Es war der erste Mai, es war Frühling in der spanischen Hauptstadt Madrid und es war der erste Frühling des James Rodriguez beim FC Bayern. Das Champions-League-Halbfinale gegen Real stand bevor und im Presseraum des Estadio Santiago Bernabéu saßen James und Thomas Müller nebeneinander. Es war der vielleicht einzige Termin in der Geschichte von Fußball-Rede-Terminen, bei dem Müller nicht zu Wort kam. Die spanischen Journalisten feuerten eine Frage nach der anderen Richtung James ab. Warum es bei Real nicht geklappt hätte, warum es bei Bayern klappe, ob er vielleicht doch noch zurückkomme, welche Rolle Real-Trainer Zidane spiele, welche Rolle Bayern-Trainer Heynckes spiele und so weiter. Am Ende der Fragerunde kamen die Journalisten zu dem Urteil: Diesen Spieler zu den Bayern gehen zu lassen, das war ein Fehler.
Damals, im Mai 2018, war James Rodriguez also einer der wichtigsten Spier des FC Bayern und heute, im Februar 2019, stellt sich die Frage, ob er das vielleicht wieder werden kann. Und wenn ja, ob Thomas Müller deswegen wieder häufiger schweigend zuschauen muss - diesmal von der Bank.
"In den letzten Partien hat er wirklich sehr gut gespielt. Er hat den Spielen seinen Stempel aufgedrückt. Er war einer der Besten", sagte Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach dem 3:1-Sieg der Bayern gegen Schalke. James bereitete zwei Tore vor, das 1:0 mit einem Zentimeterpass in den Lauf von Robert Lewandowski, und vor allem in der ersten Halbzeit schickte er von der Zehnerposition aus diverse Bälle in die Spitze, die er mit dem Innenrist seines linken Fußes so andrehte, dass die sich perfekt in den Lauf der Mitspieler bogen. James selbst sagte nach dem Spiel: "Nach und nach komm ich wieder in den Rhythmus. Ich war fast drei Monate lang raus, aber langsam fühl ich mich wieder gut. Und von Spiel zu Spiel gewinne ich an Qualität."
FC Bayern gegen Schalke:Der Bart wird langsam grau
3:1 gegen Schalke, nur noch fünf Punkte Rückstand auf Dortmund - doch Trainer Niko Kovac zeigt sich besorgt wegen der defensiven Makel des FC Bayern.
James hatte seit November mit einem Außenbandriss im Knie gefehlt, aber auch davor hatte er unter dem neuen Trainer Niko Kovac nicht besonders viel gespielt. Wie das Verhältnis der beiden ist? Nunja. Über Kovac-Vorgänger Jupp Heynckes sagte James, es sei "sehr schön", mit ihm zusammen zu arbeiten. "Heynckes hat mich besser gemacht. Er hat mir Vertrauen geschenkt, das war ein tolles Gefühl." Über seine Beziehung zu Kovac sagte James vor ein paar Tagen der Bild-Zeitung: "Wir sind beide Profis. Es ist ein normales Verhältnis zwischen Spieler und Trainer." Kovac wiederum sagte vor der Rückrunde öffentlich, dass James "um seinen Arbeitsvertrag" spiele und machte den besten Spieler der WM 2014 damit zumindest rhetorisch zum Lehrling in der Probezeit.
Kovac und James interpretieren Fußball durchaus unterschiedlich. Kovac mag zwei Dinge besonders gern: Geschwindigkeit und defensive Disziplin. Und wenn James zwei Schwächen hat, dann Geschwindigkeit und defensive Disziplin. Kovac findet, in einer Fußballmannschaft muss großer Konkurrenzkampf um die besten Plätze herrschen - James freute sich dagegen öffentlich, dass der spanischsprachige Heynckes sich um ihn kümmerte und seine Seele streichelte.
Nun probieren es die beiden Antipoden wieder miteinander - in den Spielen gegen Berlin und Schalke nicht zum Schaden des FC Bayern. In Berlin sagte Kovac, wenn James physisch besser werde, habe er die besten Argumente für sich. Im Gegensatz zu Heynckes, der James auch mal das defensive Mittelfeld anvertraute, sieht Kovac den Kolumbianer ausschließlich auf der Zehnerposition. Und gerade dort hat er die meisten Optionen: Er könnte neben James auch Thiago, Leon Goretzka (was gegen Hoffenheim und Stuttgart gut geklappt hat) oder Thomas Müller aufstellen. Müller spielte dort, als James verletzt war, und seit Kovac die Taktik nach dem 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf auf eine Doppelsechs umgestellt hat, scheint das sein bevorzugtes System zu sein. Als Leon Goretzka gegen Schalke versuchte, neben James zu stürmen, rief ihn Kovac prompt an die Seitenlinie und sagte ihm, er solle gefälligst tiefer stehen - wie Goretzka nach dem Spiel erzählte. Gegen Liverpool wäre es für Kovac wohl auf die schwierige Entscheidung Müller oder James hinausgelaufen - wenn Müller ihm die nicht durch seine Sperre abgenommen hätte. In Zukunft dürfte sich Kovac diese Frage jedoch noch häufiger stellen.
42 Millionen Euro würde James im Sommer kosten
Wenn man bedenkt, dass Paris Saint-Germain in der Winterpause auch an James dachte, als es darum ging, einen Neymar-Ersatz zu verpflichten, ist das eine erstaunliche Entwicklung. Dass das Interesse nicht konkreter wurde, soll auch der komplizierten Vertragslage geschuldet gewesen sein. James ist von Real an Bayern ausgeliehen und die Münchner haben im Sommer eine Kauf-Option. 42 Millionen Euro würde der 27-Jährige kosten - wenn man bedenkt, dass Christian Pulisic gerade für über 60 Millionen von Dortmund zu Chelsea transferiert wurde, ist das eher einer dieser machbaren Mondpreise. Auf die Situation angesprochen, sagte Salihamidzic aber erneut nur, dass man Zeit habe und zu dem Thema alles gesagt sei.
James selbst sagte dazu ebenfalls nichts: "Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. Meine Gegenwart ist Bayern München und nur daran möchte ich denken. Die Saison dauert noch vier Monate und dann werden wir sehen, was passiert." Das ist insofern ein Fortschritt, als dass er im Winter mal sagte, wenn er gehen müsse, weil er nicht spiele, dann gehe er. Sein Vater meinte vor Kurzem, er könne sich eine Rückkehr zu Real Madrid vorstellen und außerdem spiele in Turin ja sein alter Kumpel Cristiano Ronaldo. Auch darüber könne man nachdenken.
Aktuell machen die Wechsel-Wasserstands-Meldungen Pause. Aber wenn etwas in der komplizierten Beziehung zwischen dem FC Bayern und James Rodriguez sicher ist, dann der Fakt, dass sie wiederkommen, sobald er zwei Spiele lang auf der Bank sitzt.