Gerrit Holtmann für die Philippinen:Tor auf Tagalog

Lesezeit: 2 min

Mann für besondere Treffer: Gerrit Holtmann nach seinem "Tor des Jahres" gegen Mainz. (Foto: Maik Hölte/Imago)

Beim VfL Bochum hat der pfeilschnelle Gerrit Holtmann maßgeblich zum Klassenerhalt beigetragen. International gab er nun sein Debüt für die Heimat seiner Mutter - spektakulär mit einem Siegtreffer in der Nachspielzeit.

Von Ulrich Hartmann

Wenn seine Mutter Tagalog spricht, versteht Gerrit Holtmann, 27, kein Wort. Dass der als Sohn eines Deutschen und einer Philippinin in Bremerhaven geborene Fußballprofi der Landessprache der Mutter nicht mächtig ist, hat ihn allerdings nicht davon abgehalten, jetzt für die philippinische Nationalmannschaft zu spielen. Holtmann hat das Sportschau-"Tor des Jahres" 2021 erzielt, ein Messi-Solo über den halben Platz gegen Mainz, und er bestritt für den Deutschen Fußball-Bund vor sieben Jahren mal fünf U20-Länderspiele. Doch er sah bessere Chancen auf internationale Einsätze bei den Philippinen, die auf Platz 133 der Weltrangliste liegen.

Nach mehreren geplatzten Debüts wegen Corona, fehlender Dokumente und einer Verletzung hat der Flügelflitzer des Bundesligisten VfL Bochum jetzt nicht nur erstmals für die Philippinen gespielt, sondern in der Qualifikation zum Asien-Cup gegen den Gastgeber Mongolei sogar den 1:0-Siegtreffer erzielt - in der 93. Minute. Dass es hinterher Nutella-Brote und mongolische Folklore gab, nahm Holtmann interessiert zur Kenntnis. Für ihn ist der asiatische Fußball ein großes Abenteuer. An diesem Dienstag geht es in der Hauptstadt Ulaanbaatar gegen den Gruppen-Ersten Palästina, am Mittwoch kehrt Holtmann dann nach Deutschland zurück, um gleich wieder in die Flitterwochen zu verreisen. Am Pfingstmontag hatte er geheiratet.

Seine Besuche in Asien empfindet er mitunter als "Kulturschock".

In der philippinischen Nationalmannschaft gibt es viele, die kein Tagalog sprechen - angefangen beim Trainer Tom Dooley, 61, der einst für Kaiserslautern, Leverkusen und Schalke gespielt hat, über die in München geborenen Brüder Manuel und Mike Ott, die ihre Laufbahn bei 1860 begonnen haben, den bei RB Leipzig ausgebildeten Oliver Bias und den gebürtigen Berliner Patrick Reichelt bis zum soeben von Erzgebirge Aue zu Hansa Rostock gewechselten John-Patrick Strauß, der zurzeit allerdings nicht beim Nationalteam dabei ist. Holtmann war erst ein paar Mal auf den Philippinen. Seit dem Herbst besitzt er einen philippinischen Pass.

Die Geschichte seiner Mutter erzählte er neulich in der Zeit: "Meine Mama stammt aus einem Dorf auf den Philippinen und ist nach Hamburg gegangen, weil es da einen Onkel gab; sie hat geputzt und später in einem Hotel gearbeitet. Erst seit ich älter werde, frage ich mal: Wie war deine Kindheit? Sie erzählt dann, dass sie zeitweise hungern musste."

Seine Besuche auf den Philippinen beschreibt Holtmann auch als "Kulturschock". Wenn er sehe, dass kleine Kinder Essen verkaufen, denke er: "Mit vier, fünf Jahren sollte ein Kind etwas anderes tun dürfen." Vielleicht so wie in Bochum, dort haben Kinder einer Grundschule vergangenes Jahr ein Lied für den VfL eingesungen mit dem Refrain: "Hier kommt der VfL, der Holtmann, der ist superschnell".

Und das stimmt. Mit in der Spitze mehr als 35 km/h ist Holtmann einer der schnellsten Spieler der Bundesliga. Fünf Tore und sechs Vorlagen in der abgelaufenen Saison machen ihn für Bochum wertvoll, doch 2023 läuft sein Vertrag aus. Das könnte bedeuten: Er verlängert oder wechselt. Nach Holtmanns Flitterwochen hofft der VfL auf sein Ja-Wort.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: