Fußballwettskandal in Italien:Der Paparazzi-König packt aus

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Er weiß, wie er Italien in Atem hält: Fabrizio Corona. (Foto: abaca press/imago)

Fabrizio Corona enthüllt in Italiens neuem Fußballwettskandal gerade ein pikantes Detail nach dem anderen. Dabei saß er noch bis vor Kurzem wegen Erpressung in Haft - und ist auch sonst nicht gerade bescheiden.

Von Oliver Meiler

Fabrizio Corona ist erst seit drei Wochen frei, nach sieben Jahren Haft, die letzten im Hausarrest. Eine Figur zwischen abgestandenem Glamour und ständigem Gaunertum, verurteilt in mehreren Prozessen wegen Erpressung. Früher stellte er prominenten Menschen kompromittierende Fotos zu und drohte ihnen, die Bilder an die Presse zu verhökern, wenn sie nicht bezahlen mochten. Es war immer viel Außereheliches dabei. Aber was hält er nun Italien in Atem, aus seinem Loft in Mailand.

Der frühere "Re dei paparazzi", König der Paparazzi, 50 Jahre alt, hat in seiner Wohnung eine kleine Redaktion eingerichtet. Sein Onlinemedium heißt Dillingernews: ein Start-up, zwölf Leute, tausend Probleme mit dem Server. Und ein Thema: der Skandal um illegale Wetten von sehr bekannten jungen italienischen Fußballern.

Der ehemalige "König der Paparazzi" hat auch heute kein Problem mit Fotografen, die ihn auf offener Straße ablichten. (Foto: Mimmo Carriero/imago)

"In Italien reden die Leute nur über zwei Dinge", sagte Corona der Mailänder Zeitung Corriere della Sera, "über Hamas und über das hier - und das hier ist von Dillinger, wir sind eine Bande von Gesetzlosen der Information, die das Leben riskiert." Bei Corona geht es nie eine Nummer kleiner, seine vielen Abstürze im Leben machten ihn nicht etwa bescheiden, im Gegenteil. Er prahlt auch gerne mit seinen vielen Frauengeschichten. Im Loft, schreibt der Corriere, begegne man auch seiner "hübschen und stillen" Verlobten, Sara, 23 Jahre jung.

Wie er zu seinen Scoops und Insiderinformationen aus den Ermittlungen der Turiner Staatsanwaltschaft gekommen ist, wird Corona wohl in den kommenden Tagen erzählen, wahrscheinlich im Fernsehen, nach dem EM-Qualifikationsspiel Italiens gegen England im Wembley. Überhaupt werde noch viel kommen in dieser Geschichte. Sagt Corona. Und da er bisher immer recht behalten hat, muss man ihm glauben, er offenbart sich gerade als zuverlässige Quelle. Und das ist womöglich eine der erstaunlichsten Noten in dieser trüben Geschichte.

Die Spieler hoffen nun auf möglichst milde Sperren

Alle drei bisher bekannten Namen von Fußballspielern, gegen die ermittelt wird, wurden von Dillinger enthüllt - und dann von der Justiz bestätigt. Nicolò Fagioli von Juventus Turin, Sandro Tonali von Newcastle United und Nicolò Zaniolo von Aston Villa, alle drei italienische Nationalspieler. Nur zu Nicola Zalewski von der AS Roma, den Corona am Freitag nannte, gibt es noch keine Bestätigung. Angekündigt war der Name für 14 Uhr, etwa fünf Millionen Nutzer versuchten, Zugang zu Dillinger zu bekommen - benannt nach dem einstigen US-Bankräuber und "Staatsfeind Nr.1". Der Server brach zusammen.

Von Fagioli weiß man mittlerweile, dass er einen Vergleich anstrebt mit der Sportjustiz: Wetten auf die eigene Sportart werden bei Sportlern mit einer Sperre von mindestens drei Jahren geahndet, international gültig; kann einem Fußballer nachgewiesen werden, dass er auf den eigenen Verein gewettet hat, drohen sogar fünf Jahre Sperre. Fagioli bestreitet, auf Spiele von Juventus gewettet zu haben, und er arbeitet mit der Justiz zusammen. Offenbar war er es, der den Fahndern die Namen von Tonali und Zaniolo genannt hat. Er würde gerne mit einem Jahr Sperre davonkommen, mehr Milde ist wohl nicht drin.

Zaniolos Verteidigungslinie ist noch nicht klar. Seinem Anwalt sagte er, er habe nur Poker und Blackjack gespielt auf der Wettplattform. Dass die illegal sei, habe er nicht gewusst. Coronas Quelle aber sagt, Zaniolo habe auch auf ein Pokalspiel seines früheren Vereins AS Roma gewettet. Von Zalewski heißt es, er habe viel Geld auf eine gelbe Karte gesetzt, die er sich dann höchstselbst im Spiel der Roma gegen Salernitana eingehandelt hat.

Besonders dramatisch scheint der Fall von Sandro Tonali zu sein, einem der größten Talente dieses Sports, erst 23 Jahre alt, hoch bezahlt und hoch gelobt von allen für seine Spielintelligenz und für seine Regiefähigkeit im Zentrum des Spiels. Er wird oft mit Andrea Pirlo, dem "Maestro", verglichen. In Italien hieß es bisher immer, diese Rolle im Mittelfeld der Nationalmannschaft sei dank Tonali für die kommenden zehn Jahre besetzt.

Nun schreibt die Gazzetta dello Sport, Tonali sei "zerstört". Er leide an einer schweren Spielsucht und werde jetzt psychologisch behandelt; er wolle die Jungen warnen, ihnen ein Vorbild sein. Das ist natürlich löblich. Allerdings ist bei vielen jungen Fans gerade die Enttäuschung wohl größer als die Gefahr, sich ein Beispiel an ihm zu nehmen. Das Ziel ist womöglich auch in diesem Fall vor allem eins: eine möglichst milde Sperre.

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:Der Fall könnte noch viel größer werden

In Italien wird gegen mindestens vier berühmte Jungfußballer wegen angeblicher Wetten auf einer illegalen Plattform ermittelt. Sandro Tonali und Nicolò Zaniolo sind kurz vor Qualifikationsspielen schon von der Nationalelf abgereist.

Von Oliver Meiler

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