"Katarstimmung":Göttliche Präsenz

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Und dann lief Maradona los, umkurvte alle Engländer und schob den Ball zum 2:0 ins Tor: "D10S" Diego Maradona (Mitte) auf dem Weg zum WM-Tor des Jahrhunderts. (Foto: Juha Tamminen/Aflosport/Imago)

Vor dem Schicksalsspiel gegen Mexiko fleht Argentinien um Maradonas Beistand.

Von Javier Cáceres

Am Freitag war der zweite Todestag von Diego Armando Maradona. Doch er ist immer noch präsent. Omnipräsent. Auf T-Shirts und Fahnen, in Gesängen und bei einer Hommage, die Südamerikas Verband Conmebol am Freitag abhielt, ein Akt, der ganz nach dem Gusto Maradonas gewesen wäre. Weniger, weil da alte Weggefährten in memoriam Diego zusammenfanden. Mario Kempes, Ricardo Bochini, Oscar Ruggeri, Jorge Burruchaga - oder Héctor Enrique, genannt "El Negro". Der hatte übrigens 1986 im Viertelfinale gegen England in der eigenen Hälfte den Ball über drei Meter zu Maradona geschoben, dieser lief los, umkurvte alle Engländer in einem Slalom für die Ewigkeit und schob den Ball zum zwischenzeitlichen 2:0 ins von Peter Shilton gehütete Tor. "Nach dem Spiel sagte ich ihm: Wenn du den nicht gemacht hättest, hätte man dich umbringen müssen - nach so einem Traumpass! Ha!", erzählt El Negro Enrique seither immer wieder. Aber, wie gesagt: Maradona hätte seinen Spaß vor allem daran gehabt, dass der Akt des Verbandes nun so viele Leute anzog, dass er im Chaos unterging. Maradona liebte Chaos fast so sehr wie den Sündenpfuhl, den es in Katar ja auch gibt.

Diego Maradona, schon zu Lebzeiten als D10s verklärt - eine Mischung aus dem Wort für Gott und seiner Rückennummer -, ist aber auch deshalb präsent, weil die Argentinier wieder zu ihm beten, seit sie gegen Saudi-Arabien verloren haben. Denn das Gerücht macht die Runde, Lionel Messi, Maradonas legitimster Erbe, sei angeschlagen. Vor ein paar Tagen kursierte im Internet ein Video, das einen Sarg zeigte, der eine Treppe hinunterrutschte. Die Legende zum Filmchen: Maradona steigt aus dem Himmel herab, um den Argentiniern gegen Mexiko zu helfen.

Das galt bis zum Freitag als billiger Scherz, doch das ist nicht mehr so sicher: Als die SZ am Freitagmorgen, dem zweiten Todestag des Schöpfers der "Hand Gottes", ihren Platz im Medienzentrum von Doha einnahm und die Frage klären wollte, ob auf dieser WM ein Fluch lastet, weil so viele Nebengötter wie Benzema, Neymar oder Mané um ihre WM-Hoffnungen gebracht werden, lag genau dort ein Zettel, auf dem mit blauem Kugelschreiber auf Englisch einige Sätze verewigt worden waren. "Mike! Diego Maradona hat angerufen. Bitte ruf ihn auf seinem Handy zurück. Thanks." In den Zehn Geboten der Iglesia Maradoniana ist der Satz Du sollst keinen D10s neben mir haben zwar nicht verewigt. Aber vielleicht haben sie ihn bloß vergessen.

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