Joshua Kimmich und die Impfung:Kimmichs Bekenntnis

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Joshua Kimmich applaudiert nach dem Spiel gegen Hoffenheim den mehrheitlich geimpften oder genesenen Fans im Münchner Stadion. (Foto: Burghard Schreyer /Kolbertpress/Imago)

Sportlich läuft es beim FC Bayern exzellent, doch das 4:0 gegen Hoffenheim wird dominiert von der Debatte um den ungeimpften Nationalspieler. Teamkollegen respektieren seine Haltung - sprechen sich aber für das Impfen aus.

Von Sebastian Fischer

Joshua Kimmich ist schon unzählige Male in einem Fußballstadion mit Applaus bedacht worden, aber diesmal war etwas anders. Die auf der Haupttribüne verbliebenen Zuschauer klatschten, manche riefen nach ihm, als er nach dem 4:0-Sieg des FC Bayern München am Samstag gegen die TSG Hoffenheim am Rasenrand entlang zum Tunnel in Richtung Kabinen ging. Kimmich lächelte und winkte zurück. Es war das erste Mal seit März 2020, dass die Arena wieder hätte ausverkauft sein dürfen, 60 000 von möglichen 75 000 Besuchern kamen. Doch das war nicht die einzige Besonderheit des Moments.

Der Grund, warum Kimmich nach seinen Kollegen vom Rasen ging, war ein Interview, das er dem Sender Sky gab und das in keiner Antwort vom Spiel zuvor handelte. "Haben Sie auch ein paar sportliche Fragen auf dem Zettel?", fragte Kimmich den Moderator Patrick Wasserziehr zwischendurch. Doch von Interesse war etwas anderes: Ob er tatsächlich nicht geimpft sei, wurde Kimmich eingangs gefragt. "Ja, das stimmt", antwortete er.

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Joshua Kimmich darf wie jeder selbst entscheiden, sich impfen zu lassen oder nicht. Doch der Bayern-Profi genießt große Privilegien - und gerade als öffentliche Person und Mitinitiator einer Anti-Corona-Aktion betrifft die Entscheidung nicht nur ihn selbst.

Kommentar von Martin Schneider

Kimmich hatte an Format gewonnen

Es gibt kaum einen deutschen Fußballer, der in den vergangenen zwei Jahren so an Format gewonnen hat wie Kimmich, 26. Das liegt zunächst mal an seinen herausragenden Leistungen, die er inzwischen in zentraler Rolle auf dem Platz zeigt. Trainer Hansi Flick stellte ihn beim FC Bayern auf die Sechserposition, ins Zentrum einer Mannschaft, die sieben Titel gewann. Im Zentrum ist er jetzt bei Bundestrainer Flick auch in der Nationalmannschaft gesetzt. Er ist der herausragende deutsche Fußballer seiner Generation, eine Leitfigur der beiden wichtigsten Mannschaften des Landes, ein möglicher zukünftiger Kapitän.

Dass er im Fußball seit Beginn der Pandemie eine exponierte Rolle spielt, hat aber auch mit seinem Auftritt abseits des Rasens zu tun. Gemeinsam mit seinem Mitspieler Leon Goretzka gründete er im März 2020 die Spenden-Initiative "We Kick Corona" für soziale und karitative Einrichtungen. Zuletzt informierte die Organisation Anfang September über eine Verwendung der Spenden: 500 000 Euro gingen an Unicef, um Impfungen für rund 132 000 Menschen in ärmeren Ländern zu unterstützen. "Corona ist dauerhaft nur in den Griff zu bekommen, wenn überall auf der Welt ausreichend Impfstoff verabreicht werden kann", hieß es dazu.

Und nun bestätigte also Kimmich, dass er selbst noch nicht geimpft ist, so wie es vorher die Bild-Zeitung berichtet hatte. Er sei weder "Corona-Leugner" noch "Impfgegner", sagte er. Die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, solle jeder haben, erklärte er auf die Frage nach Widersprüchen zu seiner Spenden-Initiative. Er halte sich an die Hygienemaßnahmen, werde regelmäßig getestet. Doch was die Impfung angehe, habe er "persönlich noch ein paar Bedenken, gerade was fehlende Langzeitstudien betrifft". Ein Vorwand, den Experten zum Thema unter anderem damit entkräften, dass Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, bei Impfstoffen generell nicht bekannt sind.

Kimmich ist nicht der einzige Spitzensportler, der bislang nicht geimpft ist. Anders als in anderen Fällen hat er weder selbst entschieden, seine Haltung publik zu machen, noch ausgeschlossen, seine Meinung zu ändern. Dass er sich in Zukunft impfen lasse, sei "sehr gut möglich", sagte er. Und doch klang aus den Reaktionen etwas Enttäuschung, oder zumindest die Hoffnung auf einen baldigen Sinneswandel.

Neuer und Müller befürworten das Impfen

"Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, er wäre geimpft", sagte zum Beispiel Karl-Heinz Rummenigge, der ehemalige Vorstandschef des FC Bayern, der Bild. "Ich bin überzeugt, das hat er ja auch angekündigt, dass er möglicherweise zeitnah sich jetzt impfen lässt." Teamkollege Thomas Müller sagte im Sender Sky, dass es für ihn als ein Freund Kimmichs "eine absolut akzeptable Entscheidung" sei. Ob man sich impfen lasse, müsse "jeder für sich selbst entscheiden".

Doch: "Als Teamkollegen, wenn man auf das schaut, was für alle drum herum vielleicht besser wäre, ist zumindest die wissenschaftliche Meinung und auch meine Meinung, dass das Impfen besser wäre." Auch Torwart Manuel Neuer sagte, er habe sich impfen lassen. "Ich denke, dass es für uns alle unabdingbar ist, dass wir heute hier so viele Zuschauer in der Arena gehabt haben. Aber das ist die Sache von ihm selbst."

Beim FC Bayern ist der Fall nun Teil einer eigentümlichen Gemengelage. Im Grunde könnte es sportlich besser kaum laufen, der Sieg gegen Hoffenheim war nach dem Erfolg gegen Benfica Lissabon das zweite 4:0 in einer Woche, in neun Bundesligapartien haben die Bayern schon 33 Tore geschossen. Doch neben der Geschichte um eine mögliche sechsmonatige Gefängnisstrafe für Lucas Hernández wegen der Missachtung eines Gerichtsurteils in Spanien, die sich in den kommenden Tagen zuspitzen könnte, geht es jetzt vor allem um Corona. Das Spiel gegen Hoffenheim war das zweite, bei dem der coronapositive Cheftrainer Julian Nagelsmann von Assistenzcoach Dino Toppmöller vertreten wurde.

Am vergangenen Sonntag spielte Kimmich in einem 2-G-Stadion

Durch Nagelsmanns Positivtest trotz vollständiger Impfung kam das Thema beim FC Bayern wieder auf. Nagelsmann betonte dann in einer Videopressekonferenz aus der häuslichen Isolation am Freitag, dass es natürlich auch beim FC Bayern keinen Impfzwang gebe. "Ich werde niemals jemanden, der bei gesundem Menschenverstand ist, dazu zwingen", sagte er. "Ich plädiere nur dafür, dass man es macht. Wie die Verläufe bei nicht Geimpften sind, das kann man gerne in den Kliniken erfragen." Mannschaftsarzt Roland Schmidt, heißt es, habe den Profis eine Impfung mehrmals empfohlen.

Kimmichs Impfstatus könnte auch Auswirkungen auf die Mannschaft haben. Anders als mit Impfschutz könnte er sich nicht im Falle eines symptomfreien Verlaufs nach fünf Tagen freitesten, sondern müsste 14 Tage in Quarantäne. Solange er ohne Impfung spielt, wird er zwar alle zwei bis drei Tage getestet, dafür würde er auch selbst bezahlen sagte er, sollte das der FC Bayern nicht mehr übernehmen. Aber es könnte zu skurrilen, fragwürdigen Konstellationen wie am vergangenen Wochenende in Leverkusen kommen, wo in der BayArena die "2 G"-Regel galt. 29 542 Zuschauer sahen dem ungeimpften Kimmich da bei der Arbeit zu. Und dafür mussten sie geimpft oder genesen sein.

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