Spielvereinigung Greuther Fürth:Aufstieg der Selbstverschwenderischen

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Feiern den fast schon abgeschriebenen Aufstieg in die Bundesliga: Torschütze Dickson Abiama (Mitte) und die Fürther. (Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Mit einem dramatischen 3:2-Sieg gegen Düsseldorf schafft Greuther Fürth den Aufstieg - als jüngstes Team, ausgestattet mit einem Mini-Etat.

Von Thomas Gröbner, Fürth

Wenn man ein Märchen erzählen wollte, dann konnte es für die Hauptrolle gar keine andere Besetzung geben als Dickson Abiama. Niemand in Fürth könnte das von Trainer Stefan Leitl ausgerufene Fußballmärchen besser verkörpern als der 22 Jahre alte Nigerianer aus der Millionenstadt Lagos, der binnen drei Jahren seinen Weg fand aus der Kreisklasse bis in die Bundesliga. Und im finalen Kapitel die Erlösung schaffte: Beim 3:2-Sieg der Fürther gegen Düsseldorf traf Abiama zum Sieg, der Fürth auf Platz zwei brachte und in die Bundesliga hievt. Der Fußballgott - Allmächd - scheint dieser Tage wohl tatsächlich fränkisch zu sprechen.

Der Aufstieg der Fürther, an dem sogar die Brüder Grimm Gefallen gefunden hätten, dürfte die Schwergewichte der Liga wie den Hamburger SV ins Grübeln bringen, deren Millioneninvestitionen beim Versuch, sich in die Bundesliga zurückzuwuchten, nur so verpuffen.

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Kurz die Eckdaten, um die Fallhöhe auszuloten für die Geschichte: Der Spieler-Etat von 8,5 Millionen Euro ist in der Liga eigentlich kaum konkurrenzfähig, zudem stellt die Spielvereinigung die jüngste Mannschaft aller Vereine. Nahezu jeder Gegner lobt den famosen Stil, mit dem die Elf von Stefan Leitl sich nun das Recht erspielt hat, sich zumindest für 34 Spiele zur Spitze des deutschen Fußballs zu zählen - was der Trainer zuvor noch als "Wunder" eingeordnet hatte und danach als ein Märchen begriff. Eines, das er aber schnell mit der brutalen Prosa des modernen Fußballbetriebs vermengte: "Dieses Märchen war zwingend notwendig, um weiter zu wachsen und auf Jahre konkurrenzfähig zu bleiben."

Dabei sah es am Samstag zunächst aus, als würde die Geschichte vielleicht doch nur eine Anekdote bleiben: Obwohl es für die Fortuna um nichts mehr ging, hatte Düsseldorf Lust, den Bösewicht zu geben, und ging durch Christoffer Peterson (26. Minute) in Führung. Nach einem Platzverweis gegen Fürths Abräumer Anton Stach kurz vor der Halbzeit schien die Hoffnung auf den direkten Aufstieg sowieso nur noch ein frommer Wunsch zu sein. Tabellenführer Bochum (gegen Sandhausen) und Kiel (gegen Darmstadt) führten beide 1:0, und Fürth brauchte ja einen Ausrutscher der Konkurrenz.

Die knifflige Frage war dann: Sollte Stefan Leitl seine Spieler schonen für die wohl anstehenden Relegationsspiele gegen den 1. FC Köln? Oder in Unterzahl auf die Wende hoffen und auf Schützenhilfe? Die Mannschaft wollte an die Wendung glauben.

Und tatsächlich: Selbstverschwenderisch fielen Leitls wilde Zehn über die Düsseldorfer her, die trotz Überzahl völlig den Faden verloren. Kapitän Branimir Hrgota glich per Foulelfmeter nach einem Handspiel aus (53.), Düsseldorf schlug in Person von Shinta Appelkamp zwar umgehend zurück (56.), doch Fürth glich durch Julian Green erneut aus (69.). Dieses Tor öffnete die Tür zur ersten Liga, weil der ehemalige Fürther Serdar Dursun parallel für Darmstadt gegen Kiel zweimal traf. Und dann kam Dickson Abiama.

Vor drei Jahren spielte Abiama noch in der Kreisklasse Nürnberg/Frankenhöhe

Abiama ist für Stefan Leitl der Mann für besondere Momente. Abiama trägt die Stutzen gerne wie Thomas Müller: Sie finden an den Waden keinen Halt und rutschen bis zu den Knöcheln. Abiama hat wie Müller aber auch ein Talent dafür, in besonderen Momenten am richtigen Ort aufzutauchen, er ist deshalb der beste Joker der Liga. Und nach einem Düsseldorfer Ballverlust kam dann wieder so ein besonderer Abiama-Moment: Er lief alleine auf Schlussmann Florian Kastenmeier zu und traf, als wäre es ein Kreisklassenspiel gegen die Sportfreunde Großgründlach. Sein sechstes Joker-Tor (83.) markierte den Schlusspunkt einer fabelhaften Entwicklung.

Vor drei Jahren hat Abiama noch für die SpVgg Mögeldorf in der Kreisklasse Nürnberg/Frankenhöhe, Staffel 4 gespielt. Über den Landesligisten Quelle Fürth und den Bayernligisten SC Eltersdorf kam er 2020 zur SpVgg Fürth. Manager Rachid Azzouzi erkannte sein Talent gleich, als Abiama in einem Testspiel gegen Fürth traf, und stattete ihn sofort mit einem Vertrag aus. Von der Kreisklasse in die Bundesliga in nur drei Jahren: Es ist eine Geschichte, die das Herz wärmt im oft so kühlen Fußballbetrieb, in dem immer seltener die Kleinen die Großen ärgern.

Das darf auch für das ganze Fürther Team gelten, das eine erstaunliche Mischung ist aus Eigengewächsen und Spielern, die auf dem zweiten Bildungsweg nochmal die Chance suchen, sich in der Bundesliga zu beweisen: der ehemalige Guardiola-Schüler und FC-Bayern-Spieler Julian Green etwa, der Norweger Havard Nielsen und der Schwede Branimir Hrgota, der in Fürth zum Kapitän gereift ist.

Doch Manager Azzouzi hat nun alle Hände voll zu tun, die Mannschaft zusammenzuhalten, nach dem zweiten Bundesliga-Aufstieg in der Geschichte der Spielvereinigung nach 2012. Die Verträge von Nielsen und Hrgota laufen aus, der Fürther Erfolg weckt Begehrlichkeiten. In David Raum (nach Hoffenheim) hat die Mannschaft bereits den besten Vorbereiter der Liga verloren. Und auch der Trainer gab sich nach dem Spiel kryptisch, der Bundesliga-Absteiger Werder Bremen soll Interesse haben. Aber Leitl weiß auch: Dieses Märchen muss mit dem Fürther Aufstieg noch nicht enden.

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