Geschichten von Real und Bayern:Als alle Münchner Rot sahen

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Blutige Nasen, Spielabbrüche und Angriffe auf Linienrichter: Das Duell zwischen dem FC Bayern und Real Madrid liefert seit dem ersten Treffen 1976 viele Geschichten - nicht nur aus sportlicher Sicht. Sogar Freundschaftsspiele wurden zwischen den beiden Teams schon mal zu ganz ernsten Angelegenheiten.

Javier Cáceres, Madrid

Wenn die Spieler des FC Bayern das Bernabéu-Stadion betreten, werden sie zu ihrer Linken auf ein gigantisches Mosaik blicken. Auf der Südtribüne, wo die Ultras von Real Madrid stehen, wird an einen der legendären Glaubenssätze der vor 20 Jahren verstorbenen Vereins-Ikone Juan Gómez González alias "Juanito" erinnert: "Noventa minuti en el Bernabéu son molto longos" (90 Minuten im Bernabéu sind sehr lang).

Den Spruch präsentierte Juanito in einem Europacup-Spiel gegen Inter Mailand, um die Gegner einzuschüchtern, und er ist den Madridistas, den Real-Fans, nicht nur als Prophetie eines Klubheiligen - Real Madrid kam damals durch eine legendäre Aufholjagd weiter - in Erinnerung, sondern außerdem als ziemlich lustig: Juanito warf Italienisch und Spanisch fast schon trappatonisch durcheinander.

Juanito ist auch in der Chronik der Duelle zwischen dem FC Bayern und Real Madrid verewigt. Im Olympiastadion trat er Lothar Matthäus 1987 auf den Kopf, als Revanche für ein brutales Foul von Matthäus an Chendo, dem heutigen Mannschaftsbetreuer von Real. Man sieht sich immer mehrmals im Leben . . .

Saison 1975/76, Halbfinale Europapokal der Landesmeister: Es war die Gründungsstunde dieses deutsch-spanischen Derbys. Der FC Bayern kam nach einem 1:1 im Hinspiel und einem 2:0 im Rückspiel ins Finale (1:0 gegen AS St. Étienne). Erst gab es Tumulte, weil der argentinische Stürmer Roberto Martínez sich bei einem Zusammenprall mit Bayern-Torwart Sepp Maier eine blutige Nase holte. Dann sprang ein Fan mit weißer Pudelmütze aufs Feld und versetzte dem österreichischen Schiedsrichter Erich Linemayr eine Gerade ans Kinn. Das Bernabéu-Stadion wurde in erster Instanz für fünf Jahre gesperrt. In zweiter Instanz wurde die Platzsperre verringert: auf drei Partien. Im Rückspiel ging es relativ gesittet zu: Nur Amancio sah Rot.

5. August 1980: Real Madrid, damals knapp bei Kasse, trat im Olympiastadion zu einem Freundschaftskick an. Doch dem FC Bayern hatte offenbar niemand gesagt, dass da eine Urlaubertruppe anreist. Resultat: Bayern siegte gegen das große, ruhmreiche Real Madrid 9:1, das entsprechend gedemütigt war. Trainer Vujadin Boskov sagte: "Besser einmal mit neun Gegentoren verlieren als neun Mal mit einem."

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September 1981: Der FC Bayern revanchiert sich für die Visite und nimmt am Sommerturnier "Trofeo Santiago Bernabéu" teil. Im Spiel um den dritten Platz gegen Dynamo Tiflis kommt es zu einem Eklat. Schiedsrichter Pes Pérez schickte erst den heutigen Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vom Platz, weil er, dem Publikum zugewandt, sehr ausdrücklich zwischen die eigenen Beine griff. Dann zeigte er Paul Breitner Rot, weil der ihm einen Vogel zeigte. Uli Hoeneß holte dann die Spieler vom Platz.

Uli Hoeneß 1976 in Madrid: Tumulte und eine Attacke auf den Schiedsrichter (Foto: imago sportfotodienst)

Hoeneß soll in der Pause versucht haben, Pérez mitzuteilen, dass sie doch gerne weiterspielen würden. Aber Pérez sagte, dass das nicht mehr gehe: Er hatte im Spielbericht notiert, dass er alle Bayern-Spieler mit Rot bedacht habe. Hoeneß wurde neulich in der Zeitung As mit dem Satz zitiert, der Schiedsrichter sei damals total verrückt gewesen. "War ich aber nicht und bin ich nicht", antwortete Pes Pérez im selben Blatt: "Ich behalte mir vor, ihn vor die spanische Justiz zu ziehen." Dass Hoeneß an diesem Mittwoch in Madrid verhaftet wird? Unwahrscheinlich. Die Mühlen der Justiz in Spanien mahlen langsam.

Apropos "Trofeo Santiago Bernabéu": Vor ein paar Jahren entdeckte ein Fotograf von AS die Trophäe in der Bayern-Geschäftsstelle unter einer Treppe. Kam nicht so gut an. Und wurde jetzt natürlich wieder hervorgekramt.

April 1987: Ein denkwürdiges Halbfinale im Europacup der Landesmeister. Hinspiel in München 4:1, Juanito tritt Matthäus, Augenthaler zeigt mit den Zeigefingern an der Stirn zwei Hörner: Ja, sind wir denn hier beim Stierkampf? Rückspiel 0:1 - der FC Bayern verliert das Wiener Finale gegen den FC Porto.

April 2002: Uli Hoeneß wird vor dem Viertelfinale mit Worten zitiert, die in spanischen Ohren aggressiv klingen. Real sei ein einziges Affentheater, ein Zirkus. Oliver Kahn ergänzt, dass die Galácticos schöne Werbefilmchen drehen würden, aber nicht mehr Fußball spielen. Und sagte, dass sie ihm niemals zwei Tore einschenken würden. Taten sie aber doch: Real Madrid kam mit einem 2:0 ziemlich souverän weiter.

Februar/März; 2004, Achtelfinale: Claudio Pizarro sagt: "Diesen Clowns schenken wir fünf Tore ein." Aber dann kam Madrid doch weiter, ohne Roberto Carlos, der wegen einer Tätlichkeit gegen Martin Demichelis mit zwei Spielen Sperre bedacht wurde. Die Spanier ärgerte dies doppelt: Demichelis soll Roberto Carlos verbal provoziert haben (denkbar), zudem wurde ein Fernsehbeweis herangezogen (in Spanien undenkbar).

Februar/März 2007: Ein paar Minuten vor Schluss trifft der Niederländer Mark van Bommel im Bernabéu-Stadion zum 3:2 - und feiert das durch eine obszöne Geste, die in Barcelona noch immer gefeiert wird. Er machte den so genannten Corte de mangas, schlug sich also mit der Hand auf den Oberarm. Im Rückspiel schlug Bayern Real mit 2:1 - und kam weiter. Besondere Vorkommnisse: Real Madrids Verteidiger Sergio Ramos holte sich eine blutige Nase.

© SZ vom 25.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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