Kai Havertz:Gruß nach Madrid

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Lichtblick an einem düsteren Abend der DFB-Elf: Kai Havertz bejubelt sein Tor zum 2:3 gegen die Ukraine. (Foto: Marc Schueler/Schüler / imago)

Beim 3:3 gegen die Ukraine bringt sich Kai Havertz auf dem europäischen Transfermarkt in Stellung. Real Madrid gilt als sehr interessiert, die Frage ist aber auch: Kauft man mit ihm einen offensiven Mittelfeldspieler - oder doch einen Stürmer?

Von Christof Kneer, Bremen

Als Thomas Tuchel noch Trainer beim FC Chelsea war, haben ihn die neuen Klubeigner aus den USA mal gefragt, was denn nun mit "The Fontana Guy" sei. Ob man den nicht holen wolle? Gemeint war offenbar Wesley Fofana, ein französischer Abwehrspieler, wie Tuchel messerscharf folgerte. Der Spieler wurde dann auch verpflichtet, und inzwischen, hört man, sei dessen korrekter Name auch den Vorgesetzten bekannt.

Solche Geschichten erzählt die Branche gerade ausgesprochen lustvoll über Todd Boehly und Behdad Eghbali, die neuen Eigentümer des FC Chelsea. Im Kern drehen sich alle Geschichten darum, dass die Amerikaner den Fußball immer noch für eine bizarre Sportart mit komischen Regeln halten, zum Beispiel jener, dass Handspiel im Strafraum mit einem penalty sanktioniert wird. Man muss das wissen, wenn man über die Zukunft von Spielern wie Kai Havertz redet.

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Das 3:3 gegen die Ukraine verstärkt den Eindruck, dass die Nationalelf unter Bundestrainer Flick nicht vorankommt. Längst ist das keine Momentaufnahme mehr. Richtung Heim-EM deutet sich ein doppeltes Problem an.

Kommentar von Philipp Selldorf

Havertz ist am Tag vor dem Länderspiel gegen die Ukraine 24 Jahre alt geworden, ein interessantes Alter für einen Spieler seiner Qualität. Er ist zu alt für ein Talent und für einen Weltstar wirklich jung. Irgendwo zwischen diesen beiden Aggregatszuständen befindet sich Havertz, der den FC Chelsea schon mal zum Champions-League-Sieg geschossen hat (2021), was eher für den Weltstar spricht. Als solcher ist er jetzt auf dem Markt, auch wenn sein Vertrag in London noch bis 2025 läuft. Aber der FC Chelsea hat eine derart miese Saison hinter sich, dass die Spieler automatisch ins Grübeln kommen, ob sie sich noch am rechten Fleck befinden - zumal bei einer Klubführung, der man erst erklären muss, warum der Ball springt.

Ist Havertz da vorne ein Alleskönner - oder doch ein Mittelstürmer? Das muss sich auch Real Madrid fragen

Kai Havertz hat es geschafft, das Länderspiel gegen die Ukraine zu einer Werbeveranstaltung in eigener Sache zu machen. Bei seinem Treffer zum 2:3 (83.) hat er eine Kombination aus vorauseilender Spiellektüre, Technik und Körperlichkeit vorgeführt, und auch Joshua Kimmichs Elfmetertor zum 3:3 war ein gewonnenes Duell von Havertz vorausgegangen. Allerdings hat dieses Spiel auch zur weiteren Marktverwirrung beigetragen, denn was für ein Spielertyp dieser Havertz ist, weiß man jetzt erst recht nicht mehr. Vielleicht doch ein Mittelstürmer?

Havertz ist da vorne ein Alleskönner ohne bevorzugtes Einsatzgebiet, was es für interessierte Klubs wie Real Madrid nicht einfach macht, eine Entscheidung zu treffen. Sollen sie 50, 60 Millionen für Havertz ausgeben, der aber nicht der direkte Nachfolger für Mittelstürmer Karim Benzema wäre? Sollen sie diese Millionen also zusätzlich ausgeben, zu einem Mittelstürmer, der auch noch kommen muss? Zwar haben sie auch bei Chelsea inzwischen signalisiert, dass sie mit The Havertz Guy gerne verlängern würden, aber eine Saison ohne Champions League wäre kaum in Havertz' Sinne. Benzema und Lionel Messi werden den europäischen Fußball verlassen, aber abgesehen von diesen Fakten herrscht (vorbehaltlich einer Kylian-Mbappé-Saga) noch keine Dynamik im Transfermarkt der Offensivstars. Dass Havertz im EM-Sommer 2024 noch als Spieler des FC Chelsea geführt wird, gilt aber als unwahrscheinlich.

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