FC Ingolstadt gegen Bayern München:Traumgegner zum falschen Zeitpunkt

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In der zweiten Liga ist der FC Ingolstadt auf den letzten Platz abgestürzt, Trainer Benno Möhlmann gibt zu: "Die Lage ist prekär". Im DFB-Pokal trifft die Mannschaft nun auf den FC Bayern München - und ahnt, was sie beim Tabellenführer der ersten Liga erwartet.

Gerald Kleffmann

Normalerweise herrscht beim Zweitligisten FC Ingolstadt vor Pflichtspielen reger Mail-Verkehr, Benno Möhlmanns Stab verschickt stets Filmchen mit Aktionen des nächsten Gegners. Jeder seiner Profis erhält dann Aufnahmen von Spielern, mit denen er in die Zweikämpfe gehen könnte. "Diesmal lassen wir das mit den Clips ", sagt der Trainer und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es wäre in der Tat komisch, zu erklären, wer Ribéry, Gomez, Lahm sind, und vor allem: wie sie spielen. "Die Bayern sind bekannt", weiß Möhlmann und versichert: "Bei uns wird noch mehr Champions League als Bundesliga geschaut, das weiß ich." Man kennt die großkopferten Stars, wenn auch virtuell.

Er muss den Ingolstädter Spielern nicht mehr vorgestellt werden: Franck Ribéry, hier mit Verteidiger Rafinha. (Foto: dpa)

Mit der Unbeschwertheit ist es freilich schnell wieder vorbei bei dem 57-Jährigen, diesen Mittwoch tritt der FCI in der zweiten Pokalrunde sehr real beim FC Bayern an, der Erste der ersten Liga gegen den Letzten der zweiten Liga, der Klassenkampf könnte nicht größer sein. Für Ingolstadt ist der Zeitpunkt Pech, dabei hatte die Mannschaft Anfang August, als das Los auf die Münchner als Gegner fiel, gejubelt. "Wir können diese Partie nicht zu hundert Prozent genießen, wie wir das wollten", sagt Möhlmann, der, wäre er ein Philosoph, den Theorien des Realismus zugeneigt wäre (was sicher etwas mit seiner Geburtsstadt Lohne zu tun hat, die Menschen dort ticken eher speziell). Er gibt zu: "Dazu ist die Lage in der Liga zu prekär." Schon wieder.

Das, was Möhlmann gerade erlebt, ist ungefähr das, was er erlebte, als er im November 2010 zu den Oberbayern kam. Das Team war Vorletzter der Tabelle (und stürzte nach Möhlmanns Premiere gar auf den letzten Platz ab), Führungsspieler tauchten ab, Zugänge brachten nicht das, was erhofft wurde. Geschützt hat Möhlmann in jenen Wochen, "dass ich mit der Vorgeschichte nichts zu tun hatte", sagt er, heute ist das anders: "Es wird alles mehr in Frage gestellt." Weil er Teil der Vorgeschichte des jetzigen Status quo ist. Weil der Trainer im Fußball generell in Sippenhaft genommen wird. Und weil die fulminante Rückrunde, die der FCI dank cleverer taktischer Eingriffe Möhlmanns im Frühjahr hingelegt hatte, wie aus einer fernen Epoche stammend wirkt.

Wenigstens in einem Punkt darf sich der FCI glücklich wähnen: Womöglich wäre das Kriselchen des FCI eine richtige Krise, wenn Ingolstadt eine richtige Medienstadt wäre. Noch aber hyperventiliert keiner in der 125 000-Einwohner-Stadt. Wenngleich Unmut längst zu vernehmen ist.

Es gibt einen Zeugen, der durchaus glaubwürdig erscheint, Möhlmann heißt dieser. Er schaut immer noch etwas missmutig (das können Lohner offenbar ganz gut), wenn er an dieses Kapitel vor einem Monat denkt, als sich ein Aufsichtsrat öffentlich in die Aufstellung eingemischt hatte. "Das war eine unnötige Geschichte", findet Möhlmann immer noch, der sich mit dem Herrn längst besprochen hat - und doch markierte der Vorfall einen Wendepunkt: Die öffentliche Debatte darüber, was beim FCI nicht funktioniert, nahm Fahrt auf - "und der Impuls kam aus unseren Reihen", sagt Möhlmann ruhig, sein Unverständnis klingt dennoch durch. Mittlerweile, nach der siebten Auswärtspleite am Sonntag in Aachen, musste Klubpräsident Peter Jackwerth öffentlich betonen, dass "der Trainer überhaupt nicht zur Diskussion steht" - ist ein solches Bekenntnis nötig, ist es oft nicht mehr weit, bis der Trainer doch zur Diskussion steht, man ahnt das.

Kritische Fragen an Gärtner

Sportdirektor Harald Gärtner gerät ebenfalls zunehmend unter Druck, er muss sich neuerdings Fragen zur Transferpolitik gefallen lassen. Vielleicht wäre alles kein Problem, wenn der FCI ein normaler Klub wäre, zu dem Auf- und Abstiege gehören. Aber da ist ja noch das Stadion, das man sich als Zukunftsinvestition gegönnt hat, und da ist noch Audi.

Der in Ingolstadt beheimatete Autokonzern, der am FC Bayern beteiligt ist, hat sich beim Bau des FCI-Stadions die Namensrechte auf zehn Jahre gesichert, zahlt dafür stattlich und achtet darauf, dass das Projekt positiv verläuft. "Audi ist die treibende Kraft", weiß Möhlmann und ergänzt: "Ein Abstieg ist nicht vorgesehen."

Folglich muss er damit klarkommen, dass ihm, dem Erfahrenen, gerade penibel auf die Finger geschaut wird, an diesem Abend wieder. Eine zu hohe Niederlage würde sicher auf das nächste Spiel ausstrahlen, am Sonntag kommt Eintracht Frankfurt, Liga-Zweiter, in den Sportpark. Ob er Bammel hat? Vor dem Duell mit Bayern? "Nein", sagt er zügig. Doch dann schlägt wieder der Realist zu: "Wir müssen nur nicht von großen Wundern träumen."

© SZ vom 26.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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