Kanuslalom-WM in Augsburg:Aus der Konditorei zum WM-Titel

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Lokaler Liebling: Noah Hegge holt Gold im Kajak-Team. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Vier Rennen, drei Medaillen, zwei davon in Gold: Der Auftakt der Teamwettbewerbe lief aus deutscher Sicht äußerst erfolgreich - auch dank eines Zuckerbäckers.

Von Benjamin Zügner, Augsburg

Eine schwarze Wollmütze sitzt auf dem Kopf, darunter quellen die etwa schulterlangen dunkelbraunen Haare hervor, als Noah Hegge morgens auf dem Fahrrad am Eiskanal ankommt. Die Kopfbedeckung ist auch bei sommerlichen Temperaturen sein Markenzeichen, und wüsste man es nicht besser, so würde er das Stereotyp eines Skaters erfüllen. Der 23-Jährige aber ist Slalomkanute - und das erfolgreich. Am ersten Tag der Kanuslalom-WM holt der Augsburger auf der Heimstrecke Gold, im Kajak-Team zusammen mit Stefan Hengst und Hannes Aigner. "Dass wir uns als drei Einzelsportler so zusammenraufen können und jeder sein Ego zurückschraubt, zeigt viel Größe", analysiert Hegge unmittelbar danach. Nur 16 Stunden nach der Eröffnung der Titelkämpfe auf dem Augsburger Rathausplatz kündigt sich ein deutscher Medaillenregen an.

"Ein Weltmeistertitel hier zuhause in Augsburg bedeutet mir sehr viel", sagt Hegge, er ist zurückhaltend, feiert den Titel im Kreise seiner Brüder, die an den Eiskanal gekommen sind. Mit 23 Jahren ist er in der Weltspitze angekommen, darf nun auch die erste Medaille bei Weltmeisterschaften in seine Vita aufnehmen.

Familie Hegge entdeckte den Kanusport, als die WM zuletzt in Augsburg stattfand

Vor 19 Jahren, als die WM zuletzt in Augsburg stattfand, habe die Familie Hegge von dem Sport mitbekommen, erzählt er, sein ältester Bruder nahm ihn schließlich mit zum Training. Seitdem forcierte er die Karriere im Kanu: Jugendtraining, "nach der Schule habe ich mich auch mit Freunden zum Paddeln getroffen", dann wurde er selbst Jugendtrainer bei den Kanu Schwaben Augsburg. Mitgeholfen habe er zudem bei den Weltcups in der Fuggerstadt, die Deutschen angefeuert. Nun ist Hegge selbst der lokale Liebling.

Vor vier Jahren stand er noch in einer Augsburger Konditorei, zur Lehre. Hegge erinnert sich gerne an die Zeit zurück, "gemeinsam etwas zu erreichen, ein Team zu sein und Ergebnisse zu sehen - das hat mir Spaß gemacht". Und dennoch ist er froh, sich nun vollständig auf das Kanufahren konzentrieren zu können, er ist inzwischen auch Teil der Sportförderung der Bundeswehr.

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Nun blickt er beim Gespräch auf der Terrassenanlage des Eiskanals andächtig auf die unter ihm liegende Strecke, inmitten der Fans. Bereits am ersten Wettkampftag, dem Mittwochvormittag, sind die Leute zahlreich an den Augsburger Eiskanal geströmt, internationale Gäste, Schulklassen und heimische Schaulustige. Und sie bekommen einen deutschen Gold-Auftakt zu sehen.

Es war "der beste Mannschaftslauf, den ich je gefahren bin", sagt Olympiasiegerin Ricarda Funk

Denn bereits vor Hegge und seinen Kollegen waren die Kajak-Frauen um Olympiasiegerin Ricarda Funk und Elena Lilik dran. "Der Druck war immens", sagte Funk, und doch waren die Wettkämpfe keine zehn Minuten alt, da stand schon die erste Richtzeit der Deutschen. Es war "der beste Mannschaftslauf, den ich je gefahren bin", sagte Funk. Gemeinsam mit Jasmin Schornberg, der 36-jährigen Altmeisterin, bibberte sie noch, elf Teams hatten den Eiskanal noch vor sich. Unter lautem Aufschrei folgte dann aber die Gewissheit: erstes Rennen, erstes Gold.

Nur Elena Lilik konnte sich dem Freudentrubel noch nicht ganz anschließen, für sie hieß der weitere Tagesablauf: regenerieren und wieder konzentrieren. Denn für Lilik, die deutsche Allrounderin, stand noch ein weiterer Teamwettbewerb auf dem Programm: diesmal im Canadier. Auch in der knienden Stechpaddel-Variante waren die Deutschen auf Goldkurs unterwegs, ehe den Tschechinnen vermeintliche Strafsekunden wieder abgezogen wurden, und dem deutschen Trio Silber blieb. Lilik war mit dem Zwischenfazit von einer Gold- und einer Silbermedaille dennoch zufrieden: "Heute war ein richtig guter Tag." Geliebäugelt hätte sie mit den Medaillen, nun hofft sie, "dass ich das die nächsten Tage so weiterziehen kann".

Vier Teamwettkämpfe, drei deutsche Medaillen

Nur die Canadier-Männer um Sideris Tasiadis mussten sich mit Rang vier ohne Edelmetall begnügen. Die heimische Strecke, die am Mittwoch eine vermeintlich leichte Streckenführung vorwies, zeigte einmal mehr ihre Tücken. Gut zwei Sekunden fehlten letztlich auf das Podest, und auf die Vervollständigung des Medaillenquartetts.

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Dafür durften sich die anderen bereits am Mittag bei der Siegerehrung im Olympiapark feiern lassen, Elena Lilik gleich zweimal, Noah Hegge einmal. Zuvor allerdings musste er noch Fan-Bilder an der Strecke machen. "Kinder zu animieren, den Sport zu betreiben", das sei das Ziel, sagt Hegge. Und doch hat er für die kommenden Tage noch sportliche Ambitionen: Im Stellenwert "ist der Einzelwettbewerb noch einmal ein bisschen höher angesiedelt", sagt der 23-Jährige, die Vorfreude ist in seinen Augen abzulesen. Am Wochenende steigen die Finals in den Einzelwertungen, bei seinem WM-Debüt im vergangenen Jahr wurde Hegge Sechster.

"In einem Finale kann viel passieren, man hat nicht alles selbst in der Hand", blickt er voraus, an seinem möglichen Kajak-Finalsamstag kämen auch noch mehr Fans aus seinem Familien- und Freundeskreis an den Eiskanal. "Aber das darf mich eh nicht so interessieren", sagt er und lächelt.

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