WM 2022 in Katar:Propaganda-Feldzüge gegen WM-Mitbewerber

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Schöne neue Stadion-Welt: So will Katar sich darstellen bei der Fußball-WM 2022. (Foto: dpa)
  • Nach einem Mailverkehr, der der britischen Zeitung Sunday Times vorliegt, soll Katar gezielt Falschinformationen über Mitbewerber verbreitet haben.
  • Das Emirat soll Wissenschaftler und Journalisten bezahlt haben, um die Konkurrenten USA und Australien schlecht darzustellen.
  • Das wäre ein gravierender Bruch der Fifa-Regeln.

Von Thomas Kistner, London/München

Die Schlinge zieht sich zu. Katar, Veranstalter der Fußball-WM 2022, muss sich neuer, gut fundierter Vorwürfe erwehren. Unter Berufung auf den Mailverkehr eines Whistleblowers berichtet jetzt die Sunday Times, die Bewerber des Emirats hätten über diskrete Propaganda-Feldzüge Falschinformationen über ihre Rivalen USA und Australien verbreitet lassen. Dabei seien eine PR-Firma sowie frühere Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes CIA angeheuert worden, die den Eindruck schüren sollten, dass die beiden Bewerbungen keine Unterstützung im eigenen Land hätten.

Laut der britischen Sunday Times habe etwa ein Wirtschaftsprofessor 9000 Dollar erhalten für einen Report über negative Einflüsse einer WM in den USA. Bezahlte Journalisten hätten international ihre Negativberichte verbreitet; auch auf US-Abgeordnete soll politisch Druck gemacht worden sein. Eine E-Mail, aus der sich die bewusste Verbreitung von "Gift" über Mitbewerber ergeben würde, sei an einen Topmanager der Katar-Bewerbung gegangen.

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All das wäre ein gravierender Bruch der Fifa-Regeln. Diesen zufolge dürfen Kandidaten nicht einmal Kommentare zu ihren Mitbewerbern abgegeben. Der Fußball-Weltverband verweist auf sein Ethikkomitee - das aber gilt seit seiner handstreichartigen Umbesetzung durch Fifa-Boss Gianni Infantino nicht nur in Juristen- und Weltsportkreisen als Kabarettnummer. Glaubwürdige Aktivitäten dieses Gremiums unter Führung der kolumbianischen Verwaltungsjuristin Claudia Rojas sind nicht einmal in Hinblick auf laufende Strafverfahren um frühere Fifa-Granden oder hochrangige Geschäftspartner bekannt.

Katars WM-Organisatoren wiesen stets alle Vorwürfe zurück; auch am Sonntag erklärte das Supreme Committee, man habe sich "streng an alle Regeln der Fifa im Bieterprozess um die WM 2022 gehalten".

Der Vorwurf des Stimmkaufs interessiert auch US-Gerichte

Katar steht seit dem Zuschlag 2010 in der Kritik - und die internationalen Strafermittler kommen gut voran. Es gibt entlarvende Zahlungen aus dem Emirat auf Funktionärskonten in Monaco. Und auch aus einem Fifa-Gate-Prozess im November vor dem Schwurgericht in Brooklyn liegen problematische Aussagen vor. Dort hatte Hauptzeuge Alejandro Burzaco unter Eid über Stimmkäufe für die WM in Katar berichtet. Der argentinische Rechtehändler war Intimus der Funktionärspaten Südamerikas, die angeblich ihre Voten verkauft hätten: Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und der 2014 verstorbene Julio Grondona (Argentinien). Von letzterem, einem engen Geschäftspartner, will Burzaco erfahren haben, er habe für sein Katar-Votum Geld kassiert. Burzaco lieferte pikante Details. Demnach habe der damals 82-jährige Leoz in den ersten Wahlrunden nicht für Katar votiert. Deshalb hätten ihn Grondona und Teixeira in einer Pause in der Fifa-Toilette zur Rede gestellt: "Sie schüttelten ihn und fragten: Stimmst du nicht für Katar?" Das habe ihm Grondona 2011 berichtet, erklärte Burzaco. Auch habe der Fifa-Vize gejammert, er habe nur 1,5 Millionen Dollar Bezahlung erhalten - während Teixeira in Brasilien, ein überführter Schmiergeldempfänger im Fifa-Sumpf, mit seinem spanischen Partner Sandro Rosell 75 Millionen eingesackt hätte. Rosell, Ex-Boss des FC Barcelona, sitzt seit 2017 in Madrid in U-Haft.

Ob diese und andere beeidete Aussagen zutreffen, ermittelt nun das FBI. Die US-Bundespolizei prüft auch Geschäftsakten der argentinischen Rechtefirma Full Play, in denen Schmiergeldflüssen an Südamerika-Funktionäre unterm Kürzel "Q2022" vermerkt sind. Das könnte für Katar (engl. Qatar) stehen, und für den Zuschlag 2022.

Im Prozess sammelten die Staatsanwälte viele Vorwürfe gegen Katar. So berichtete Full-Play-Manager Santiago Pena von Verkaufsverhandlungen für seine Schmiergeldagentur mit Nasser Al-Khelaifi. Auch gegen diesen, Chef des Spitzenklubs Paris Saint-Germain und des Sportsenders BeIn in Katar, wird im Fifa-Kontext in der Schweiz bereits seit Herbst ermittelt.

Sollte also die WM-Vergabe 2022 als korrupt belegt werden, müsste die US-Justiz gar nicht gegen Katar ermitteln: Unter Handlungsdruck geriete die Fifa. Die Prozesse finden unter dem Anti-Mafia-Gesetz (Rico) statt, die Fifa gilt hier nur vorläufig als Opfer: Sie sei von eigenen Topleuten und Geschäftspartnern ausgeraubt worden. Also muss sie alles tun, um einen nachweislich an ihr bewirkten Schaden zu heilen und jeden überführten Sünder zur Rechenschaft ziehen. Andernfalls wird der Opfer- zum Täterstatus. Es wäre das Ende der Fifa. Die Frage, ob dann Katar Schadenersatz fordern könne für seine Milliarden-Vorleistungen, spielt bei alldem keine Rolle. Nach SZ-Informationen sind damit befasste Juristen überzeugt, dass solche Forderungen, sofern sie im Korruptionsfall berechtigt wären, an konkrete Personen ergehen müssten, die Geld erhalten oder sonst wie profitiert hätten.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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