Jan Kirchhoff beim FC Bayern:Hoffen auf den Piqué-Effekt

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Beim ersten Training unter Pep Guardiola war Jan Kirchhoff der einzige namhafte Zugang: Der frühere Mainzer Verteidiger will sich trotz der großer Konkurrenz in dieser Saison durchsetzen. Ihm könnte zugutekommen, dass der neue Trainer einst einen ähnlichen Spielertyp zum Anführer formte.

Von Jonas Beckenkamp

Als in der Münchner Arena das Schwitzen vorbei war, folgte die Schwärmerei. Die Profis des FC Bayern hatten einen lockeren Saison-Aufgalopp erlebt - sie trainierten zwar an ungewohntem Ort, doch das machte ihnen nichts aus. Bei dieser ersten Probeeinheit ging es nicht unbedingt um die richtigen Dehnübungen oder den letzten Schliff beim Flanken. Entscheidend war vielmehr das gegenseitige Kennenlernen zwischen Mannschaft und Trainer. Der heißt bekanntlich neuerdings Pep Guardiola und alle scheinen ihn ausgezeichnet zu finden.

"Du fühlst sofort, dass er weiß, was er macht," sagte Franck Ribéry über das öffentliche Show-Training vor 7000 interessierten Kibitzen. Selbst mit der Sprache klappte es schon ganz pässlich, fand auch Manuel Neuer: "Der Trainer spricht sehr gut Deutsch, ich war selbst überrascht," schwärmte der Torhüter, "und wenn es mal hakt, weicht er ins Englische aus."

Das eindringlichste Testimonial über den vielbeobachteten Glatzenmann gab dann einer ab, der selbst neu im Verein ist. Verteidiger Jan Kirchhoff, den nicht zuletzt Sportvorstand Matthias Sammer im Januar zu einer Unterschrift bis 2016 bewogen hatte, wirkte schwer beeindruckt von Guardiola. "Er ist ein sehr umgänglicher, offener Typ und akribischer Arbeiter", sagte Kirchhoff: "Man hat gemerkt, dass er gleich sehr nah dran sein wollte."

Trainingsauftakt des FC Bayern
:Pep lässt anschwitzen

Es ist die wohl bestbesuchte Trainingseinheit der Bundesliga-Geschichte: Der FC Bayern startet in die Saisonvorbereitung und Tausende Fans gucken zu. Alle wollen wissen: Wie wird Pep Guardiola sein erstes Training in München gestalten? Was folgt, ist ein Kennenlernen mit vielen Gesprächen und wilder Gestik.

Von Saskia Aleythe und Jonas Beckenkamp

Nicht nur, dass Guardiola während des Trainings von Spieler zu Spieler schlenderte, um ein wenig zu plaudern. Als die Plackerei auf dem Rasen geaschafft war, schnappte sich der Katalane den baumlangen Kirchhoff und posierte mit ihm vor den Fotografen. An diesem Tag war der 22-Jährige der einzige namhafte Zugang auf dem Feld, dafür gab's einiges Blitzlicht.

Die Bayern erhoffen sich von dem 1,95-Meter-Schlaks eine Menge, als reiner Lückenfüller muss er sich nicht betrachten. Zumal der gebürtige Frankfurter auch im defensiven Mittelfeld als Martínez-Double einspringen könnte. Wie viel Spielzeit Kirchhoff neben den etablierten Defensiv-Kräften Dante, Jérôme Boateng oder Daniel Van Buyten in der Saison bleibt (auch Badstuber kehrt irgendwann zurück), muss sich zeigen.

Kirchhoff selbst ist aktuell ohnehin vollkommen zufrieden, wieder dabei zu sein: Seit Frühling hatte ihn eine Leisten-Operation lahm gelegt, die letzten Saisonspiele für Mainz verpasste er. "Ich fühle mich endlich wieder topfit und wurde sehr positiv aufgenommen. Jetzt am Anfang erwarte ich gar nicht so viel," sagte Kirchhoff, "es geht zunächst darum, hier meinen Platz zu finden."

Im Training hatte er den schnell eingenommen, bei den Lauf -und Passübungen machte er einen munteren Eindruck. Am Talent mangelt es dem U21-Nationalspieler ohnehin nicht: Er gilt trotz seiner Länge als wendiger Stratege mit Sinn fürs anspruchsvolle Aufbauspiel. Sammer, der frühere DFB-Sportdirektor, hatte ihn schon lange im Auge.

Was für Kirchhoff sprechen könnte: Einen Mann mit ähnlichen Qualitäten hatte Guardiola einst in Barcelona entdeckt und zum Anführer geformt. Sein Name: Gerard Piqué, seines Zeichens spanischer Nationalverteidiger, Shakira-Boyfriend und auch sonst in jeder Hinsicht ein schillerndes Vorbild.

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Wo er wirkt, ist der Erfolg: Pep Guardiola hat das Gewinnen schon in frühen Tagen gelernt. In Barcelona verehren sie ihn bis heute - auch beim FC Bayern sammelte er Titel. Seine Karriere in Bildern.

Klar, dass solche Vergleiche noch ein gewaltiges Hinkebein nach sich ziehen, aber versuchen will es Kirchhoff trotzdem. "Ich freue mich, in einer so guten Mannschaft zu sein und will hier auch spielen," erklärte er, "aber ich werde jetzt keine Ziffern nennen, wie viele Partien ich machen werde."

Viel dürfte davon abhängen, wie Guardiola seine Abwehr agieren lassen möchte. In Barcelona stellte er dem spielstarken Piqué zumeist den rustikalen Carles Puyol zur Seite - übertragen auf seine neue Arbeitsstelle würde das bedeuten, dass neben dem gesetzten Dante eher ein lauftstarker Aufräumer vom Schlag eines Jérôme Boateng gefragt sein könnte.

Mit dem teilt Kirchhoff seine größte Schwäche: den immer wiederkehrenden Schlendrian, durch den er mitunter unnötig in Not gerät. In Mainz unter Trainer Thomas Tuchel führten die kleinen Unkonzentriertheiten Kirchhoffs sogar zu einer zeitweisen Versetzung auf die Bank.

Alles kein Grund, an dem jungen Verteidiger zu zweifeln, fand Tuchel schon damals: "Er hat die Qualität und auch das Selbstbewusstsein, um sich bei Bayern durchzusetzen." Mit solch warmen Worten im Gepäck kann Kirchhoff zuversichtlich in die neue Saison gehen.

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