Rassismus beim Pokalspiel:Zornigers Rede gegen das "braune Gesocks"

Lesezeit: 2 min

Macht seinem Ärger auch nach dem Pokalspiel Luft: Fürths Trainer Alexander Zorniger. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Der Fürther Sieg im Pokalspiel beim Drittligisten Hallescher FC wird durch rassistische Rufe überschattet. Fürths Trainer Zorniger gibt danach eine bemerkenswerte Pressekonferenz.

Von Christoph Ruf

Alexander Zorniger hatte nach dem 1:0 Sieg im DFB-Pokal-Erstrundenspiel beim Drittligisten Hallescher FC nicht das geringste Bedürfnis, das Spiel zu analysieren. Stattdessen berichtete der Trainer des fränkischen Zweitligisten, dass sein Spieler Julian Green rassistisch beleidigt worden sei, und ließ ein ziemlich beeindruckendes Statement folgen: "Das Stadion war zu 95 Prozent ausverkauft. Da hat jeder gehört, was der andere gesagt hat. Wenn dann jemand das dritte oder vierte Mal Affe zu einem Spieler sagt, dann muss ich sagen: Halt die Klappe! Ich kann's nicht mehr hören", so Zorniger. Bei dem Thema gebe es nichts zu relativieren. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass wir, egal wo - ob in Fürth, Nürnberg oder Rostock -, tatsächlich noch in einer Zeit leben, wo irgendeiner denkt, er sei mehr wert als ein anderer. Wenn wir das nicht machen, dann kriegt das braune Gesocks, das auch noch im Bundestag sitzt, immer mehr Oberwasser. Das darf nicht passieren. Das ist unser Job und nicht der irgendwelcher Regierungen oder Institutionen."

Zornigers Behauptung, dass Green "nicht nur ein, zwei oder drei Mal" rassistisch beleidigt worden sei, muss man dabei wohl konkretisieren: Es gab mehrere Beleidigungen gegen verschiedene Fürther Spieler und Funktionäre. Green selbst berichtete nur von einer Szene, als er einen Einwurf ausführte. Zudem wurde zum Beispiel eine Mitarbeiterin der Fürther Pressestelle von einem Hallenser Fan beleidigt. Wer die Wortwahl nicht wiedergeben will, kann sie mit sexistisch und innerdeutsch-diskriminierend umschreiben. Wegen der Vorkommnisse war auch Sportdirektor Rachid Azzouzi nach dem Spiel völlig außer sich und stürmte wutentbrannt in die Schiedsrichterkabine.

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Zorniger hielt am Samstag im Übrigen nicht nur ein sehr beeindruckendes Statement in Sachen Zivilcourage, er vermied es auch, den Heimverein an den Pranger zu stellen. Im Gespräch mit der HFC-Pressesprecherin Lisa Schöppe, die sich nach der Pressekonferenz auch unter vier Augen nochmals entschuldigte, betonte Zorniger, dass "so etwas auch bei uns vorkommen könnte". In Fürth mit seiner politisch klar verorteten Ultra-Szene ebenso wie auf den Tribünen würde das dann doch sehr überraschen, die Wahrscheinlichkeit, dass ein "Affe"-Rufer dort Kontra bekäme, ist recht hoch.

Und doch greift das dann rituell einsetzende Ost-Bashing, wie es schon am frühen Abend in den sozialen Medien einsetzte, zu kurz. Denn es ignoriert zwei Dinge: Zum einen, dass drei der vielleicht antifaschistischsten Kurven der Republik in Babelsberg, Jena und bei Chemie Leipzig sind - also bei drei Ostvereinen. Und zum Zweiten, dass sich auch flächendeckend vieles geändert hat. Es ist noch nicht lange her, da hätten die Offiziellen auch dort relativiert ("Einzelfälle"). Am Samstag reagierten die Vereinsmitarbeiter sofort und eindeutig und zeigten Haltung. Vor Ort, neben den Presseplätzen. Und - vielleicht noch wichtiger - auch öffentlich.

HFC-Sprecherin Schöppe weicht sofort von der Pressekonferenz-Routine ab

So tat HFC-Sprecherin Schöppe nach Zornigers Statement das einzig Richtige, indem sie sofort von der Pressekonferenz-Routine abwich. Stattdessen entschuldigte sie sich im Namen des Vereins. Danach informierte sie Sportdirektor Thomas Sobotzik, der ebenfalls betroffen wirkte, und ließ ein Statement gegen Rassismus und Antisemitismus posten.

Das sportliche Geschehen trat natürlich in den Hintergrund. Fürth, das nach dem 5:0 gegen Paderborn und anschließender 1:2-Niederlage in Kiel noch ein wenig auf der Suche nach einer realistischen Selbsteinschätzung ist, setzte sich verdient gegen eine HFC-Mannschaft durch, die nach dem Platzverweis von Erich Berko (45.) eine Halbzeit lang zu zehnt spielte. Immer dann, wenn Fürth seine Tempo-Vorteile ausspielte, wurde es gefährlich. So wie bei der frühen Führung, als Tim Lemperle Armando Sieb bediente und der den einzigen Treffer des Tages schoss (18.). Die zuletzt wenig glorreiche Fürther Pokalhistorie - in der vergangenen Saison schied man beim damaligen Oberligisten Stuttgarter Kickers aus - könnte in dieser Spielzeit also etwas aufgehübscht werden. Die zweite Runde ist jedenfalls schon mal erreicht.

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