Frauenfußball:"Ich bin eine Mutter"

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Trainiert demnächst das "unglaublichste Team in der Geschichte des weltweiten Fußballs": Emma Hayes. (Foto: Jason Cairnduff/Action Images via Reuters)

Emma Hayes, Englands Vorbild als Fußballtrainerin, hört beim FC Chelsea auf und begründet ihren Schritt mit ihrem Familienleben. Kurz darauf verpflichtet sie der US-Verband als Nationalcoach - und prahlt mit ihrem Gehalt.

Von Sven Haist, London

"Oh, busy", sagte Emma Hayes zu Beginn der Pressekonferenz. So belebt dürfte es im Medienraum des FC Chelsea nicht annähernd zugegangen sein, als sie einst im August 2012 die Frauenmannschaft des Klubs als Trainerin übernahm. Der Anlass des Gesprächs am Freitag war eine vorherige Chelsea-Mitteilung, die ankündigte, dass sie zum Ende dieser Saison nach dann zwölf Dienstjahren zurücktreten werde. Der Andrang veranschaulichte das stark gewachsene Interesse an Englands Women's Super League - und vor allem auch das Interesse an Hayes selbst, eine der erfolgreichsten und renommiertesten Fußballtrainerinnen und Botschafterinnen ihres Sports.

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Die Aufmerksamkeit ihres ersten öffentlichen Auftritts nach Bekanntgabe dieser weitreichenden Entscheidung nutzte Hayes, 47, wie immer, um über die Herausforderungen ihrer Tätigkeit zu sprechen. Auf diese Art hatte sie maßgeblich dabei mitgeholfen, die Bedingungen im Frauenfußball für Spielerinnen und Trainerinnen in England zu verbessern. So führte die Nord-Londonerin aus dem Stadtbezirk Camden als Begründung für ihren emotionalen Abschied an: "I am a mum!" Ich bin eine Mutter.

Das Verhältnis zwischen Chelsea und Hayes ist angespannt

Trotz der Verpflichtungen gegenüber ihrem fünfjährigen Sohn habe sie, Hayes, für lange Zeit weiter dem Verein "ihr Leben gewidmet". Doch unter den resultierenden Belastungen leide immer mehr die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf. Allein die täglichen Fahrtstrecken würden wegen des Stadtverkehrs vier Stunden einnehmen, klagte sie, dazu die Spiele am Wochenende und die Reisen zu den Auswärtsmatches. Ihr Fazit: Es bestehe noch viel Verbesserungsbedarf im Fußball für Frauen mit Kindern. Daher sei ihr Entschluss keineswegs "egoistisch", sondern "selbstlos" gewesen, findet sie, weil sie nun eben "andere Dinge" in ihrem Leben priorisiere - zum Beispiel ihren Sohn.

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Eine offensichtlich abweichende Haltung zu ihrem überraschenden Abschied hat ihr bisheriger Arbeitgeber. Gleich im ersten Satz des Chelsea-Schreibens heißt es spitz, dass Hayes den Verein verlasse, um eine "neue Chance außerhalb des Klubfußballs" zu suchen. Die Formulierung befeuerte die Gerüchte, wonach Hayes ab Frühjahr 2024 den vakanten und überaus reizvollen Nationaltrainerposten der USA-Frauen übernehmen werde. Augenzwinkernd konterte sie noch, der Wortlaut suggeriere auch, dass sie Pilotin werden könnte.

Am Dienstagabend bestätigte der US-Verband die Verpflichtung der 47-Jährigen und gab an, sie sei damit die bestbezahlte Fußballtrainerin der Welt. Zwei Monate vor den Olympischen Spielen in Paris soll sie ihren neuen Job antreten. "Es ist eine große Ehre die Gelegenheit zu bekommen, das unglaublichste Team in der Geschichte des weltweiten Fußballs zu trainieren", wird Hayes in der Mitteilung zitiert. Sie habe lange davon geträumt, die US-Frauen trainieren zu dürfen.

Der Wechsel in die USA rückt ihren abrupten Abschied in ein kontroverses Licht. Hayes beklagte, dass "private Gespräche" mit Chelsea zu den Medien durchgedrungen waren. In mehreren Berichten war einerseits zu lesen, dass Chelseas Sportdirektor Paul Winstanley eine Vertragsverlängerung mit ihr eher nachrangig behandelt haben soll. Andererseits hieß es, dass sich Chelsea sehr wohl um einen Verbleib von Hayes bemüht hatte. Unstrittig sind Hayes' Verdienste um Chelsea.

Seit Beginn ihrer Tätigkeit etablierte sie die Blues als neue Nummer eins der englischen Frauen-Liga. Sie gewann mit ihren Teams insgesamt fünf FA-Pokale und sechs Meisterschaften, zuletzt vier davon in Serie. Nur der Champions-League-Titel fehlt ihr noch als Cheftrainerin. Zum Auftakt des Wettbewerbs tritt Chelsea am Mittwoch bei Real Madrid an. Es dürfte wieder busy werden.

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