Hannes Wolf beim HSV:120 Prozent Unterstützung für den Neuen

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"Kompaktheit, Bereitschaft, mentale Schärfe": Das fordert HSV-Trainer Hannes Wolf (l., neben Khaled Narey). (Foto: Michael Schwarz/imago)
  • Beim Hamburger SV nimmt der neue Trainer Hannes Wolf seine Arbeit auf.
  • Der will den HSV schnell stabilisieren und zurück in die Aufstiegsränge führen. Dafür plant er manche personelle Änderung.
  • Hier geht es zur Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Er habe nicht einmal Zeit gehabt, das Champions-League-Spiel seines ehemaligen Klubs Borussia Dortmund am Mittwochabend im Fernsehen anzuschauen, teilte Hannes Wolf am Donnerstag mit. Schließlich hatte der neue Trainer des Zweitligisten Hamburger SV vor der ersten Partie unter seiner Leitung, dem Auswärtsspiel beim 1. FC Magdeburg am Freitagabend, einiges zu erledigen. Er musste nicht nur die Mannschaft binnen drei Tagen kennenlernen, sondern auch sein neues Trainerteam, das er zunächst von seinem Vorgänger Christian Titz übernommen hat. Bisher habe er mit dem Profis nur über Fußball gesprochen und noch nicht philosophiert, erzählte er. Und er hat festgestellt, dass seine Assistenten Maik Goebbels, André Kilian und Marinus Bester "extrem hilfsbereit" seien.

Mit anderen Worten: Es seien zwar einige Mitstreiter sehr traurig wegen der Kündigung des populären Titz (Stürmer Jann-Fiete Arp hatte dazu eine klare Meinung, etliche Mitglieder sind ausgetreten aus dem Klub), doch die Spieler hätten sich sehr "professionell" gezeigt. Interessanter ist ja sportlich ohnehin, welchen Weg Wolf, der vor der Saison auch als Co-Trainer von Lucien Favre in Dortmund hätte einsteigen können, taktisch einschlägt.

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Hannes Wolf soll den HSV in die erste Liga zurückbringen. Spieler Jann-Fiete Arp bedauert den Abschied von Christian Titz auf seinem Instagram-Account - und muss mit Konsequenzen rechnen.

Von Jörg Marwedel

Die HSV-Profis sind ja in den vergangenen Jahren und Monaten bei den diversen Fußballlehrern zwischen Umschalt- (Markus Gisdol) und totalem Ballbesitzfußball (Titz) hin und her geschleudert worden. Dazwischen gab es sogar eine siebenwöchige Periode mit reinem Defensivstil (Bernd Hollerbach).

"Eines der größten Trainertalente in Deutschland"

Womöglich ist Hannes Wolf, hinter dem HSV-Boss Bernd Hoffmann "zu 120 Prozent" steht und der vom Sportvorstand Ralf Becker als "eines der größten Trainertalente in Deutschland" gewürdigt wurde, tatsächlich taktisch eine Mischung aus allem. Schon beim VfB Stuttgart konnte man ihm keine klassische Kunstform nachweisen. Was er allerdings geschafft hat und weshalb er mit dem VfB sofort wieder aufgestiegen ist, formulierte er am Donnerstag so: Man brauche nicht nur in Magdeburg "Kompaktheit, Bereitschaft, mentale Schärfe und ein paar fußballerische Lösungen". Anders komme man nicht durch die zweite Liga, die ja eine recht raubeinige ist.

Genau diese mentale Schärfe hat der HSV in der für ihn neuen Spielklasse bisher zu selten bewiesen. Deshalb ist die Klubführung angesichts des fünften Tabellenplatzes nach zehn Spieltagen und der zunehmend ungewissen Aufstiegschance extrem nervös geworden. Lieber zahlt sie für den vierten Cheftrainer ein Gehalt, obwohl sie es sich eigentlich nicht leisten kann. Die Hoffnung auf eine Wolfsche Neuauflage (2017 Aufstieg mit Stuttgart) ist größer als es der Glaube an den freundlichen Titz mit seinem totalen Ballbesitz-Fußball war.

Zumindest zwei Dinge zeichnen sich vor dem Magdeburg-Spiel ab: Pierre-Michel Lasogga, der trotz sieben Pflichtspiel-Toren von Titz zum Reservisten degradiert wurde, wird wohl zurückkehren in die Startformation. Das war in Hamburg seit Wochen das Thema der großen Debatten. Dafür wird der sehr emsige, aber meist nicht sonderlich effektive Flügelspieler Tatsuya Ito weichen müssen. Und Torwart Julian Pollersbeck, der unter Titz eine Art Spieleröffner war, wird vermutlich wieder häufiger im eigenen Strafraum tätig sein, also einige Meter zurückbeordert. Herausgekommen ist dies, weil etwa die Bild-Journalisten das von Wolf angeordnete Geheimtraining doch so weit beobachten konnten, dass sie sahen, dass Lasogga (Wolf: "Ich halte viel von ihm, er hat überall seine Tore gemacht") in die A-Elf aufrückte.

Auch für Arp hat Wolf gute Nachrichten

Was zudem auffiel: Immer wieder unterbrach Wolf das Training, um sofort seine Eindrücke und einige Tipps mitzuteilen. Er sei ein Perfektionist, der auf jedes Detail achte, sagte Mittelfeldspieler Orel Mangala. Der Belgier muss es wissen. Er wurde von Wolf einst aus Anderlecht in den Nachwuchs von Borussia Dortmund geholt, danach machte der Trainer ihn beim VfB Stuttgart zum Profi. Wie der neue Coach spielen lassen will, weiß Mangala auch. "Er steht auf Ballbesitz, will aber kein unnötiges Risiko eingehen."

Alles will der neue Chef aber nicht verändern. Aaron Hunt und Lewis Holtby sollen die Kapitäne bleiben, ließ er wissen. Auch für Arp, dessen Meinungsäußerung auf Instagram - drei düster dreinblickende Smileys zur Titz-Trennung - vom HSV mit einer Geldstrafe belegt wurde, hat er gute Nachrichten. Der Spieler sei für sein Alter "sehr weit, da ist Kraft hinter", sagte Wolf nach den ersten Übungseinheiten. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem Stürmertalent. Zudem habe er "Verantwortung für die Spieler", sagte der neue Coach noch. Da klang er fast so wie sein Vorgänger Christian Titz.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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