Kaiserslautern:Die Zukunft des FCK: Bundesliga oder Regionalliga

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Kaiserslauterns Osayamen Osawe. (Foto: dpa)
  • Wohin geht es für den 1. FC Kaiserslautern in der neuen Zweitliga-Saison?
  • Der Mythos ist gewaltig, doch die Realität passt gar nicht dazu.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Druck? Den habe jemand, der arbeitslos sei und vier Kinder zu ernähren habe. Sagt Marius Müller. Da hat der Torhüter des 1. FC Kaiserslautern ohne Zweifel Recht, als Profifußballer in der zweiten Liga führt er ein Leben ohne existenziellen Leidensdruck. Aber die Frage nach dem persönlichen Druck hat der 24-Jährige dann doch beantwortet nach dem 1:1 gegen Darmstadt 98, und er hat zugegeben, dass diese Partie eine der schwersten seiner bisherigen Laufbahn gewesen sei. Müller tat dies erleichtert, er hatte gut gehalten und wurde vor, während und nach dem Spiel von den Fans gefeiert wie ein Held des FCK.

Das ist deshalb erzählenswert, weil Müller innerhalb von fünf Tagen die extremen Fliehkräfte eines Klubs erlebt hat, der seit Jahren verzweifelt seinen Platz im modernen Fußball sucht. Noch vorige Woche, beim Saisonauftakt in Nürnberg, wurden Müller und der junge Gino Fechner von der Ultra-Gruppe Pfalz Inferno (PI) via Plakat vor dem Anpfiff niedergemacht. Ihr Vergehen: Sie waren gerade vom in Lauterns Fanszene verhassten RB Leipzig zum FCK gewechselt. Müller patzte bei der anschließenden 0:3-Pleite wie ein Anfänger.

"Denken Sie daran: Nur zusammen sind wir Lautern!"

Die Aktion der PI-Radikalos löste eine Solidaritätswelle mit dem Torwart aus, der aus der FCK-Jugend stammt und 2016 mit dem Wechsel nach Leipzig dem klammen Klub 1,7 Millionen Euro einbrachte - nun ist er für eine Saison ausgeliehen. Die Vereinsspitze verurteile die Pöbelei und kappte dem PI einige Privilegien - und am Freitagabend skandierten 25 000 FCK-Anhänger unter 30 000 im Stadion Müllers Namen 90 Minuten lang wie zur demonstrativen Beschwörung des Zusammenhalts.

Der Stadionsprecher hatte den Fans kurz vor Anpfiff entgegengeschrien: "Denken Sie daran: Nur zusammen sind wir Lautern!" Ob die Bekundungen für Müller und die Begeisterung nach einem hart erkämpften 1:1 gegen Bundesliga-Absteiger Darmstadt aber nun gleich als nachhaltiger "Schulterschluss" und "echtes Betze-Feeling" interpretiert werden können, wie der kommissarische Sportchef Boris Notzon meinte, bleibt abzuwarten.

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Sogar der SV Sandhausen könnte aufsteigen: Die zweite Bundesliga speist ihre Spannung in dieser Saison aus der historischen Dichte und der Unvorhersehbarkeit.

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Man kann dennoch vor allem Müller, aber auch Notzon und Trainer Norbert Meier ("Ein Lob für die Leistung an die Mannschaft") verstehen, wenn sie dieses Pünktlein und die Stimmung an diesem Abend als Hoffnungsschimmer werten. Die Taktik, Darmstadt den Ball zu überlassen (31 Prozent Ballbesitz) und früh zu stören, ging gegen Meiers Ex-Klub auf. Wenn nicht alles täuscht, bleibt aber die Offensive auch in dieser Runde das Problem beim FCK (vorige Saison nur 29 Treffer). Die Sturm-Zugänge Gervane Kastaneer (Den Haag) und Lukas Spalvis (Sporting Lissabon) weisen neben Talent eine lange Verletztenakte auf und sind noch nicht fit für die erste Elf, Osayamen Osawe ist weiter eher Notlösung als Hoffnungsträger, Jaques Zoua steht zum Verkauf. Und wie diese Elf gegen defensive Gegner torgefährlich werden soll, ist eine spannende Frage.

In der zweiten Liga gibt es in dieser Saison keinen eindeutigen Favoriten, aber auf die Idee, dass der FCK eine mögliche Überraschung im Aufstiegsrennen sein könnte, kommt kein Experte. Im Klub wären sie schon froh, wenn eine "sorgenfreie Saison" (Vorstand Thomas Gries) gespielt wird. Das ist zwar realistisch, aber auch ein Widerspruch zur Aussage seines Vorstandskollegen Michael Klatt. Der hatte bei der jüngsten Mitgliederversammlung aufgrund der schwierigen finanziellen Lage die Zukunftsaussichten plakativ so skizziert: "Bundesliga - oder Regionalliga." Eine weitere Saison im Zweitligamittelmaß wirkt da wie eine weitere verlorene.

Die aktuelle Führung muss sich daran messen lassen, ob die Suche nach einem oder mehreren Investoren erfolgreich verläuft. Viele Altlasten, wie zum Beispiel das 2006 zur WM-Arena aufgemotzte Stadion, das auch in Liga zwei rund zehn Millionen Euro pro Jahr an Miete an die städtische Betreibergesellschaft und Betriebskosten frisst, wiegen schwer.

Seit dem bisher letzten Titel 1998 geht es bergab. Einst bedeutete "Betze-Feeling", dass die Fans ihre Mannschaft nach Rückständen doch noch zum Sieg schrien und selbst der FC Bayern Angst hatte, "uffm Betze" anzutreten. Noch vor 20 Jahren war der viermalige Deutsche Meister ein europaweit gefürchteter Außenseiter mit Sieger-Gen, heute kickt der FCK im sechsten Jahr in Serie in Liga zwei und verzweifelt immer mehr am Schwinden der eigenen Bedeutung. Dabei ist der Niedergang des Fritz-Walter-Klubs durch Größenwahn und Grabenkämpfe selbst verschuldet. Das "Betze-Feeling", das Beschwören des Zusammenhalts, ist Mythos, die Realität eine andere.

Seit April 2016 amtiert der aktuelle Vorstand, nachdem Klubikone Stefan Kuntz nach acht Jahren mehr oder weniger vom Hof gejagt wurde. Besser wurde: nichts.

Vergangenen Winter trat Trainer Tayfun Korkut zurück und im Sommer Sportdirektor Uwe Stöver, beide vermissten Rückhalt, vor allen im Aufsichtsrat. Die Suche nach einem Stöver-Nachfolger verkam ergebnislos zur Farce, Aufsichtsrat, Vorstand und die als Sportvorstand gehandelte Klub-Legende Hans-Peter Briegel kommunizierten seltsam aneinander vorbei. Und dass jüngst als neuer Trikotsponsor wieder der alte vorgestellt wurde, der laut Klub-Ankündigung vom März künftig als Ärmelsponsor vorgesehen war, wirkt wie eine Notlösung mangels Alternative.

Die Lage bleibt auf allen Ebenen fragil. Spieler, Trainer und Offizielle interpretierten den Auftritt gegen Darmstadt als Mutmacher: "Das hat gutgetan", sagte Marius Müller nach dem Feiern mit den Fans. Doch zu großen Hoffnungen besteht in der Pfalz kein Grund.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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