Wenn es so etwas wie ein seriöses Gerücht gibt, dann ist dieses ein Musterexemplar: Mats Hummels kehrt nach drei Jahren beim FC Bayern München zu Borussia Dortmund zurück. Das ist gut vorstellbar - auch wenn es viele taktische Kommentare in dieser Angelegenheit gibt, und auch wenn die Hauptprotagonisten der Hummels-Rückführung scheinbar wie verabredet alle im Ausland, im Urlaub oder einfach auf Tauchstation sind. Der Spieler selbst ist samt Ehefrau Cathy und Sohn in Miami, Dortmunds Chef Hans-Joachim Watzke in Italien. Und doch scheint es beinahe beschlossene Sache zu sein, dass Hummels in den Ruhrpott zurückkehrt.
Die Bild war am Freitag mit der Meldung vorgeprescht und hatte zweimal nachgelegt. Eigentlich sei der Wechsel schon klar, die Klubs hätten sich sogar fast schon auf eine Ablösesumme verständigt. Es war eine Meldung, die großes Staunen und beinahe Ungläubigkeit begleitete.
Hummels war für viele der beste Bayern-Spieler der Rückrunde, in der die Münchner den BVB in der Liga noch überholten. Seine besten Spiele machte er gegen die besten Gegner: in Liverpool in der Champions League, gegen Dortmund in der Liga, gegen Leipzig im Pokalfinale. Warum lässt man so einen gehen? Hummels wird kurz vor Weihnachten 31. Aber altes Eisen?
Mit den Zugängen soll Hummels sich nicht um einen Platz balgen wollen
Wer die Liaison zwischen Borussia Dortmund und Hummels schon länger aus der Nähe beobachten konnte, den überrascht die Nachricht allerdings viel weniger. Schon vor mehr als einem Jahr war in Dortmunder Insiderkreisen die Information kursiert, dass Hummels angesichts der damals angeblich bevorstehenden Verpflichtung von Thomas Tuchel als Trainer beim FC Bayern die Flucht zurück an den Dortmunder Phoenixsee ergreifen wolle. Hummels hatte bei seinem Abschied von der Borussia 2016 kein Hehl daraus gemacht, dass Tuchel dabei eine Rolle gespielt habe. Sein Verhältnis zu dem damaligen BVB-Trainer galt als problematisch. Als München dann Jupp Heynckes reaktivierte, wurde die schon damals erwogene Rückkehr nach Dortmund verschoben.
Trotz der zuletzt starken Leistungen von Hummels und seinem Verteidiger-Partner Niklas Süle verstärkte sich der FC Bayern in der Innenverteidigung nun durch die Weltmeister Benjamin Pavard und Lucas Hernández - für insgesamt 115 Millionen Euro. Hummels hat dem Vernehmen nach nicht die geringste Lust, sich mit den beiden teuren Zugängen um den einen Platz neben dem vermutlich gesetzten Süle zu balgen. Der Rauswurf im März aus der Nationalmannschaft, wo Hummels angeblich ebenfalls mit den taktischen Ansichten des Trainers Joachim Löw über Kreuz lag, hat ihn nicht gestärkt.
Außerdem wissen sie in München und natürlich auch in Dortmund, dass Hummels und Bayern-Trainer Niko Kovac seit Längerem kein gutes Verhältnis nachgesagt wird. Nach dem Champions-League-Aus gegen Liverpool kritisierte der Innenverteidiger öffentlich die Spielweise. Der eloquente Hummels verpackte seine Äußerungen in der Öffentlichkeit akzeptabel, aber hinter den Kulissen soll es schon seit Monaten knistern. Wie man in Dortmund hört, werden auch daher nun die Planspiele wieder aufgerollt, die es zwischen dem BVB und Hummels schon im vergangenen und vorvergangenen Jahr gab. Nur wird es diesmal offenbar ernst.
Zur Sache äußert sich bisher zwar niemand, auch nicht Hummels' beratender Vater Hermann. Aber die Verweigerung eines Dementis auf allen beteiligten Seiten wirkt doch seltsam. In Dortmund heißt es, der frühere Nationalspieler wolle zurück in die etwas familiärere BVB-Atmosphäre. Dissens übers Gehalt soll es keinen geben, Hummels dürfte bei etwa zehn Millionen Euro eingestuft werden, vergleichbar mit Kapitän Reus. Und Ehefrau Cathy soll nicht zu einer Rückkehr an den Phoenixsee überredet werden, es gibt ja Privatjets.
Allerdings, so hört man, seien alle Kontakte zwischen den Klubs bisher höchst informell. Von der Einigung auf eine angeblich bereits vereinbarte Ablöse um die 20 Millionen Euro könne noch keine Rede sein. Hummels war 2016 für rund 35 Millionen zurück zu seinem Ausbildungsverein nach München gewechselt, sein Marktwert ist seither nicht gestiegen, und die Bayern haben ihn durch die beiden Zukäufe auf seiner Position weiter reduziert. Speist man das Alter von Hummels ein, könnten sich die Klubs tatsächlich auf 20 oder 25 Millionen Euro Ablöse einigen.
In Dortmund haben sich, wie üblich, einige Fans im Internet schon in Stellung gebracht. Ähnlich wie bei Mario Götze, der 2016 nach drei Jahren in München ebenfalls zurückkehrte, braut sich gerade angeblich der nächste Shitstorm zusammen. Die Vorliebe der BVB-Macher Watzke und Michael Zorc für Rückholaktionen verlorener schwarz-gelber Fußball-Söhne ist beim Anhang umstritten. Nuri Sahin und Shinji Kagawa kamen nicht an ihre alten Leistungen heran, waren aber nach ihrer Rückkehr von Real Madrid und Manchester United auch keine Ausfälle. Götze war lange krank und verletzt, kam zudem ebenfalls mit Tuchel nicht gut zurecht. In der abgelaufenen Saison unter Lucien Favre aber steigerte er sich. Hummels war 2016 nach der Ankündigung seines Wechsels von aggressiven Teilen des eigenen Publikums ausgepfiffen worden. Watzke und Zorc haben allerdings die Anfeindungen gegen Götze ausgesessen, sie werden das auch im weniger hysterischen Fall von Hummels tun.
Kaum einer wird in Dortmund allerdings behaupten, dass Hummels keine Verstärkung wäre. Der BVB hat nach 2016 vergeblich versucht, die Lücke zu schließen, die der Innenverteidiger hinterließ. Auch in dieser Saison fehlte ein Typ wie Hummels, der rigoros in Zweikämpfe und Kopfballduelle geht, der auch in der Kabine ein Anführer ist und der das Spiel fast wie ein offensiver Mittelfeldspieler inspirieren und aufziehen kann. Dortmunds früherer Meistertrainer Jürgen Klopp machte sich diese seltene Gemengelage der Talente von Hummels zunutze, mit Tuchel, Löw und Kovac lief es weniger gut. Insofern könnte ein Transfer ein Gewinn für alle Parteien sein. Für Dortmund, das bereits drei weitere Hochkaräter verpflichtet hat (Nico Schulz, Thorgan Hazard, Julian Brandt), wäre die Rückkehr von Hummels eine Art "Wunder-Transfer". Kein Wunder, dass es noch kaum einer so richtig glauben kann.