Elf des Spieltages:Kerle! Wir brauchen echte Kerle!

Augsburgs Torwart Simon Jentzsch fischt mit angebrochenem Ringfinger beinahe jeden Ball raus, Hamburgs Trainer Thorsten Fink wird von einem Klubkollegen geküsst, Dortmunds Robert Lewandowski entwickelt sich urplötzlich zu einem Killer und bringt die Kölner Fans zum Singen.

Elf des Spieltags

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Simon Jentzsch

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Augsburgs Torwart Simon Jentzsch fischt mit angebrochenem Ringfinger beinahe jeden Ball raus, Hamburgs Trainer Thorsten Fink wird von einem Klubkollegen geküsst, Dortmunds  Robert Lewandowski entwickelt sich urplötzlich zu einem Killer und bringt die Kölner Fans zum Singen. Texte: Jonas Beckenkamp Simon Jentzsch Es war am Freitagabend nicht so, als hätten es die Bremer nicht versucht, Simon Jentzsch zu bezwingen. Immer wieder stellten wahlweise Markus Rosenberg oder Claudio Pizarro den Augsburger Keeper auf die Probe, indem sie ihm schwer haltbare Bälle aufs Tor beförderten, doch der 35-jährige Riese (1,95 Meter) hielt beinahe alles - einzig bei Pizarros Ausgleichstreffer in der 68. Minute war der langmähnige Torhüter machtlos. Dabei spielt der frühere Wolfburger seit der Partie gegen Mainz in der Vorwoche mit einem angebrochenen Ringfinger. Auch damals ließ sich Jentzsch nicht auswechseln, sondern machte einfach weiter. Gegen Werder verzichtete der Augsburger Held dann auf seinen extra angefertigten Spezialhandschuh, in dem er Ring- und Mittelfinger zusammengetapet hätte tragen können. Die Schmerzen wollte Jentzsch sich eigentlich gerne ersparen, aber nicht das Gefühl für den Griff nach dem Ball. Solche Kerle brauchen sie in Augsburg!

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Thorsten Fink

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Da ist er also wieder: Thorsten Fink kehrte an diesem Wochenende zurück in die Bundesliga, er halst sich die durchaus anspruchsvolle Aufgabe auf, den HSV endlich in die richtigen Bahnen zu lenken. Wie schwer das werden könnte, dürfte der frühere Bayern-Profi längst wissen, schließlich sind sie in Hamburg nicht unbedingt sparsam mit entlarvenden Absurditäten. Gleich mehrere Wochen hatten sich die Verantwortlichen des Klubs zuletzt per Listenprinzip an ihren Wunschkandidaten abgearbeitet und siehe da, sie haben mit Fink tatsächlich ihren vermeintlichen Liebling bekommen. Was sollen sie jetzt auch anderes sagen? Zumindest Sportdirektor Frank Arnesen hielt mit seiner Zuneigung für den Neuen nicht hinterm Berg. Beim Treffer zum 1:1 durch Mladen Petric knutschte der Däne seinen Trainer überschwänglich ab. "Er sieht sehr gut aus. Da ist ein Kuss nicht so schlecht," so seine Erklärung. Na immerhin.

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Manuel Neuer

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(Foto: dpa)

770 Minuten hatte es gedauert, ehe Manuel Neuer wieder einmal ein ziemlich normales Torwartgefühl heimsuchte: Er musste einen Ball passieren lassen. In einem Bundesligaspiel. Und dann noch einen. Dass die Bayern auch in Hannover gewinnen würden, schien für viele im Voraus bereits klar. Doch es kam anders. Hannover erhielt einen Elfmeter, Mohammed Abdellaoue verwandelte zielsicher und die Bayern-Welt stand Kopf. Ein Gegentor! Rückstand! Wo sollte das hinführen? Es führte zu einer Niederlage, die spätestens nach Christian Panders Kullerball zum 2:0 konkrete Formen angenommen hatte. Die gegentorlose Serie des Münchner Keepers fand an diesem Spietag also ein Ende - immerhin belegt Neuer damit nun Rang drei ewigen Bestenliste hinter Oliver Kahn (802 Minuten) und Timo Hildebrand (884). Neuer wird es verkraften. 

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Christian Pander

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(Foto: dpa)

Dass Christian Pander mit links ganz passabel schießen kann, wissen sie sogar in England. So mancher dürfte hierzulande bereits vergessen haben, dass Hannovers Mittelfeldspieler einst in Wembley ein famoses Fernschusstor für die DFB-Elf erzielt hatte. Das würde vielleicht auch erklären, wie passiv die Bayern in jener 50. Minute am Sonntagabend verteidigten, als Pander mit dem Ball am linken Fuß durch die Hälfte der Münchner trabte. Dann drosch der frühere Nationalspieler das Leder los, nicht unbedingt präzise, aber immerhin alarmierend genug für die Spieler des Tabellenführers, um sich Panders Versuch dann doch noch entgegenzustellen. Ein Bayern-Bein wischte in die Schussbahn und plötzlich kullerte dieses eigentlich harmlose Geschoss über die Linie ins Tor. Christian Pander hatte getroffen - dabei stand im Bayern-Gehäuse noch nicht einmal ein Engländer. 

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Stale Solbakken

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(Foto: AP)

Wie Statistiken lügen können: Die Zahlen, die man Kölns Trainer Stale Solbakken nach dem 0:5 seiner Mannschaft in Dortmund präsentierte, gaben tatsächlich Anlass für ein Komplott: "Wir haben 55 Prozent Zweikämpfe gewonnen?" fragte der Norweger ungläubig in die Runde und lieferte dann seine eigene Analyse: "Ich glaube, das ist ein Fehler. Wir haben so schlecht gespielt." Mangelnden Realitätssinn kann dem glatzköpfigen Coach damit wirklich niemand vorwerfen - tatsächlich waren seine Spieler beim deutschen Meister so haushoch unterlegen, dass es schon gar keiner numerischen Bezifferung mehr bedurfte. Wo die Kölner an diesem für sie tristen Nachmittag in Gedanken waren, ist nicht überliefert. Fußball dürfte dort aber eine eher kleine Rolle gespielt haben. 

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Kölner Fans

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(Foto: dpa)

Man mag Stale Solbakken für die offene Einschätzung zum Spiel seiner Mannschaft gratulieren, doch es dürfte ebenso nachvollziehbar sein, dass die Kölner Fans das 0:5 beim BVB nur noch mit einer gehörigen Portion Humor ertragen konnten. Mitte der zweiten Halbzeit, es stand bereits 0:4, erinnerten sich die Anhänger ihrer Freude am Singen und gaben einen alten Komik-Klassiker zum Besten: "So ein Tag, so wunderschön wie heute" schallte es aus dem Gäste-Block - verständliche Häme nach einer mehr als desaströsen Vorstellung des eigenen Teams. Und weil Kölner nun mal gerne scherzen, setzte der leidgeprüfte Mob nach Ende der Partie noch eins drauf: "Wir wollen die Mannschaft sehen", skandierten die Fans angeführt von einem Einpeitscher im BVB-Trikot, also dem Outfit des Gegners. Sein ungewöhnlicher Doppelpass mit dem Gäste-Anhang bereitete Dortmunds Kevin Großkreutz sichtliches Vergnügen: "Von sofort an kann der FC meinetwegen jedes Spiel gewinnen."

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Robert Lewandowski

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wer das Gerede über die Dortmunder Sturmkrise in den vergangenen Wochen aufmerksam verfolgte, musste beinahe schon zu dem Schluss kommen, der BVB würde nie wieder das Tor treffen. Weil Lucas Barrios lange ausgefallen war, fehlte dem Meister in der Spitze seine vermeintlich effektivste Waffe und weil in Jürgen Klopps Team bekanntlich niemand sonst gefährlich ist, galt die Offensive der Borussia quasi als beerdigt. Götze? Zu früh hochgejubelt. Großkreutz? Formkrise. Kagawa? Wuselt zu oft ins Nirgendwo. Dabei geriet völlig in Vergessenheit, dass im Sturm der Dortmunder ein gewisser Robert Lewandowski spielt. Der Pole mit dem freundlichen Bubi-Gesicht entwickelt sich plötzlich zum Killer vor dem Tor. Gegen Köln gelangen dem 23-Jährigen seine Saisontreffer sechs und sieben - wer war gleich wieder dieser Barrios?

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Sebastian Kehl

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(Foto: dpa)

Wie lange BVB-Kapitän Sebastian Kehl wegen diverser Verletzungen weg gewesen war, lässt sich nicht mehr recht nachvollziehen - eine halbe Ewigkeit muss es gewesen sein. Und dann die Rückkehr in dieser Saison: Gegen Köln stand der ehemalige Nationalspieler in der Startelf, um das Mittelfeld des BVB zu organisieren. Dies gelang ihm gegen die geballte Kölner Lustlosigkeit so locker, dass Kehl auch noch Zeit fand, sich in der Offensive zu betätigen. In der 66. Minute spurtete der 31-Jährige über das halbe Feld und torpedierte eine zielgenaue Flanke von Blaszczykowski mit dem Kopf zum 5:0 in die Maschen. Es war ein Kopfball, so formschön und ungehindert, wie man ihn sonst nur aus Zeichentrickfilmen kennt - oder aus dem Training. Ohne Gegner. 

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Philipp Wollscheid

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(Foto: dpa)

Mit Kopfbällen kennt sich auch Nürnbergs junger Abwehrspieler Philipp Wollscheid bestens aus. Der 22-Jährige arbeitete in den vergangenen Wochen extra an seinem Spiel in der Luft - und das scheint sich auszuzahlen: Gegen Stuttgart erzielte der Defensivmann bereits seinen zweiten Saisontreffer mit der Stirn und konnte sich damit für den von ihm verursachten Elfmeter vor dem 1:1 des VfB rehabilitieren. Ob der jedoch überhaupt berechtigt war, darf ernsthaft bezweifelt werden. Im Getümmel vor dem Nürnberger Tor hatte Stuttgarts Martin Harnik geschossen, woraufhin der Ball dem heranrutschenden Wollscheid an den Arm sprang. "Was soll der Junge denn machen? Wo soll er denn hin mit seiner Hand? Wo? Eine Frechheit, dass er das pfeift," echauffierte sich später FCN-Coach Dieter Hecking. Vielleicht sollte Wollscheid in Zukunft nur noch mit dem Kopf zum Ball gehen.

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Lars Unnerstall

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Zu den Menschen aus dem Münsterland ist zu sagen, dass sie eigentlich eher zu den zurückhaltenderen Zeitgenossen zählen. Das bestätigte nach dem Sieg in Leverkusen Schalkes Keeper Lars Unnerstall. Gefragt, woher er seine Abgeklärtheit nehme, verkündete er am Sky-Mikrophon mit ernster Miene: "Ich komme aus dem Münsterland und da sind eigentlich alle ruhig. Die Familie sagt immer: Du kannst nix verlieren, du kommst aus dem nix." Das ist gewiss eine sehr ulkige Sicht der Dinge, denn wer sich aus dem Nichts so nach oben kämpft wie der 21-Jährige, muss natürlich eine gesunde Portion Ehrgeiz mitbringen. Und zu verlieren hat der junge Torhüter bei Schalke durchaus etwas - nämlich seine Position als Nummer eins des Vereins. Nach der Verpflichtung von Timo Hildebrand läuft nun alles auf einen Zweikampf mit dem Neuen hinaus. Nur gut, dass bei Unnerstall immer alles ganz ruhig ist. 

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Itay Shechter

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(Foto: dapd)

Er hat alles versucht. Itay Shechter wollte gegen den SC Freiburg ein Tor, er wollte für den FCK treffen. Egal wie. Einmal war er knapp dran, stand Zentimeter im Abseits, dann versuchte er plump, einen Elfmeter zu schinden. Shechter steht unter Druck. Der Schatten von Srdjan Lakić ist lang und der Israeli hat in der Bundesliga immer noch Schwierigkeiten mit dem Tempo, oft vergibt er gute Chancen. Da greift man auch mal zu unlauteren Mitteln. Dabei hat er das doch gar nicht nötig. Als ein weiter Ball erst auf den Kopf seines Kollegen Martin Amedick tropfte und dann in seine Richtung segelte, brachte sich der Stürmer in Position: Er drückte, drängelte und hakte, bis er genau richtig stand - mit einem mutigen Sprung hechtete er zum Ball und erzielte so den Siegtreffer für die Pfälzer. Der junge Israeli könnte in der Pfalz noch ein ganz Großer werden. Wer soviel versucht, muss belohnt werden. 

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