Rechtsformänderung des HSV:Vom Big Mac zur AG & Co. KGaA

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Beim HSV, seit sechs Jahren Zweitligist, debattiert man am Wochenende über eine Änderung der Rechtsform. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Am Samstag stimmen die Mitglieder des Hamburger SV über eine Änderung der Rechtsform ab. Alte Fehler sollen korrigiert und Negativbeispiele aus der Branche mitgedacht werden. Nur: Spielt der Investor Klaus-Michael Kühne auch mit?

Von Thomas Hürner, Hamburg

Zehn Jahre ist es her, seit der Hamburger SV zum bislang letzten Mal wie der FC Bayern sein wollte. Die Hamburger wollten das so sehr, dass sie sich für dieses Vorhaben extra den Slogan "HSVPlus" überlegt und einen so simplen wie angeblich effizienten Plan entwickelt hatten: Was in München klappt, müsste in der prosperierenden Hansestadt ja auch funktionieren. Der Plan sah vor, die Profiabteilung der Fußballer in eine AG auszugliedern und dann gespannt darauf zu warten, wann strategische Partner vom Kaliber Audi, Adidas oder Allianz beim HSV einsteigen.

In der Theorie war das Modell wirklich spannend, nur: Es kam keiner. Der einzige Großinvestor blieb der Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne, dessen Einfluss in den Klubgremien und mitunter erratisches Gemüt mutmaßlich dazu beitrugen, dass sonst keiner beim HSV einstieg. Und der einst ruhmreiche Traditionsklub, der mit HSVPlus zurück an die europäische Spitze wollte, hängt nun in der zweiten Liga fest. Sechs Jahre schon.

Aktuell kann der HSV keine weiteren Anteile veräußern

HSVPlus sei nahrhaft wie ein Big Mac, sagte ein Reformgegner seinerzeit und hatte womöglich recht damit. Wenn man nun aber die werblichen Lobpreisungen auf jene Rechtsform registriert, die sich der HSV bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung an diesem Samstag geben will, dann könnte der Eindruck entstehen, dass die Initiatoren ein reichhaltiges Buffet hingestellt haben. Für jeden was dabei: Die Rechte der Mitglieder, heißt es, würden gestärkt. Der Alltag der Verantwortlichen würde erleichtert. Und das Kapital könne es mal wieder kaum abwarten, seine Millionen beim HSV einzubringen.

Abgestimmt wird über eine Zukunft in einer "AG & Co. KGaA", das ist eine Mischform aus der aktuellen AG-Struktur und der im deutschen Profifußball beliebten "GmbH & Co. KGaA". In der Bundesliga nehmen lediglich noch der SC Freiburg, Mainz 05 und Union Berlin als eingetragener Verein am Spielbetrieb teil. Der 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach haben zwar ausgegliederte Profiabteilungen, bisher aber noch keine Klubanteile verkauft.

In seiner aktuellen Rechtsform ist der HSV mit Blick auf Kapitalbeschaffung an eine strukturelle Barriere gestoßen: Hauptanteilseigner ist der e.V. mit seinen mehr als 100 000 Mitgliedern; auf ihn entfallen 75,1 Prozent an der HSV Fußball AG. Die weiteren großen Anteilseigner sind die Holdings von Klaus-Michael Kühne (13,34 Prozent) und seit Ende 2023 der Versicherer Hansemerkur (6,76 Prozent); zusammen mit ein paar Kleinaktionären kommen sie auf jene 24,9 Prozent, die in der Satzung als veräußerbare Höchstgrenze festgeschrieben sind.

In der nun angestrebten Struktur könnten theoretisch sämtliche Anteile verkauft werden, aber Mitglieder der Hamburger Reformkommission sind der Überzeugung, eine Art magische Sicherheitsarchitektur erfunden zu haben, durch die böswilligen Eindringlingen der Zutritt verwehrt bliebe: Sollte am Samstag die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Reform zusammenkommen, würde eine neue HSV Fußball Management AG gegründet, die zu 100 Prozent im Besitz des HSV e.V. ist und wiederum die "HSV Fußball AG & Co. KGaA" der ausgegliederten Lizenzspielerabteilung kontrolliert. So soll die Einhaltung der 50+1-Regel, die den Einfluss externer Investoren begrenzen soll, gesichert werden: Das letzte Wort hat immer der Mutterverein.

Auch der Fall VfB Stuttgart hat gezeigt: Entscheidend ist die Praxis

Von einer "unsichtbaren Mauer" sprach überdies Aufsichtsratschef Michael Papenfuß in einem Podcast des Hamburger Abendblatts, weil formal weitere Sicherheitsnetze gespannt werden sollen: Für künftige Gesellschafter soll eine Anteilsobergenze von 25 Prozent gelten, wodurch ein Schicksal wie das von Hertha BSC - wegen des Martyriums mit Investor Lars Windhorst wohl das KGaA-Negativbeispiel schlechthin - verhindert werden soll. Außerdem sollen nur regionale Partner einsteigen und keine Private-Equity-Unternehmen ins Haus gelangen; festschreiben lässt sich so ein Passus in der Satzung aber nicht.

Nur: Im deutschen Fußball wurde noch jede Strukturreform mit den angeblich besten Absichten verabschiedet; entscheidend ist, wie sie in der Praxis definiert wird. Zuletzt konnte man das am Beispiel des in einer AG organisierten VfB Stuttgart beobachten, wo es Debatten um den Einfluss des Anteilseigners Porsche und letztlich eine Umbesetzung des Aufsichtsrats gab. Das Hamburger Äquivalent dazu ist Milliardär Kühne, der aktuell sogar mehr Anteile hält als der Sportwagenhersteller beim VfB (10,4 Prozent) und noch mehr dazubekommt, wenn die Mitglieder mitmachen: Kühne hat dem HSV vor der aktuellen Saison ein Darlehen in Höhe von 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dieses Geld würde vom Festgeldbetrag direkt in neue HSV-Anteile umgewandelt.

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Kühne hielte dann 21,4 Prozent am HSV und mischt auch sonst überall mit: Im Herbst 2022 hatte er noch ein Hilfspaket von 120 Millionen Euro angeboten und dafür weiteren Einfluss in den Gremien eingefordert; außerdem hat er mit hanseatischen Geschäftsleuten weitere 20 Millionen zur Sanierung des Hamburger Volksparkstadions für die EM zur Verfügung gestellt. In der Reformkommission behaupten sie zwar, dass Kühne die Pläne gar nicht so toll finden dürfte, weil sich sein Einfluss strukturell verringern würde. Jener Kühne hat jüngst aber mal wieder Felix Magath als Sportchef und Trainer ins Spiel gebracht, weil ihm die anhaltenden Misserfolge des Profiteams und die dazugehörige Arbeit des aktuellen Sportvorstands Jonas Boldt offenkundig auf die Nerven gehen.

Ohne Kühne, das hat die Vergangenheit gezeigt, geht halt doch nichts beim HSV, egal, welche Rechtsform der Traditionsklub sich auch gibt. An ein Kräftemessen mit dem FC Bayern denkt in Hamburg jedenfalls keiner mehr. Es würde vorerst ja schon reichen, wenn man wieder mit dem FC St. Pauli mithalten kann, der seinem deutlich privilegierteren Stadtrivalen in der Zweitliga-Tabelle zehn Punkte enteilt ist. Auch der linke Kiezklub will sich übrigens verändern: Planungen für die Gründung einer Genossenschaft laufen.

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