Jamaika beim Gold Cup:Winnies Schurkenstück

Lesezeit: 3 min

Es ist geschafft: Winfried Schäfer jubelt über das 2:1 gegen die USA. (Foto: AFP)
  • Sensationell besiegt Winfried Schäfer mit Jamaika im Halbfinale des Gold Cups Favorit USA mit den Trainern Jürgen Klinsmann und Berti Vogts.
  • Danach sagt Schäfer: "Ich bin so stolz auf die Mannschaft, das können sie sich gar nicht vorstellen."
  • Sein Torwart Ryan Thompson bietet eine zirkusreife Vorstellung, auf wundersame Weise kassiert er jedoch nur ein Gegentor.

Von Thomas Hummel

Winfried Schäfer sah aus, als müsste man sich ernsthafte Sorgen machen. Unter dem sehr weißen, wehenden Haar leuchtete ein sehr rotes Gesicht, Schäfer setzte fast zum Sprint an, trommelte mit der rechten Hand auf seine Armbanduhr und schrie. Winfried Schäfer war sehr erregt. Und er ist schließlich schon 65 Jahre alt.

Das Bild des rotgesichtigen Winfried "Winnie" Schäfer mit dem weißen Wallehaar gelangte aus dem Georgia Dome in Atlanta bis in die Heimat nach Deutschland. Denn Sekunden später lief er mit hochgestreckten Armen auf das Spielfeld. Der Trainer hat mit der jamaikanischen Nationalmannschaft das Halbfinale des Gold Cups, der kontinentalen Fußball-Meisterschaft Nord- und Mittelamerikas, gewonnen. 2:1 gegen die USA. Gegen den deutschen Kollegen Jürgen Klinsmann.

Gold Cup
:Schäfer schlägt Klinsmann

Winfried Schäfer gewinnt das deutsche Trainerduell beim Gold Cup, Jamaika steht damit überraschend im Finale. Lukas Podolski feiert ein gelungenes Debüt für Galatasaray Istanbul, sogar mit einem Tor.

"Ich bin so stolz auf die Mannschaft, das können sie sich gar nicht vorstellen", sagte Schäfer später dem TV-Sender Sky. Der Jamaica Observer schrieb: "Es dauert noch, um es zu kapieren. Aber es ist passiert." Zum ersten Mal besiegte Jamaika den großen Nachbarn in dessen Heimat, zum zweiten Mal überhaupt. Erstmals in der Geschichte des Gold Cups erreicht eine karibische Mannschaft das Finale.

"Ich werde diese Nacht nie vergessen"

Jamaika spielt in der Nacht zum Montag (1.30 Uhr MESZ) gegen Mexiko. Schäfer twitterte kurz nach dem Sieg: "Mehr als 40 Jahre im Fußball, habe alles gesehen, aber glaub' mir, ich werde diese Nacht nie vergessen." Es war wirklich ein erstaunliches Fußballspiel, das sich vor 68 000 Zuschauern in Atlanta zutrug.

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Hier der klitzekleine Außenseiter von der Sprinter- und Reggae-Insel, dort der von Bundestrainer Joachim Löw zuletzt sehr gelobte Gastgeber und Turnierfavorit USA. Hier der alte Winnie, der irgendwann im vergangenen Jahrtausend den Karlsruher SC berühmt gemacht hatte. Dort der Reformer und Aufbauer Klinsmann, unterstützt von dem weiteren Ex-Bundestrainer Berti Vogts. "Ein deutscher Trainer schlägt zwei deutsche Trainer", spöttelte Schäfer später.

Doch ein Fußballspiel kann eben ein Schurkenstück sein. Eine Theater-Aufführung, die sich nicht um Recht und Unrecht schert, um Klein oder Groß.

Ein Hauptdarsteller in diesem Halbfinale hieß Ryan Thompson. Der 30-jährige Torwart spielt derzeit bei Pittsburgh Riverhounds in der United Soccer League, der dritten amerikanischen Liga. Er stand nur im Tor, weil sich Stammtorwart Dwayne Miller zu Beginn des Turniers verletzt hatte. Thompson machte aus jedem Ball, der in seine Nähe kam, ein Abenteuer. Einmal vertändelte er im Fünfmeterraum die Kugel an Aron Johannsson, doch der US-Stürmer stupste den Ball am Tor vorbei. Einmal lenkte Thompson einen Fernschuss von Michael Bradley mit der Brust an den Pfosten.

Der Torwart ließ praktisch jeden Ball aus seinen Händen rutschen. Auf wundersame Weise resultierte nur ein Gegentor aus dem zirkusreifen Auftritt. Nachdem er wieder einen recht harmlosen Schuss nach vorne abklatschen ließ, verkürzte Bradley nach 48 Minuten auf 1:2.

Vier, fünf Tore hätte seine Mannschaft schießen können, bedauerte Klinsmann. Und da untertrieb er noch. Vor allem Johannsson, angestellt beim AZ Alkmaar in Holland, versiebte reihenweise gute Möglichkeiten. Und so reichte den Jamaikanern eine Leistung mit viel Einsatz, halbwegs geordnetem Abwehrverhalten - und zwei feinen Offensivaktionen.

Jamaika geht schnell in Führung

Beim 1:0 köpfte Darren Mattocks von den Vancouver Whitecaps (ein Erstligist) einen Einwurf an den Innenpfosten (31.). Nur fünf Minuten später gab Schiedsrichter Ricardo Montero aus Costa Rica zum Entsetzen der Gastgeber Freistoß an der Strafraumgrenze, weil Torwart Brad Guzan den Ball Zentimeter außerhalb des Sechzehners abwarf. Giles Barnes knallte die Kugel in den Winkel zum 2:0 (36.). So sehr die Amerikaner dagegen anrannten, sie schafften es nicht mehr. Die Enttäuschung führte sogleich zu leiser Trainerkritik. Einerseits habe Klinsmann zu viele Routiniers nominiert, andererseits ausgerechnet in der Abwehr mit Ventura Alvarado und dem Berliner John Brooks zwei Jungspunde aufgestellt, die nicht immer sicher wirkten.

Klinsmann selbst versteinerte fast neben dem Spielfeld angesichts der drohenden Enttäuschung. Er will den amerikanischen Fußball sukzessive an die Weltspitze heranführen, so eine Niederlage zu Hause gegen einen Zwergstaat schmerzt da sehr. "Diese Pille müssen wir schlucken", erklärte er. Schwer wiegt auch, dass die angestrebte Teilnahme am Konföderationen-Cup 2017 in Russland nun in Gefahr ist. Als Gewinner des vergangenen Gold-Cups müssen die Amerikaner nun in ein Playoff-Duell gegen den Sieger dieses Turniers, also Mexiko oder eben Schäfers Jamaikaner.

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Der will nun den ganz großen Triumph. "Wir können noch nicht feiern, es steht noch ein Spiel aus. Bob Marley gibt's erst nach diesem Match", sagte er im Hinblick auf das Endspiel. Gegner Mexiko hatte gegen Außenseiter Panama im zweiten Halbfinale großes Glück. Panama war nach einer roten Karte dezimiert und dennoch in Führung gegangen. Am Ende der zehnminütigen (!) Nachspielzeit glich Mexiko durch einen umstrittenen Handelfmeter aus, in der Verlängerung führte ein weiterer Strafstoß für Mexiko zur Entscheidung. Die Schiedsrichter mussten unter Polizeischutz vom Feld geführt werden.

Im Vergleich dazu war der erregte Winnie Schäfer mit dem weißen Wallehaar eine nette Petitesse.

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