Finale des Asien-Cups:Dreimal Videocheck, dreimal Elfmeter, dreimal Tor

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Dreifacher Torschütze: Die Spieler aus Katar werfen Akram Afif in die Luft. (Foto: Thanassis Stavrakis/dpa)

Gastgeber Katar besiegt im Finale den Außenseiter Jordanien dank eines Elfmeter-Hattricks. Als erste Mannschaft seit 2004 verteidigt Katar diesen Titel - und profitiert davon, dass sich die Favoriten gegenseitig ausgeknockt haben.

Von Helene Altgelt

Ein Underdog hat gewisse Merkmale zu erfüllen. So steht es im inoffiziellen Lehrbuch der Fußballgeschichten. Der Underdog, gerne auch Außenseiter, David oder Zwerg genannt, darf naturgemäß die Sympathien der Zuschauer gewinnen, soll die etablierte Ordnung auf den Kopf stellen. Bei jedem Turnier muss es einen geben, und meistens sind sich diese Underdogs sehr ähnlich. Von ihrem Zusammenhalt wird gerne geschwärmt, von ihrer starken Defensive, von ihrem Mut, vom Glück des Tüchtigen im richtigen Moment. Und natürlich muss es noch den Star geben, der gerne als "Messi von ..." bezeichnet wird.

Jordanien ist da keine Ausnahme. Der Außenseiterstatus: vollkommen unbestreitbar, als Nummer 87 der Welt und Nummer zwölf in Asien und nach einer Serie miserabler Resultate vor dem Anbruch des Asien-Cups. Der Spielstil: auf die Stärken der schnellen Stürmer ausgelegt, mit einer straff organisierten Defensive und intensivem Pressing. Der Held, unironisch jordanischer Messi genannt, heißt Musa al-Taamari. Vom Glück können die Jordanier auch einiges erzählen. Im Achtelfinale war Jordanien schon mit einem Bein draußen, ach was, eigentlich mit allem bis auf einen Zeh. Dann schoss das Team noch zwei Tore tief in der Nachspielzeit, besiegte später das lethargische Südkorea von Jürgen Klinsmann - und voilà, schon stand Jordanien im Finale, natürlich gegen den Goliath, der noch dazu auf heimischem Boden antritt: Titelverteidiger Katar.

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Am Ende siegte der Favorit Katar 2:1, dank eines Elfmeter-Hattricks von Akram Afif. Dreimal Videocheck, dreimal Afif gegen Abuleila, dreimal Tor. Das Finale des Asien-Cups ähnelte aber lange mehr einem Spiel David gegen David als einem Spiel David gegen Goliath. Beide Teams suchten ihr Glück in den langen Bällen, das sah mehr aus wie Tennis als Fußball: Diagonalball von links hinten nach rechts vorn, abgewehrt und prompt wieder auf die andere Seite des Netzes, ach nein, Feldes serviert.

Dem eher schwachen Finale war es anzumerken, dass die meisten Edeltechniker und Strategen früher ausgeschieden waren als erwartet. Die sogenannte goldene Generation von Iran mit Mehdi Taremi und Sardar Azmoun konnte sich wieder nicht krönen, Jürgen Klinsmanns Südkorea spielte insgesamt ein Turnier zum Vergessen - der deutsche Trainer selbst scheint der Einzige zu sein, der das anders sieht -, Topfavorit Japan schied nach einem Elfmeter in der Nachspielzeit gegen Iran aus, Australien musste sich spät der Klasse von Südkoreas Heung-min Son geschlagen geben. So räumten sich die Favoriten gegenseitig ab und machten den Weg frei für zwei Außenseiter auf ihre Art.

Katar triumphiert an dem Ort, an dem Messi den WM-Pokal in die Höhe stemmte

Schließlich ist Katar auch mehr Scheinriese als Goliath. 2019 holte die Auswahl sensationell den Titel beim Asien-Cup, es sollte ein Vorgeschmack sein für die großen Leistungen, die Katar bei der Heim-WM 2022 bringen wollte. Zwölf Jahre lang wurde alles auf den Erfolg bei dieser Weltmeisterschaft angelegt. Nur helfen auch Zeit und Geld wenig, um einen Wüstenstaat mit 300 000 Staatsbürgern in die Weltspitze zu hieven. Die katarischen Pläne scheiterten krachend: Aus in der Gruppenphase. Nun aber hatte es Katar doch noch geschafft, im Lusail-Stadium ein Endspiel zu bestreiten. Am gleichen Ort, an dem 2022 Messi den WM-Pokal in die Luft reckte, fand nun das Finale des Asien-Cups statt.

Untypisch für ein Spiel der Außenseiter stand am Ende dann doch die individuelle Qualität der Unterschiedsspieler im Vordergrund - statt eiserner Disziplin. Für Katar war das Akram Afif, der wirbelte und flankte; der seinen Elfmeter-Hattrick schnürte und für zwei dieser Strafstöße selbst verantwortlich war; der nach Wanderjahren in Europa inzwischen wie die allermeisten Katarer in der heimischen Liga kickt - wie vier der jordanischen Gegenspieler.

Einer davon: Yazan al-Naimat, der in der zweiten Hälfte mit einem Gewaltschuss das 1:1 erzielte. Der Ausgleich war nicht unverdient, auch wenn es bei Jordanien doch arg an den nötigen Werkzeugen mangelte, um das Passspiel zu schleifen. Werkzeuge, die die Spieler in Europa bekommen sollten, wenn es nach Trainer Hussein Ammouta geht, der lang und breit seinen Traum einer Legionärswanderung der Jordanier in die besten Ligen erläutert hat. Auf dem Platz wanderten sie bei allem Einsatz in manchem Moment verloren herum, steckten aber nicht auf.

Am Ende steht die Erkenntnis: Jordaniens Konzept, den Ball nach vorn zu kloppen und den besten Spieler zu finden, war im Finale zu dünn. Aber auch Katar spielte mit Konterfußball und Elfmetern wie ein typischer Underdog - nur in besser. Der Plan des Emirats, aus dem Nichts zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft aufzusteigen, mag bei der WM gescheitert sein. Mit der Titelverteidigung beim Asien-Cup dürfte Katar den Außenseiterstatus aber erst mal los sein.

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