Handball-Bundesliga:Zwei Fulltime-Jobs sind einer zu viel

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Bald nicht mehr mittendrin: Raul Alonso wird das Traineramt aufgeben und sich wieder ganz auf seine Aufgaben als Sportdirektor konzentrieren. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Beides gleichzeitig geht nicht: Trainer Raul Alonso wird sich bei Erlangens Handballern ab sofort auf den Posten des Sportdirektors beschränken. Und als solcher zeitnah seinen Nachfolger präsentieren.

Von Ralf Tögel

Diese Feststellung ist René Selke wichtig: "Es war die Entscheidung von Raul." Der Geschäftsführer des HC Erlangen will damit betonen, dass der Handball-Bundesligist mit dieser Personalentscheidung keineswegs auf das Abschneiden in der abgelaufenen Saison reagiert, die von den Mittelfranken auf dem 13. Platz beendet wurde. Trainer Raul Alonso ist dennoch nicht länger Trainer.

Er war als Interimslösung im Januar 2022 auf den entlassenen Michael Haaß gefolgt - und hatte sein eigentliches Amt als Sportdirektor zusätzlich weiter ausgefüllt. Das war ihm nun zu viel geworden; Alonso ist der Meinung, dass diese Aufgaben bei dem sich stetig weiterentwickelnden Klub von einer Person nicht in genügendem Maße zu erfüllen sind. Auch der Ehrgeiz des Spaniers, der zuvor unter anderem beim belarussischen Champions-League-Klub Brest auf sich aufmerksam gemacht hatte, habe ihn zu diesem Schritt bewogen. "Das sind zwei Fulltime-Jobs bei wachsenden Anforderungen", so Selke, zudem habe Alonso eine Klausel im Vertrag, die ihm diese Möglichkeit offen hielt. Man habe dessen Entscheidung, in seine originäre Position zurückzukehren, "akzeptiert", sagt der Geschäftsführer, und Alonso zugleich bei der Suche nach einem Nachfolger in die Pflicht genommen. Mit Erfolg, wie der HCE mitteilt, man werde den neuen Coach zeitnah präsentieren, fruchtbare Gespräche würden längst geführt.

Angesichts des famosen Saisonbeginns (die Erlangener lagen zwischenzeitlich auf Tabellenplatz fünf, vor Magdeburg und Flensburg, und auch danach noch eine Weile auf einem Europacupplatz) habe mancher Beobachter die Gegebenheiten wohl ein wenig aus den Augen verloren, sagt Selke rückblickend. Klar, Rang 13 sei nun vergleichsweise unschön anzusehen, das schon, aber "in der Bundesliga gibt es ein unglaublich enges Mittelfeld", zwei, drei Ausrutscher genügen und man wird durchgereicht. Der Klassenerhalt war nie in Gefahr, auch auf diese Feststellung legt der Geschäftsführer Wert, und ja, besagte Ausrutscher habe es gegeben. "Da müssen wir gar nichts schönreden", erklärt Selke und erinnert sich an die Heimniederlage gegen Gummersbach oder die Abreibungen in Melsungen oder zuletzt bei den Rhein-Neckar Löwen.

Machulla dürfte zu teuer sein, Carstens geht wohl nach Wetzlar, aber Mayerhoffer könnte passen

Selke verweist zudem darauf, dass das Team 30 Punkte erspielt habe - ein Wert, der auch schon mal zum achten Platz in der Endabrechnung gereicht habe. Heuer nicht, und es muss auch erwähnt werden, dass der Kader nominell nie zuvor stärker aufgestellt war: Erlangen hat in dem Slowenen Klemen Ferlin sowie den Deutschen Christoph Steinert, Tim Zechel, Antonio Metzner und Sebastian Firnhaber eine ganze Reihe Auswahlspieler in seinen Reihen, die Schweden Hampus Olsson und Simon Jeppsson zählen zum erweiterten Nationalspielerkreis der Schweden. Qualität ist also reichlich vorhanden, allerdings musste Trainer Alonso allzu oft wegen vieler verletzter Spieler improvisieren. Zuvorderst ist hier Steffen Fäth zu nennen: Der Europameister von 2016 war der prominenteste Zugang in der Erlanger Historie, seine Qualitäten konnte der Rückraumspieler allerdings nur selten zeigen. "Gefühlt hatte Steffen hundert Verletzungen", sagt Selke, weshalb der 33-Jährige letztlich resignierte und seine Profilaufbahn beendete. In der kommenden Saison wird er zu seinem Heimatverein HSG Goldstein/Schwanheim zurückkehren - in die Bezirksoberliga.

Den Namen des neuen Trainers, der sich über die Zugänge des Schweden Jonathan Svensson (von Meister Ystadt), des Dänen Mads-Peter Lönborg (Kolding) und natürlich des spanischen Welt- und Europameisters Gedeon Guardiola (Lemgo-Lippe) freuen kann, will der HCE noch nicht nennen. Zumal der Verein nicht gerade für übereifrigen Aktionismus bekannt ist. Sondiert man den Markt aber nach möglichen Kandidaten, engt sich der Kreis schnell ein: Der von Flensburg entlassene Maik Machulla wäre einer, da läuft im Hintergrund aber noch ein gut dotierter Vertrag - Machulla dürfte zu teuer sein. Der von Wetzlar gefeuerte Benjamin Matschke ist im Hauptberuf Lehrer, was er dem Vernehmen nach nicht aufgeben will. Und der von Absteiger Minden freigestellte Frank Carstens steht bereits in Wetzlar in den Startlöchern. Bleibt Hartmut Mayerhoffer, der Ende vergangenen Jahres seinen Job bei Frisch Auf! Göppingen verloren hat - und sehr gut in das Erlanger Anforderungsprofil passen würde.

Der 53-Jährige hatte Göppingen vor einem Jahr mit dem sechsten Rang ins internationale Geschäft geführt. Mit neuem Kader und der Doppelbelastung blieben aber dann die Ergebnisse aus, was zu seiner Entlassung führte. Mayerhoffer gilt als akribischer und ehrgeiziger Profi mit großen Qualitäten in der Spielerführung. Die Bedingungen beim unaufgeregt aber stetig ambitionierter werdenden Erlanger Verein könnten gut passen.

Und wer kommt nun? René Selke will die Spekulationen nicht kommentieren. Raul Alonso wird aber ein gewichtiges Wort mitreden, auch diese Feststellung ist Selke wichtig.

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