Ilie Sanchez bei 1860 München:Widerhall der weiten Welt

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Ilie Sanchez wechselt von Barcelona B zum TSV 1860 München. (Foto: imago sportfotodienst)

Ilie Sanchez? Ein junger Spanier? Den neuesten Import des TSV 1860 kennen die wenigsten, dabei kommt der Mittelfeldspieler vom FC Barcelona. Der Transfer des Barça-B-Kapitäns ist für den Münchner Zweitligist ein Geschäft mit Signalkraft.

Von Oliver Meiler und Philipp Schneider, München

Wenn es ein Katalane ins Nachwuchsteam des FC Barcelona schafft, besser bekannt als Barça B, hat er in aller Regel kein höheres Ziel als die Beförderung in die erste Mannschaft - vom Mini Estadi, dem kleinen Stadion, über die Fußgängerbrücke hinüber ins große Camp Nou.

Bei Ilie Sánchez war das sicher auch so. Nun ist er 23, die Nachwuchsjahre sind vollendet. Am Donnerstagvormittag bog Sánchez aber ein in die kleine Stichstraße, die abführt von der Grünwalder Straße in München, dann lief er vorbei an Europas berühmtestem Trainingsplatzbistro, dem sogenannten Löwenstüberl, und neben ihm, da ging der Sportchef des TSV 1860, Gerhard Poschner.

Er führte Sánchez, in Spanien Ilie genannt, über die Anlage, er präsentierte ihm einen Fußballplatz, dessen Heizautomatik im Winter traditionell versagt. Wenn der erste Schnee fällt, wird sich der Spanier vielleicht noch wundern. Doch Ilie Sánchez lächelte.

Wenige Stunden (und einen Besuch bei Dr. Wilhelm Widenmayer in der Nymphenburger Straße) später, setzte er seine Unterschrift unter einen Dreijahresvertrag beim Münchner Zweitligisten. Welch Transfertriumph für Poschner, einst Generaldirektor bei Real Saragossa. Er muss ihm etwas angeboten haben, das Ilie Sánchez nicht ablehnen konnte.

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Poschner selbst kommentierte den Coup lässig: "Uns ist es trotz einiger Konkurrenten gelungen, den Spieler von unserem sportlichen Projekt zu überzeugen." Ein Projekt, das seit zehn Jahren folgendermaßen heißt: Aufstieg.

Andererseits, wenn ein Spieler Barça B verlässt, um bei Sechzig anzuheuern, dann ist es wohl so, dass man ihm wieder keine großen Hoffnungen auf die ersehnte Beförderung gemacht hat. Dabei hatten die Chancen dafür gerade in diesem Jahr gut gestanden, theoretisch jedenfalls: Beim großen Barça hat soeben Luis Enrique die Trainerarbeit aufgenommen, jener Mann also, der Ilie einst förderte wie ein Mentor.

Ilie kam schon mit sieben Jahren zum Verein. In der FCB Escola werden jene Kinder zusammengefasst, aus deren Kreis es dann einige in die Fußballakademie schaffen, in die gefeierte Masía. Ilie gelang das nicht. Er wechselte von Quartiersverein zu Quartiersverein, bevor ihn dann mit 15 doch noch ein Späher Barças entdeckte und zurück zum Klub brachte - als defensiver Mittelfeldspieler, seine Stammrolle.

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Enrique holte ihn zu Barça B und funktionierte ihn um zum Innenverteidiger, setzte ihn aber zuweilen auch als rechten Außenverteidiger ein. Seine Polyvalenz in dieser Zone des Spielfelds brachte ihm die ersten Elogen ein. Man attestierte ihm taktische Intelligenz, gutes Kopfballspiel, viel Aufopferungsbereitschaft.

Vielleicht wäre ja dann alles viel schneller und besser gelaufen, wenn ihm die linke Ferse nicht so viele Probleme bereitet hätte, damals, im Sommer 2011. Ilie musste sich operieren lassen. Man schliff ihm den Fersenknochen. Geplant waren drei Wochen Pause. Doch dann komplizierte sich die Geschichte, eine Infektion machte einen zweiten Eingriff nötig. Und so fiel Ilie für die gesamte Spielzeit aus.

Als er zurückkam, wählten ihn die Kameraden zum Kapitän. Er genießt seither den Ruf, ein altruistischer Kollege zu sein, der die Seinen motiviert - vor allem auch die vielen jüngeren Mitspieler auf dem Sprung in die Elite.

Barça B ist ein Durchlauferhitzer: Talente, eigene und solche aus anderen spanischen Vereinen, die in der Segunda A, der zweiten Profiliga des Landes, konstant gute Leistungen zeigen, sind danach schnell wieder weg.

Gerade nach der soeben beendeten Saison, in der Barça B die Meisterschaft auf dem dritten Tabellenplatz beendete, ist der Aderlass wieder besonders groß. Neben Spielführer Ilie, der es auf mehr als 3000 Spielminuten brachte, verlassen mindestens fünf weitere Stammspieler den Verein. Nur einer von ihnen, Torhüter Masip, wechselt zur ersten Mannschaft - als künftige Nummer drei.

Als sein fußballerisches Vorbild nennt Ilie stets Xavi Hernández, den nunmehr 34-jährigen Regisseur Barças. In der Spielanlage aber ähnelt er vielleicht eher Sergio Busquets, der ebenfalls im Mini Estadi groß geworden war und mit dem er oft verglichen wird. Noch ist es ein sehr schmeichelhafter Vergleich, den aber auch Gerhard Poschner zuletzt bemühte.

Auf dem Platz macht Ilie immer einen soliden Eindruck, er antizipiert gut - doch von Busquets Strahlkraft, von dessen eindrücklichem Aktionsradius, ist er dann doch noch weit entfernt. Würde er wohl selber auch zugeben. Denn Ilie ist ein überaus bescheidener und freundlicher Mensch.

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Als er vor einem Jahr seinen Vertrag mit Barça bis 2015 verlängerte, schrieben die Parteien eine Verkaufsklausel über zwölf Millionen Euro fest. Da erweckte es noch den Anschein, als sei für Ilie eine Beförderung ins Camp Nou möglich. Immerhin hatte er ja in der Vergangenheit probehalber schon zwei Vorbereitungen mit der ersten Mannschaft absolviert, auch einige Freundschaftsspiele.

Doch nun soll das große Barça umgebaut werden, manche sagen: revolutioniert, um die zuletzt enttäuschten Fans zu besänftigen. Da braucht es neues Personal mit klingenderen Namen. Für die Verhältnisse Barcelonas.

Worte klingen anders, wechselt einer den Standort. Was sich auf freiem Feld akustisch verliert, das kann in einem Tunnel Ewigkeiten widerhallen. Und ja, der TSV 1860 München hat einen anderen Sound als der FC Barcelona.

Um dies zu ändern, wollte Investor Hasan Ismaik einst den Welttrainer Sven-Göran Eriksson verpflichten. Jetzt hat er immerhin Ilie gekauft, Spieler eines Weltvereins. Sieben weitere will Poschner verpflichten. Bei Barça B sind noch welche im Angebot.

© SZ vom 13.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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