Mutmaßlicher Dopingfall Mario Vuskovic:Gutachterstreit über die Zukunft eines Verteidigertalents

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Für den Hamburger SV (links HSV-Sportvorstand Jonas Boldt) und den Spieler Mario Vuskovic geht es in diesem Fall um eine Menge. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Bei der Verhandlung im mutmaßlichen Epo-Dopingfall des HSV-Profis Mario Vuskovic geht es um biochemische Nuancen. Experten sind sich nicht einig: Ist die Probe nun positiv oder nicht?

Von Thomas Hürner, Frankfurt

Bereits mit seinen ersten Worten deutet der Vorsitzende Richter Stephan Oberholz an, um was es an diesem Donnerstag gehen wird. Oberholz räuspert sich, fuchtelt mit seinem Kugelschreiber herum, dann legt er los. Es gelte nun, sagt er, "mehr Licht" ins Dunkel zu bringen und "die Gefahr einer wissenschaftlichen Schlacht" abzuwenden. Doch genau das wird sich bei dieser Verhandlung nicht vermeiden lassen: hell und dunkel, zarte Schattierungen auf Bilddiagrammen - und die Konfrontation zweier wissenschaftlicher Denkschulen, die mitunter nur Sarkasmus für sich übrig haben.

Der Saal "Golden Goal" im DFB-Campus in Frankfurt, der zweite Verhandlungstag im mutmaßlichen Dopingfall des HSV-Profis Mario Vuskovic. Nach Oberholz' ersten Sätzen werden einige Stunden verstreichen, es werden Gutachter und Zeugen aussagen, es werden Argumente zerpflückt und wieder zusammengesetzt. Am späten Nachmittag verkündet Oberholz dann: Der Urteilsspruch wird vertagt, am 10. März geht es weiter am DFB-Sportgericht. Zur Klärung wissenschaftlicher Detailfragen solle bis dahin ein weiteres, "unabhängiges Sachverständigengutachten" erstellt werden, erklärt Oberholz. Vuskovic, dessen Spielerkarriere nach der positiven Epo-Probe in Gefahr steht, nimmt's still zur Kenntnis. Seine Anwälte, sein Berater und Vertreter des Hamburger SV aber sind empört: Das soll ein unabhängiger Gutachter sein? Dazu später mehr.

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Vuskovic hat stets seine Unschuld beteuert und abgelehnt, durch ein Geständnis auf ein mildes Urteil hoffen zu können. Ankommen wird es für ihn nun auf Nuancen. Denn bei einer positiven Epo-Probe werden - anders als etwa der Promillegehalt beim Alkohol - keine Daten erhoben und keine Schwellenwerte überschritten. Als Analysematerial dienen Bilder, die wiederum interpretiert werden müssen. Ein "hochkomplexes Verfahren", da sind sich im Saal ausnahmsweise alle einig. Nur die Deutung des Ergebnisses ist grundverschieden: Aus Sicht der Mitarbeiter des Labors im sächsischen Kreischa, das im Auftrag der Nationalen Anti-Doping-Agentur Deutschland (Nada) sowohl die A- wie auch die B-Probe auswertete, handelt es um einen positiven Dopingtest.

Die HSV-Anwälte sehen das nicht so. Sie haben vier alternative Gutachten in Auftrag gegeben, von "unabhängigen Experten von Weltrang", wie sie betonen. Und die kommen zum exakt gegenteiligen Ergebnis: Nein, der Test sei negativ - und die Kreischa-Leute hätten Fehler gemacht.

Ein kurzer Moment der Auflockerung: Mario Vuskovic (Mitte), Spieler des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV, bei der Sitzung des Sportgerichts des Deutschen Fußball-Bundes. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Analysebilder basieren auf einem schwarzen, ovalen Fleck. Wenn dieser einen Schatten wirft, ist von körperfremdem Epo in der Probe auszugehen. Am Donnerstag projiziert ein Beamer die Proben von Vuskovic an die Wand. Ein Schatten ist in der Tat zu erkennen, aber dem Vorsitzenden Richter reicht das nicht, zumal die Originalbilder per Computerprogramm nachgeschärft wurden. Oberholz sagt: "Man kann kaum Unterschiede sehen zu positiver und negativer Probe." Sven Voss, der Institutsleiter aus Kreischa, vergleicht daraufhin die Analyse einer Epo-Probe mit der eines Röntgenbildes: "Nur wer Tausende Male analysiert hat, erkennt da einen Haarriss." Ein Laie erkenne das eher nicht.

Die vom HSV berufenen Experten vertreten vehement die Gegenposition

Handelt es sich bei den Professoren Perikles Simon (Dopingforscher von der Uni Mainz) und Lorenz Hofbauer (Uniklinikum Dresden) also demnach um Laien? Die beiden vom HSV berufenen Experten vertraten jedenfalls vehement die Gegenposition: Der zarte Schatten ließe sich auf eine unsachgemäße Nachbearbeitung der Bilder zurückführen. Außerdem legte das Material nahe, dass in Vuskovics Urinprobe eine erhöhte Eiweißkonzentration vorhanden sein müsse, die sich nur mit einer zu hohen Abfüllmenge des untersuchten Urins, der Verabreichung von Medikamenten wie Ibuprofen oder einer Unterbrechung der Kühlkette beim Transport der Probe erklären lasse. Die HSV/Vuskovic-Seite gehe daher mit einer Wahrscheinlichkeit von "80 bis 90 Prozent" von einer falsch-positiven Probe aus; Kreischa-Institutsleiter Voss widersprach, wollte sich aber auf keine Treffergenauigkeit festlegen.

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Die Beteiligten verlassen immer wieder die Sachebene, aber es geht nun mal um viel: Um die Karriere eines Verteidigertalents, um ein Millioneninvestment des HSV - und um die Reputation von Wissenschaftlern. Erhellendes beitragen soll nun Jean-François Naud, ein Epo-Spezialist aus Kanada, der vom Gericht für die Ausfertigung eines unabhängigen Gutachtens beauftragt wird. Nur: Naud gehört zusammen mit Kreischa-Mann Voss zu einem achtköpfigen Epo-Expertengremium, das die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) bei Epo-Fragen berät. Die HSV-Anwälte sehen darin eine zweifelhafte Nähe zwischen Naud und Voss und wollen dagegen vorgehen. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richters sollten sie sich da aber keine großen Hoffnungen machen. "Wir schließen Befangenheit aus", sagte Oberholz.

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