Zu Beginn sah alles wie eine dieser Ideen aus, die den italienischen Fußball selbst entlarven. Wobei: Idee? Die Tifosi von Inter Mailand waren im Sommer 2021 jedenfalls überzeugt, dass es sich bei diesem bevorstehenden Transfer eher um eine Schnapsidee handele. Eine Art Klassiker im Calcio, die Definition eines inspirationslosen Geschäfts.
In Inters Kader hatte sich gerade eine Lücke aufgetan, gesucht wurde ein neuer Mittelstürmer. Fündig wurde man dann nicht gerade zufällig auf dem heimischen Markt. Da gibt's schließlich gute Kontakte, die Telefonleitungen sind kurz. Das Profil des Spielers, der den Fans präsentiert wurde, holte aber niemanden so recht ab: zu alt, zu behäbig, zu sehr alte Schule. Und vor allem: viel zu teuer im Unterhalt. So hieß es zumindest damals, im Sommer 2021.
Exklusiv Interview mit Grafite über Felix Magath:"Ich war physisch ein Monster"
Der Brasilianer Grafite wurde 2009 mit Wolfsburg unter Felix Magath deutscher Meister. Im Interview erzählt der ehemalige Stürmer von Medizinbällen, dem legendären "Mount Magath", von Blackouts, Wutanfällen und fliegenden Magnetknöpfen.
Nun ja, den Kritikern dürften allerspätestens seit dem Mittwochabend die Argumente ausgehen. Denn da wurde in Riad (ja, richtig: in Saudi-Arabien und überdies in einem Stadion, das aussah wie ein gewaltiges Beduinenzelt) der italienische Supercup ausgespielt. Inter gegen die Stadtrivalin AC Milan, ein Duell ums Prestige und so einige Petro-Dollars.
Als dominante Figur tat sich einmal mehr jener Mann hervor, dessen Verpflichtung vom Ligakonkurrenten AS Roma kaum jemand befürwortete: Edin Dzeko, im März 37 Jahre alt, ein alter Bekannter aus der Bundesliga. Inter triumphierte diesmal 3:0, und insbesondere der Altmeister brillierte. Dzeko war Passgeber vor dem ersten Treffer, den zweiten erzielte er nach einem lässigen Hüftwackler mit einem wuchtigen Schuss ins Eck. Zur Abwechslung erhielt Dzeko Ovationen und nach dem Schlusspfiff die Auszeichnung zum Man of the Match.
Man lerne: Altersmüdigkeit stellt sich nicht allein deshalb ein, weil es ständig behauptet wird. Die italienischen Zeitungen besangen Dzeko jedenfalls mit fast schon schrillen Lobeshymnen. "Seine Leistung war komplett und von Gier durchzogen, so verhält es sich auch mit seinem Hunger nach Erfolg", urteilte etwa die Mailänder Gazzetta dello Sport: "Was gibt es bei der Vertragsverlängerung noch zu zögern?"
Dzekos Arbeitspapier läuft Ende der Saison aus, die Stimmung unter den Inter-Tifosi hat sich mit Blick auf seine Person gedreht: Womöglich wäre eine längerfristige Bindung ja keine so schlechte Idee.