der sich über zu viel Hausaufgaben beklagt. Buvac fällt am Rande der Coaching-Zone eher durch Anweisungen in einer Zeichensprache auf, die wahrscheinlich aus dem Hindukusch oder den hinteren Karpaten stammt - unentschlüsselbar für Fremde.

Wahrscheinlich haben sich Klopp und Buvac genau wegen dieser charakterlichen Aufgabenteilung schon einst als Spieler bei Mainz 05 gemocht. Klopp war der verbale und mentale Antreiber der Mannschaft mit - nach eigener Einschätzung - begrenzten fußballerischen Optionen. Buvac war der Spielmacher-Typ, dem das Ballgefühl gegeben war, aber nicht die Wucht des Wortes.

Zusammen, das müssen beide schnell gemerkt haben, sind wir fast unschlagbar. Und trotz der Unterschiede zwischen dem Extro- und dem Introvertierten teilen beide wohl ein verwandtes Wesens-Repertoire. Klopp erzählt deshalb gerne, dass "wir uns damals schon verabredet haben: Derjenige von uns, der zuerst einen Trainerjob bekommt, holt den anderen als seinen Assistenten nach".

Buvac, 52, sechs Jahre älter als Klopp, trainierte dann schon den damaligen Regionalligisten SC Neukirchen, als Klopp im Februar 2001 bei Mainz 05 vom Zweitliga-Spieler über Nacht zum Zweitliga-Trainer befördert wurde. Buvac hatte schon eine Trainerlizenz, Sportwissenschaftler Klopp noch nicht. Seitdem arbeiten die beiden als berufliche Zwillinge, der eine mit blonder, der andere mit schwarzer Mähne, seit 2008 bei Borussia Dortmund - mit bekannt guten Resultaten.

Wer viel schweigt, der kann nicht viel Falsches sagen, und so wurde Buvac bald "das Gehirn" gerufen. Von wem sonst als von Klopp könnte so ein Spitzname stammen - für einen Assistenten, der Spiele in ihre mechanischen Bestandteile zerlegen kann, der die Erkenntnisse in ausgetüftelte Trainings- und Übungsformen umsetzt, gruppentaktische Defizite abarbeiten lässt; der sich aber auch die bei den Spielern berüchtigte "Schweine-Einheit" ausdenkt, die härteste, nicht enden wollende Konditionsbolzerei, die den Schmerz-Höhepunkt jedes Trainingslagers markiert.

Mit den Spielern, so hört man, spricht Buvac sehr wohl. Man mag ihn. Nicht, dass man ihn dort als besonders redselig einstufen würde - aber der bosnische Serbe aus Banja Luka spricht, sogar in ganzen Sätzen. Aber eben nur, wenn es sein muss.

Vor einigen Jahren hat Buvac sich beim BVB-Fan-Magazin Gib mich die Kirsche (benannt nach einem Original-Zitat des legendären BVB-Torjägers Lothar Emmerich) ein einziges Mal zu ein, zwei Informationen verleiten lassen: "Ich glaube, dass ich nicht viele Worte brauche, um etwas klar zu sagen. In unserem Job brauchen wir nicht zwei, drei Leute, die nach außen sprechen." Konfrontiert mit einem Klopp-Zitat ("Zeljko ist der Fleisch gewordene Fußballsachverstand, ich lerne jeden Tag von ihm"), antwortete Buvac nur lakonisch: "Dann muss es ja stimmen."

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Als Klopp/Buvac vor gut fünf Jahren zur Borussia kamen, ging sogar das Vorurteil, Buvac sei der Kopf, Klopp nur der, der die Weisheiten des genialen Assistenten verwerte. Das, so stellte sich bald heraus, war dann doch eine ziemliche Fehlinterpretation. Aber wenn man BVB-Spielern glaubt, dürfte Buvac ein ebenbürtiger Sparringspartner für die Öffentlichkeits-Maschine Klopp sein, wenn es um das Heben stiller taktischer Reserven der Mannschaft geht.

Buvac ist der Typ, der exakte Abstände zwischen Spielern auf dem Platz registriert und verbessert und der komplizierte Dinge wie den Impuls zum Gegenpressing trimmt. Klopp wickelt zusätzlich Spieler und Medien ein und droht Schiedsrichter-Assistenten per Grimasse.

Hätten die beiden Koalitionsverhandlungen zu führen, sie fänden auf Augenhöhe statt. Hauptsache, Klopp würde bei den Gesprächen für beide Seiten reden.

© SZ vom 01.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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