Hannover 96 gegen Leverkusen:Wenn der Schnee ein sicher geglaubtes Tor verhindert

Lesezeit: 3 min

Wegen Schneefall unterbrach der Schiedsrichter das Spiel Hannover gegen Leverkusen. (Foto: dpa)
  • So chaotisch kann die Bundesliga sein: Heftiger Schneefall behindert die Partie Hannover gegen Leverkusen.
  • Eine Szene ist besonders kurios: Als Hannovers Japaner Haraguchi aufs leere Tor schießt, bleibt der Ball auf dem matschigen Boden liegen.

Von Carsten Scheele, Hannover

So ansatzlos, wie der Winter im März gekommen ist, ist er in Hannover auch wieder verschwunden. Als Genki Haraguchi am Montagmorgen aufgewacht ist, war der Schnee jedenfalls wieder weggetaut - der Japaner ist nun trotzdem eine Berühmtheit: Das Nicht-Tor dieser Spielzeit geht auf sein Konto, es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass sich an den verbleibenden neun Spieltagen eine noch kuriosere Szene ereignet. Ein gut geschossener Ball, der auf dem Weg ins Tor im Schnee kleben bleibt, eine Umdrehung vor der Torlinie - das hat es so noch nicht gegeben. Sogar der englische Guardian stellte in der Nacht zum Montag ein Video der Szene online, um seinen Leser zu zeigen, was in der Bundesliga so abgeht.

Dabei muss erwähnt werden, dass Haraguchi in der 33. Minute der Partie gegen Bayer Leverkusen beim Stand von 0:2 eigentlich vieles richtig gemacht hat. Der Japaner hatte ein Missverständnis zwischen Leverkusens Jonathan Tah und Torwart Lukas Hradecky ausgenutzt, den Ball stibitzt, bevor sich Tah und Hradecky auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnte. Als Haraguchi am Keeper vorbeiging und den Ball mittig aufs leere Tor schob, brach schon Jubel in der Arena aus.

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Die Leverkusener verlangsamten ihre Schritte in der Erwartung des sicheren Gegentreffers, der an allen anderen Tagen des Jahres auch gefallen wäre - nur nicht an diesem. Schicht um Schicht wickelte sich der pappende Schnee um das Spielgerät, je näher es dem Tor kam; schwer bepackt ging dem Ball schließlich die Kraft aus. Er rollte langsamer, als er den Fünfmeterraum fast durchquert hatte, blieb er liegen. Tah, der zuvor schon abgestoppt hatte, nahm den Ball auf und dribbelte davon.

Das Stadion brüllte immer noch, jetzt vor Entgeisterung. "Das passiert alle fünf Jahre mal", beklagte Hannovers Stürmer Hendrik Weydandt, der ahnte, was eine solche Szene im Abstiegskampf bedeuten kann: "Das Tor fehlt vielleicht am Ende der Saison." Es fehlte schon an diesem Abend, denn Hannover verlor das kurzweilige Schnee-und-Matsch-Duell mit 2:3 (0:2) gegen den Europapokal-Aspiranten. Kai Havertz erwirkte in der 88. Minute mit einem Kopfballtreffer die Entscheidung, zuvor war Hannover einem Punkt nahe gewesen, wenn nicht gar dem Sieg - erst recht, wäre Haraguchis Ball nicht kurz vor der Torlinie kleben geblieben. Doch so twitterten die Leverkusener erleichtert: "Puuh! Da müssen wir uns beim Schnee bedanken!!"

Die Schneeballschlacht war gewonnen, die Stimmung beim Sieger trotzdem zwiespältig. Leverkusen war froh, diese Partie überstanden zu haben; Trainer Peter Bosz konnte seinen Ärger über die Bedingungen aber nicht verbergen. Die Partie habe "nichts mit Fußball zu tun gehabt", klagte der Niederländer, der eine tiefergehende Analyse entsprechend auch verweigerte. Zumal zumindest der Verdacht im Raum stand, dass die Hannoveraner nicht alles getan hatten, um die Bedingungen in der Arena am Maschsee nach dem unerwarteten Wintereinbruch erträglicher zu gestalten.

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Zweimal musste Schiedsrichter Sören Storks die Partie in der ersten Halbzeit unterbrechen, als die Leverkusener einem dritten oder vierten Treffer ziemlich nahe gekommen waren. Beim ersten Mal fanden sich gerade drei (!) Stadionbedienstete, die mit Besen die Aus- und Torlinien wieder freilegten; das dauerte so lange, dass Leverkusens Kevin Volland, der nach seinen beiden Treffern (13. und 28.) besonders gut in Fahrt schien, mit den Füßen half, die Linien vom Schnee zu befreien.

Beim zweiten Mal schickte Storks die frierenden Spieler vorsorglich für einige Minuten in die Katakomben. In der Pause fanden sich dann immerhin zehn 96-Mitarbeiter mit Besen und Schneeschiebern, die aber wiederum nur die Strafräume freilegten. Der Rest des Feldes blieb schneebedeckt, "das war nicht zu unserem Vorteil", grantelte Bosz, der sah, dass sich seine feinfüßigen Techniker im seifigen Matsch doch schwerer taten als Hannovers Spieler, die seit Saisonbeginn im Abstiegskampf stecken und dem schönen Fußball längst abgeschworen haben.

"Gegen eine spielstarke Mannschaft waren die Witterungsverhältnisse auf unserer Seite", gab auch Hannovers Trainer Thomas Doll zu, der nun das fünfte von sechs Spielen als 96-Coach verloren hat. Doll hatte zwischenzeitlich gar mit einem Abbruch gerechnet, sah dann aber, wie 96 einem überraschenden Punktgewinn noch einmal nahe kam.

Während Leverkusen im allgemeinen Herumschlittern und Herumgestolpere irrtümlicherweise versuchte, weiter saubere Angriffe aufzuziehen, fand Doll die bessere Taktik: Er brachte zur zweiten Halbzeit den hochgewachsenen Weydandt; hoch und weit wurden die Bälle nun nach vorne geschaufelt. Der ein oder andere glitschte unkontrolliert durch den Strafraum; erst traf Jonathas per Kopf (51.) zum Anschluss, dann brachte Weydandt den Ball wuchtig aufs Tor, so dass Leverkusens Mitchell Weiser mit dem Oberschenkel ein Eigentor unterlief (73.).

Hannover drückte gar auf den Siegtreffer, die Fans brüllten, in dieser kuriosen Szenerie herrschte tatsächlich eine positive Stimmung in der Arena, wie so selten in dieser Saison, weil die verschiedenen Kräfte im Verein lieber alles dafür tun, bloß nicht einheitlich aufzutreten. Erst als Havertz traf, wurde es still. Seine Spieler säßen "klatschnass, völlig fertig und total traurig" in der Kabine, berichtete Doll. Er weiß: Acht Punkte beträgt der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz, fünf Punkte auf den Relegationsrang. Und eine bessere Gelegenheit, eine Mannschaft aus dem oberen Tabellendrittel zu schlagen, wird sich für 96 nicht mehr bieten als auf Schnee.

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