Bundesliga:Andrich trifft Berlin ins Herz

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Später Ausgleich: Robert Andrich (rechts) stochert den Ball an Berlins Keeper Alexander Schwolow vorbei ins Netz. (Foto: Boris Streubel/Getty)

Hertha BSC führt lange gegen den Favoriten aus Leverkusen - kassiert aber in der 90. Minute noch den Ausgleich. Zuvor wechselt Bayer-Trainer Seoane für die Schlussphase zwei 16-Jährige ein.

Von Javier Cáceres, Berlin

Wer sich am Sonntag der Heimstatt von Hertha BSC über den Olympischen Platz näherte, der konnte sich im falschen Film wähnen. Hertha gegen Leverkusen lautete die Ansetzung. Doch zum Stadion liefen zahlreiche Menschen mit gelbschwarzen Fahnen von Borussia Dortmund. Doch niemand hatte sich verirrt: Es waren Komparsen eines Filmprojekts. Und wenn der ein ähnlich dramatisches Ende haben sollte wie das Spiel vom Sonntag, darf man sich auf einen Thriller freuen: Leverkusen rettete durch den einstigen Unioner Robert Andrich in letzter Minute in Berlin ein 1:1.

"Ich habe selbst genug Fußball gespielt. In so einem Spiel musst du das 2:0 machen und gehst als Sieger nach Hause", sagte Hertha-Trainer Pal Dardai bei Dazn. "Nach dem 1:0 haben wir genug Umschaltmomente gehabt." Er bilanzierte: "Trotzdem können wir nicht unzufrieden sein, die Mannschaft hat eine gute Tagesform gezeigt, jeder hat gut gearbeitet. Bis zur 90. Minute war es okay." Abwehrspieler Niklas Stark sah "eine sehr gute Leistung", dennoch sei der späte Ausgleich "einfach bitter".

Das Spiel bot a priori beste Voraussetzungen, um ex post ein paar Erklärungen oder gar Ausreden zu Markte zu tragen. Am Donnerstag war Union als Zwischenmieter im Olympiastadion zu Gast, und auch wenn vor der Partie die schlimmsten Spuren beseitigt waren, so war doch selbst aus der Distanz unübersehbar, dass der Ball über den Rasen nicht laufen, sondern rumpeln würde. Wobei Leverkusen als nominell spielstärkere Mannschaft vorab bessere Aussichten zur Klage hatte, zumal sie am Donnerstag noch in der Europa League gegen Betis Sevilla hatte antreten müssen. Auch die Personalprobleme hatten sich kurzfristig verschärft: Florian Wirtz musste wegen muskulärer Probleme pausieren.

Auf zunehmend seifigem Grund entwickelte sich das unter anderen von Dardai prognostizierte Kampfspiel. Beiden Teams war gemein, dass sie die erstbeste Chance zum Abschluss nutzen wollten: Hier versuchte es Herthas Stevan Jovetic, der als Mittelstürmer den Vorzug vor Krzysztof Piatek erhielt; dort wiederum Andrich. Leverkusen versuchte sich, ohne die nötige Präzision, an ausgefeilten Spielzügen bis zur Grundlinie. Die Hertha wiederum heimste vor allem für die Konzentriertheit, mit der sie Konterversuche der Leverkusener paralysierte, Szenenapplaus von den nur spärlich gefüllten Rängen ein.

Und dann schlug sie drei Minute vor der Halbzeitpause zu, als der Rasen längst vor Schlaglöchern wimmelte wie eine Mondlandschaftskulisse für einen Kubrick-Film. Nach einer Kopfballabwehr von Jonathan Tah verlor Leverkusens Mittelfeldspieler Exequiel Palacios ein Kopfballduell gegen Maxi Mittelstädt; im Strafraum legte sich Jovetic den Ball mit rechts zurecht und zog mit links ab. Der Ball flog oscarverdächtig in den Winkel, Leverkusens Torwart Hradecky war ohne Chance.

Herthas Defensivarbeit funktioniert außerordentlich gut

Nach der Pause konzentrierte sich die Hertha auf das Geschäft, das sie schon in den vergangenen Wochen immer besser betrieben hatte: Die Berliner arbeiteten bissig gegen den Ball, zogen die Reihen eng zusammen und lauerten auf Chancen. Die beste Gelegenheit bot sich Jovetic. Nach einem Lupfer von Niklas Stark aus dem Halbfeld überriss er nicht, dass er allein im Strafraum stand und zog wie schon beim Tor sofort aus der Drehung ab - überhastet, wie sich hinterher sagen ließ. Es gab Momente, in denen Hertha sich etwas zu tief in den eigenen Strafraum drängen ließ. Alles in allem funktionierte die kollektive Defensivarbeit aber überaus gut. Die nötige Zweikampfhärte legten die Berliner auch an den Tag.

Leverkusen erhöhte den Aufwand, doch ohne rechte Ideen. Gefahr verströmte vor allem Spielmacher Kerem Demirbay, der es zwei Mal aus der Halbdistanz probierte. Beide Male reagierte Herthas Torwart Schwolow gut (70./71.). Am Ende sollten es zwei 16-Jährige richten: Trainer Gerardo Seoane schickte Iker Bravo und Zidan Sertdemir auf Leverkusener Seite in die Partie; Hertha antwortete unter anderem mit dem 34-jährigen Kevin Prince Boateng. Am Ende war es Andrich, der Leverkusen in letzter Minute einen Punkt sicherte. Er staubte nach einem Tumult im Anschluss an einen Freistoß ab. Und traf die Hertha nach aufopferungsvollem Kampf ins Herz.

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