Nach dem Spiel ging es darum, wie viele Tore Robert Lewandowski hätte schießen müssen. Zwei, drei, oder gar vier? Angestoßen hatte die Debatte der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, der eigentlich gar nichts zum Spiel, sondern zum Geburtstag seines Kollegen Sepp Maier sagen wollte, aber wie Uli Hoeneß halt so ist, wenn es gut läuft, sprach er angesichts des Dortmunder 3:3 von einem "sehr schönen Wochenende". Und als ihm ein Reporter hinterherrief, wie er den die Leistung von Lewandowski fand, rief Hoeneß, der hätte heut "vier machen können".
Als Lewandowski, der offiziell ein Tor beim 3:1-Sieg über Schalke erzielt hatte, selbst mit der Zahl des Präsidenten konfrontiert wurde, fragte er erschrocken: "Vier?" Stutzte kurz, wollte widersprechen, aber dann sah er schräg nach oben und begann nachzudenken. Er dachte sehr wahrscheinlich an das 1:0, bei dem Jeffrey Bruma ihm den Ball ins Schalker Tor wegspitzelte, an seinen Fallrückzieher, der zwar zur Vorlage für Gnabrys 3:1 wurde, aber eher als Torversuch gedacht war - und er dachte wohl an seine zwei Chancen in der zweiten Halbzeit, als er einmal sehr frei stehend vergab und einmal zu lang zögerte.
FC Bayern in der Einzelkritik:James erhält mahnende Blicke
Der Kolumbianer zaubert gegen Schalke, trabt aber nur langsam in die Abwehr. Kingsley Coman ignoriert den Rat von Jupp Heynckes. Der FC Bayern in der Einzelkritik.
Während dieser Film in seinem Kopf ablief, sagte Lewandowski wörtlich: "Noch eins mindestens, ja ... aber wo ist das dritte und das vierte ... (Pause) ... Ah, Ja, ... (Pause) ... okay, mindestens ein Tor mehr, aber nach dem Pokalspiel (über 120 Minuten gegen Hertha, Anm.) fehlen eben ein paar Prozente." Während Lewandowski sein Spiel im Kopf durchging, lief Thiago hinter ihm vorbei und sagte melodisch singend: "O mi capitano".
Lewandowski, in Abwesenheit von Manuel Neuer der Kapitän dieser Mannschaft, war sichtbar sehr gut gelaunt an diesem Samstagabend. So wie Fußballer eben drauf sind, wenn sie nach harter Kritik die sogenannte "passende Antwort auf dem Platz" geliefert haben. Die harte Kritik kam vom Sky-Experten Didi Hamann, der unter anderem über Lewandowski gesagt hatte: "Seine Theatralik, sein Abwinken, sein zum Teil lustloses Verhalten auf dem Platz. Ich glaube, es ist offensichtlich, dass er ein Einzelgänger ist."
Salihamidzic attackiert Hamann nach dem Spiel scharf
Der FC Bayern befand diese Kritik für so relevant, dass er sie zur Vereinssache machte. Sportdirektor Hasan Salihamidzic stellte sich vor alle Mikrofone in der Arena und sagte wiederholt den Satz: "Ich glaube nicht, dass Robert Lewandowski ein Problem für Bayern München ist, Didi Hamann ist ein Problem für Sky." Salihamidzic bezeichnete Lewandowski als "Leader", der sich reinhaut.
Was Hamann sage, könne man so nicht stehen lassen, das sei auch "keine Kritik, sondern eine Kampagne". Lothar Matthäus, ebenfalls Sky-Experte, habe dagegen "wirklich Ahnung von Fußball" und der habe Lewandowski schließlich gelobt. Salihamidzic stimmte übrigens Hoeneß zu, dass Lewandowski hätte vier Tore erzielen können.
Während Salihamidzic seine Sätze mit einem gewissen Ernst vortrug, blieb der Kritisierte sehr viel gelassener. "Das sind dumme Sachen, die musst du einfach wegschmeißen", sagte Lewandowski fast schon entschuldigend. "Ich kenne seine Geschichte, aber ich sage dazu lieber nix", deutete er dann noch in Hamanns Richtung an, ohne seinen Gedanken zu konkretisieren.
Tatsächlich gibt es am FC Bayern gerade mehr zu kritisieren als in den vergangenen Spielzeiten - aber angesichts der anhaltend kurios fallenden Gegentore (Frage an David Alaba: "Wie kann es sein, dass sich der FC Bayern ständig Tore aus dem Nichts fängt?" Antwort Alaba: "Tja, das ist eine wirklich gute Frage.") ist ein Stürmer tatsächlich nicht die erste Baustelle der Münchner.
Lewandowski hat in 29 Pflichtspielen 25 Tore geschossen und zehn vorbereitet - pro Arbeitstag ist er also an mehr als einem Tor beteiligt. Das deutet nicht direkt auf "lustloses Verhalten" hin - zumal er nach seinem nicht-vollzogenen Wechsel zu Real Madrid im Sommer eher so wirkte, als sei er mit den Gedanken wieder mehr in München. In der Hinrunde hatte der Pole hin und wieder Durchhänger - aber seitdem Trainer Kovac das System umgestellt hat und hinter Lewandowski eine echte Nummer zehn spielen lässt (gegen Schalke war das der überzeugende James), tut sich die Nummer neun leichter. Den Eindruck hat auch Lewandowski: "Wenn mehr Spieler im Strafraum sind, können sich nicht alle Verteidiger auf mich konzentrieren."
Seit dem Verkauf von Sandro Wagner nach China ist der Pole übrigens wieder der einzige Stürmer im Kader - der FC Bayern ist also noch ein bisschen abhängiger von seiner Leistung. Und vielleicht muss man den Fakt berücksichtigen, wenn der Klub ihn (und nicht etwa Hummels) zum Kapitän macht und ein bisschen empfindlicher auf Kritik am einzigen zuverlässigen Torlieferanten reagiert.