Prozess um Herthas Ex-Torwart Jarstein:Zwei Fliegen sind mindestens eine zu viel

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Seit dem vergangenen Jahr nicht mehr im Tor der Hertha: Rune Jarstein. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Überraschung beim Prozess um die Entlassung von Rune Jarstein: Hertha BSC bot dem ehemaligen Torwart plötzlich einen neuen Vertrag an - und wollte damit direkt noch ein anderes Problem lösen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es ist nicht so einfach, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, darüber kann man sich seit Donnerstag mit den Verantwortlichen von Hertha BSC unterhalten. Am Donnerstag schickten sie ihren Anwalt Johan-Michel Menke in den Prozess mit ihrem ehemaligen norwegischen Torwart Rune Jarstein. Ziel war, ihm eine Abfindung von 250 000 Euro schmackhaft zu machen, die sich auf knapp die Hälfte der ausstehenden Gehaltszahlungen belaufen hätte. Jarstein, 38, war im November 2022 gekündigt worden. Ihm war vorgeworfen worden, Herthas Torwarttrainer Andreas Menger übel beleidigt zu haben.

Am Ende stand ein Kompromissvorschlag des Gerichts, der Hertha 350 000 Euro Abfindung kosten wird, sollte er von den Parteien angenommen werden. Doch die eigentliche Geschichte war eine andere: die Geschichte der zwei Fliegen, die verfehlt wurden.

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Die fußt vor allem auf den Einlassungen von Jarsteins Anwalt Horst Kletke; sie wurden von Herthas Anwalt in Grundzügen bestätigt. Laut Kletke hatten sich vergangene Woche erst Hertha-Präsident Kay Bernstein, dann Geschäftsführer Thomas E. Herrich bei Jarsteins Berater gemeldet. Sie sollen dem Norweger vorgeschlagen haben, den Rechtsstreit außergerichtlich zu beenden, ihm das ausstehende Gehalt zu zahlen, ihn eines Tages im Stadion in Ehren zu verabschieden und - vor allem - ihn wieder einzustellen. Und das, obwohl er seit dem vergangenen Jahr nicht mehr gespielt hat.

Auch mit Bobic sieht Hertha sich bald vor Gericht wieder

Aber Hertha hätte sich bei einer Neueinstellung Jarsteins eines anderen Problems entledigt und Marius Gersbeck ersetzen können. Der Torhüter ist seit einer Schlägerei im Trainingslager vom vergangenen Juli suspendiert und muss sich Ende September in Österreich wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht verantworten. Im Fall einer Verurteilung muss er um seinen Job bangen. Am Dienstag folgte im Fall Jarstein dann die Wende: Hertha zog das Angebot wieder zurück. Sagte Kletke - und lehnte die von Hertha eingangs offerierten 250 000 Euro als Abfindung ab.

Nun ist unter anderem ein Flurschaden zu begutachten. Zum einen weiß Gersbeck jetzt, dass Hertha einen Plan B verfolgte, nachdem bislang als sicher gegolten hatte, dass Bernstein für eine Begnadigung Gersbecks eintritt. Hätte Jarstein angenommen, wäre überdies interessant geworden, ob der Norweger und der Torwarttrainer Menger wieder zueinandergefunden hätten. Jarstein war ja gefeuert worden, weil er Menger bei einer Krisensitzung mit Geschäftsführer Fredi Bobic "Lügner", "Arschloch" und "unfähig" genannt haben soll. Jarstein behauptet indes, nur "sachliche" Kritik geäußert zu haben, er bestand daher auf der Zahlung der ausstehenden Bezüge in Höhe von 490 000 Euro.

Herthas Anwalt stellte zwar eine Beweisaufnahme anheim, doch daran zeigte die Richterin kein Interesse. Denn für Hertha wäre es interessant gewesen, bei einer solchen Beweisaufnahme zu verlieren. Jedenfalls hielt der Anwalt Herthas spitz fest, dass man Bobic dann wohl unterstellen müsste, mit falschen Informationen operiert zu haben, wenn sich ergeben sollte, dass Jarstein die Wahrheit gesagt habe. Wie gesagt, zwei Fliegen: Denn auch mit Bobic sieht Hertha sich bald vor Gericht wieder. Die Entlassung des Geschäftsführers wurde unter anderem mit angeblich vereinsschädigendem Verhalten begründet.

Interessant auch: Herthas Anwalt versuchte, die Urteilsverkündung so spät wie möglich zu terminieren, und bekam den 12. Oktober zugebilligt, sprich: nach dem Verfahren gegen Gersbeck. Sollte er danach vorbestraft sein, hätte Hertha ein paar Tage Zeit, Jarstein doch von einem Comeback zu überzeugen.

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