Trade in der NBA:Mit Irving geht Dallas "all in"

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Kyrie Irving kann dribbeln wie eine Computerspielfigur, er ist ein exzellenter Werfer und kann Spiele allein entscheiden - aber er vertritt eine teils verquere Weltsicht. (Foto: Mary Altaffer/AP)

Bringt dieses Tauschgeschäft den ersten Titel seit der Nowitzki-Zeit? Die Mavericks holen in Kyrie Irving einen der schwierigsten Charaktere des Basketballs - es muss viel zusammenkommen, damit das funktioniert.

Von Jonas Beckenkamp

Bald ist Halbzeit in dieser NBA-Saison, und plötzlich scheint vieles möglich zu sein bei den Dallas Mavericks. Das bewies das Team am Montag beim Auswärtsspiel in Salt Lake City, wo man die Utah Jazz mit ein paar deutlichen Noten hinter sich ließ im Geschubse um die Playoff-Plätze. Das 124:111 mag nur eine von zig Partien gewesen sein, aber diesmal trug sich Besonderes zu. Erstmals gewannen die Mavs in dieser Spielzeit eine Partie ohne Luka Doncic, ihren wichtigsten und produktivsten Basketballer.

Doncic, 23, kuriert derzeit eine Knöchelverletzung aus - wenn er nicht spielt, gilt es gemeinhin als Gesetz, dass Dallas verliert. Doch wenn die vergangenen Tage eines gezeigt haben, dann dies: Mit der Abhängigkeit von Doncic soll es vorbei sein. Und wenn man schon mal dabei ist, darf gerne in diesem Sommer die erste Meisterschaft seit 2011 mit Dirk Nowitzki herausspringen.

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Dallas geht "all in". Der Grund für den Optimismus der Texaner heißt Kyrie Irving, 30.

Ihn haben die Mavs sich nun per Tauschgeschäft mit den Brooklyn Nets geholt, um mit Doncic das explosivste Offensivduo der Liga zu bilden. Dank des neuen Spielmachers sei man von heute auf morgen "in der Lage, den Titel zu holen", findet Jason Kidd. Er verstehe sich prächtig mit Irving, erklärte der Trainer, "er will gewinnen, er möchte gecoacht werden, das ist eine Riesenchance". Und überhaupt gehe es Irving, der als einer der schwierigsten Charaktere der Liga gilt, nur um Basketball. Was soll schon schiefgehen?

Eine ganze Menge, finden viele Beobachter dieses sogenannten Blockbuster-Trades, der Dallas neben Irving zudem Flügelspieler Markieff Morris beschert. Denn erstens musste im Gegenzug Dorian Finney-Smith gehen, ihr bester Defensivakteur neben dem derzeit verletzten Deutschen Maxi Kleber - dazu Spencer Dinwiddie sowie nicht unbedeutende Zugriffsrechte beim Draft in den Jahren 2027 und 2029. Und zweitens müssten beinahe surreal viele Faktoren zusammenpassen, damit die Nummer mit Irving gelingt.

Bedenken weckt etwa die Tatsache, dass sich die ohnehin löchrige Dallas-Defensive mit dem Trade noch verschlechtert hat - und auf die kommt es gerade in der K.-o.-Runde ab April an, wenn Details in der Abwehrarbeit mehr wert sind als jeder Punkterekord. Natürlich garantieren Irving und Doncic pro Spiel 50 bis 60 Punkte, aber die Maloche am eigenen Brett, das Ausschalten des Gegenspielers, zählt wie beim Rest der Mannschaft nicht zu ihren Primärtugenden.

Dallas stellt Doncic mit Irving endlich einen Adjutanten zur Seite

Dass Dallas Doncic endlich einen fähigen Adjutanten zur Seite stellt, mit dem der beste Basketballer der Welt den Klub aus dem Mittelmaß hieven soll, ist zwar verständlich. Dass man in Irving allerdings jemanden holt, der als Point Guard sowohl dieselbe Position bekleidet als auch in der Spielweise ähnlich unterwegs ist, stellt ein Risiko dar. Doncic und Irving brauchen für ihre Künste fast permanent den Ball in ihren Händen - und nach allem, was man über Basketball weiß, gibt es davon nur einen auf dem Feld. Den müssen sie sich nun teilen.

Dem Vernehmen nach ist Doncic angetan, mit Irving zusammenzuspielen, schließlich nimmt der ihm einiges an Scoring-Last ab, sodass der Slowene mehr als Gestalter glänzen kann. "Ist doch toll für die beiden", erklärte Mavs-Besitzer Mark Cuban, "sie profitieren in ihrem Spiel voneinander und können mit ihren Fähigkeiten jede gegnerische Verteidigung extrem unter Druck setzen."

Druck lastet aber auch auf dem Klub, denn noch ist nicht klar, ob Irving überhaupt länger in Dallas bleibt. Der Vertrag des NBA-Champions von 2016 (neben LeBron James in Cleveland) gilt nur bis Saisonende, danach müssten die Mavs mit ihm zu gehobenen Konditionen verlängern. In der Vergangenheit bewies Irving in solchen Angelegenheiten, dass es ihm vor allem um sich selbst geht. Sowohl in Boston als auch kürzlich bei den Nets provozierte er am Ende seinen Abschied, wirklich besser machte er keinen der Klubs. New Yorks Bürgermeister Eric Adams rief ihm deshalb hinterher: "Egal, wie viel Talent man hat - wichtiger ist doch, mit den Kollegen einen guten Umgang zu pflegen."

Apropos: Am schwersten wiegen ohnehin Irvings Ansichten abseits des Basketballs. Vor einigen Jahren verstrickte er sich in obskure "Flat Earth"-Verschwörungen, während der Pandemie-Hochphase verweigerte er medienwirksam die Corona-Impfung, woraufhin er einige Monate gar nicht oder nur bei Auswärtsspielen in NBA-Hallen durfte. Und im vergangenen Herbst bewarb er auf seinem Twitter-Kanal einen Dokumentarfilm, der den Holocaust leugnet. Einsicht zeigte er bei einigen arrogant vorgetragenen Pressekonferenzen kaum, erst auf vehementen öffentlichen Druck sagte er schließlich: "Ich bin kein Antisemit." Dürfte interessant werden bei Irvings Debüt am Mittwoch gegen die Clippers.

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