Dem Profifußball wird, mit gewissem Recht, vieles vorgehalten. Eine Kommerzmaschine sei er, eine Knochenmühle, eine kalkulierte Show mit der immer gleichen Pointe: Am Ende gewinnt der FC Bayern. Der Profifußball reklamiert andererseits für sich, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können: verlässliche Unterhaltung am Wochenende. Und wichtige Menschen des Profifußballs betonen, dass Rassismus in ihrem Hoheitsgebiet seltener zu diagnostizieren sei als anderswo in der Gesellschaft. Weil in einer Mannschaft der Wert von Gemeinsamkeit erlernt werden kann. Wenn einer im Mittelfeld einen Fehler macht, ist ihm egal, ob derjenige, der den Fehler dann in der Abwehr ausbügelt, schwarz oder weiß oder gelb oder grün ist.
Aber der Fußballer lebt und überlebt nicht nur im schützenden Kreis der Spielgefährten. Er muss koexistieren mit Fans und Journalisten; mit Interpreten und Gegnern aller Art. Davon erzählt diese Dokumentation des Filmautors Torsten Körner, in der nicht wieder mal Weiße über das reden, was sie für Rassismus halten. Es berichten ausschließlich Menschen, die rassistisch beleidigt wurden oder werden, kein Off-Kommentar relativiert oder glättet. Dazu ziehen Bilder vorbei, die Nationalmannschaft der Siebziger, der Sandplatz von Malta, der "Sportschau"-Moderator Ernst Huberty, später das Stadion der Freundschaft in Cottbus, die wildbewegten Fahnenmeere während des Sommermärchens.
"Ich wollte immer den Adler auf der Brust tragen. Im Nachhinein bedauere ich das"
"Schwarze Adler" heißt dieser sehenswerte Essay. Das Wappen auf dem weißen deutschen Nationaltrikot ist ein schwarzer Adler, früher gestickt, später gedruckt, auf den Stoff gebügelt. Die wenigen schwarzen Spieler in der deutschen Nationalmannschaft hatten zum schwarzen Adler ein ambivalentes Verhältnis, er verursachte Stolz, er verursachte Schmerz. Erwin Kostedde sagt: "Ich wollte immer den Adler auf der Brust tragen. Im Nachhinein bedauere ich das. Ich bin nie damit warm geworden."
Erwin Kostedde, Sohn eines GIs und einer deutschen Mutter, der erste Schwarze in der deutschen Nationalmannschaft. Geboren 1946, groß geworden im Wirtschaftswunderland Deutschland, in dem der Rassismus loderte. Wenn Kostedde auflief, raunte das Publikum: "Kuck mal, der Schwatte - das hätt's bei Hitler nich gegeben." Als er später für Kickers Offenbach spielte: "Zehn Schwule und ein Nigger - das sind die Offenbacher Kicker."
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Kostedde war Torjäger in allen Vereinen, für die er spielte. Für die deutsche Nationalmannschaft: drei Spiele, null Tore. Er trug die 9, er war Nachfolger des deutschen Paradeangreifers und Kartoffelsalatfreundes Gerd "Bomber" Müller. Der Druck war groß, zu groß. Sie haben ihm beim DFB aber auch nicht genug geholfen, mit dem Druck klarzukommen. "Wie das ist, mit so einer Hautfarbe durch Deutschland zu laufen, das können Sie sich gar nicht vorstellen", sagt Kostedde. Stundenlang stand er als Kind mit Kernseife am Waschbecken, stundenlang wusch er sich, um weißer zu werden.
Körner kombiniert die Reflexionen der Spieler mit Zitaten und rassistischen Sequenzen aus der Populärkultur. In einer Fernsehshow wurde 1973 der Entertainer Roberto Blanco zum Schein in eine Waschmaschine gesteckt und mit Waschpulver bearbeitet, Slogan: "Mit Blanco 73 wird alles herrlich weiß - auch farbige Sachen." Das Motiv des Reinwaschens findet sich auch in der Geschichte von Steffi Jones, Tochter eines afroamerikanischen US-Soldaten und einer deutschen Mutter, später Fußball-Weltmeisterin, Bundestrainerin. Als kleines Mädchen stand auch sie im Badezimmer und sagte: "Mama, wenn ich mich ganz doll wasche, werd' ich dann auch so weiß wie du?"
In dem Land, das einen Adler im Wappen trägt, ist Steffi Jones mitsamt ihrer Familie permanent verletzt, diffamiert, entwertet worden. "Meine Mama hat ein sehr schweres Leben gehabt. Das haben wir Kinder erst später erfahren: dass man sie immer wieder als Negerhure beschimpft hat." Andererseits: Das Land, dessen Nationalteam einen schwarzen Adler auf dem Trikot trägt, ist auch ihre Heimat. Steffi Jones sagt: "Das war für mich immer mit Stolz verbunden, dass ich für mein Vaterland spielen darf."
Zitate von manchmal erschütternder Tiefe greift niemand im Vorbeigehen ab. Filmautor Körner hat Vertrauen aufgebaut, er geht seine Projekte gründlich an, das hat er schon früher mit Biografien von Beckenbauer und Götz George bewiesen. Für diesen Film hat er so gut wie alle People of Color befragt, die im deutschen Fußball ihr Glück gesucht und nicht immer gefunden haben. Guy Acolatse, der in den Sechzigern bei St. Pauli gekickt hat. Der ehemalige Bremer Rigobert Gruber. Die Jamaikanerin Beverly Ranger, die 1975 das Tor des Monats geschossen hat. Und viele andere.
Das ist der Blick ins Detail. Auch die langen Linien werden beschrieben, Rassismus in der Gesellschaft, Rassismus im Fußball. Der Rassismus lodert vielleicht nicht mehr. Aber er lauert, schwelt.
Dabei schien die Idee vom weltoffenen Fußballland Germany zwischenzeitlich mehr zu sein als eine Idee. 2006, bei der WM in Deutschland, bejubelten die Fans auch den Nationalspieler Gerald Asamoah, geboren in Mampong, Ghana. Aber das war nur eine Blüte des Events.
Der Rassismus ist aus dem deutschen Fußball bis heute nicht verschwunden
Asamaoh wurde schon kurz nach der WM bei einem Spiel in Rostock rassistisch beleidigt, wie er weit vor der WM in Cottbus beleidigt worden war. Er benötigte in seiner Biografie einen einzigen Satz, um seine innere Zerrüttung klarzumachen: "Die Zuschauer in Cottbus hatten beschlossen, mich und Otto Addo psychisch zu demolieren." Otto Addo, inzwischen im Trainerstab von Borussia Dortmund, sagt im Film: "Ich habe Kontakt zu ganz normalen Menschen, und das sind dieselben Probleme wie vor 20, 30 Jahren. Ob das bei der Wohnungssuche ist, bei der Jobsuche oder einfach im Alltag, wo bestimmte Sachen passieren. Da hat sich nicht viel verändert."
Man entwertet nicht die antirassistischen Initiativen im Fußballbetrieb, viele von Ultragruppen übrigens, wenn man zusammenfasst: Rassismus ist aus dem deutschen Fußball nicht verschwunden. Ja, er hat sich abgeschwächt, gewandelt - aber manchmal formiert er sich auch neu. Wenn AfDler und andere Hetzer im Netz Stimmung gegen die Migranten in der Nationalelf machen: "Zur nächsten WM wieder mit einer echten Nationalmannschaft." Die Marketing-Experten im DFB verpassen dem Team social-media-taugliche Slogans wie das angeblich die Gemeinschaft feiernde, in Wahrheit aber restlos banale #zsmmn. Und mit Slogans schützt der DFB die schwarzen Spieler der Zukunft so wenig, wie er die schwarzen Spieler der Vergangenheit geschützt hat.
Böse gemeint hat es natürlich der "Sportschau"-Moderator Ernst Huberty damals nicht, als er 1975 sein Interview mit Beverly Ranger einleitete mit einem Schlagertext von Vico Torriani: "Schön und kaffeebraun, sind alle Fraun aus Kingston Town." Er wollte ihr wohl schmeicheln. Man hat diese Passage schon öfter gesehen. Und man hat sich dann als weißer Zuschauer entschlossen, das Ganze jetzt mal nicht zu hoch zu hängen. War halt eine andere Zeit, 1975. Bereichernd, dass nun Beverly Ranger die Möglichkeit hat, zu erzählen, wie sie das damals wahrgenommen hat. Auf ihr Empfinden kommt es schließlich an. "Ich war jung, und es ging so schnell. Um ehrlich zu sein, es gefiel mir nicht, wie ich vorgestellt wurde", sagt Beverly Ranger: "Aber wir lernen immer dazu. We live and learn."
Das ist, der Film über die schwarzen Adler beweist es, wie immer die allergrößte Herausforderung.
"Schwarze Adler", 18. Juni, ZDF, 23.30 Uhr, und auf Amazon Prime