Garcia-Report:Infantinos riskante Rochade

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Fifa-Präsident Gianni Infantino. (Foto: dpa)

Der Garcia-Report liefert schillernde Lektüre zu den WM-Vergaben an Russland und Katar - anklagereif sind die Erkenntnisse aber nicht. Nützt die Veröffentlichung am Ende der Fifa selbst?

Kommentar von Thomas Kistner

Viel Lärm wieder um den Fußball-Weltverband. Den bewegt ja nun ein neues Thema, das eigentlich drei Jahre alt ist. Und die Vermutung, es könnte der Fifa-Spitze in eine dreiste Strategie passen, ist nicht ganz abwegig.

Die Bild-Zeitung berichtete aus dem bisher gut verwahrten Garcia-Report, den der frühere Fifa-Chefermittler Michael Garcia zu den Vergaben der WM-Turniere 2018 an Russland und 2022 an Katar verfasst hatte. Es gab und gibt massive Indizien, aber eben doch keine rechtlich kausalen Belege für Stimmenkauf: So, wie das 2014 der damalige Chef der Ethikspruchkammer, der Münchner Richter Hans- Joachim Eckert, in einer Analyse des Reports festgestellt hatte.

Das wirkte schon damals verharmlosend, denn dass Katar an der WM-Vergabe gedreht hatte, erscheint jenseits jeden Zweifels dokumentiert. Noch absurder stellte sich die Situation um Russland dar: Die Ex-Bewerber ließen Garcia gar nicht erst ins Land. Und ihre Computer erklärten sie für längst verschrottet.

Aber: Eckert hat sich stets gesträubt, den Report zu publizieren. Die Fifa, damals unter Sepp Blatter, gab Garcias Bericht der Schweizer Bundesanwaltschaft, zur etwaigen Ermittlung. Verfasser Garcia selbst war so erzürnt über Bewertung und unspektakulären Umgang mit dem Papier, dass er den Job hinwarf.

Garcias Bericht bietet schillernde Lektüre, anklagereif ist es nicht

Deshalb gab es stets zwei Spekulationen zum Report. Entweder birgt er doch so harte Beweise, dass es einen oder gleich beide WM-Veranstalter hinwegfegen müsste, wenn das publik würde. Oder er ist so vage, wie ihn Eckert beschrieben hat. Stets galt letztere Option als wahrscheinlicher. Nun zeigt sich: Garcias Bericht bietet schillernde Lektüre, anklagereif ist es nicht, was der US-Jurist zu den WM-Küren zusammentrug.

Spannender sind andere Fragen. Will die Fifa den Vorgang nutzen, um ihren umstrittenen WM-Ausrichter Katar anzuzählen, der politisch ohnehin im Treibsand steckt? Will die Fifa mit der Veröffentlichung des Papiers der Welt endlich jene Transparenz simulieren, von der ihr affärengestählter Präsident ständig erzählt? Und falls ja: Hat Gianni Infantino die Sache bis zum Ende durchgedacht? Es ist so: Die Fifa hätte den Report seit 2014 offenlegen können. Deshalb wirkt dieser Coup nun inszeniert: ein Befreiungsschlag. Denn die Fifa steckt tiefer denn je in der Glaubwürdigkeitskrise, nachdem Infantino beim Kongress im Mai die Chefethiker Eckert und Cornel Borbely im Handstreich abserviert hatte. Er wollte die unbeugsamen Aufpasser loswerden, die Blatter zu Fall gebracht und auch schon gegen ihn ermittelt hatten.

Jetzt also soll eine neue Fifa leuchten; eine, die sogar den sagenumwobenen Garcia-Report publiziert. Was abgekartet wirkt, ist aber nicht ungefährlich. Für Katar warb damals ja auch Michel Platini, zu der dubiosen Rolle des früheren Chefs der europäischen Fußballunion Uefa ermittelt heute sogar Frankreichs Justiz. Platinis Vertrauter und rechte Hand war sein Generalsekretär. Der Uefa-Mann spielte in Garcias Arbeit keine Rolle, wurde nie befragt. Das sieht heute anders aus. Heute spielt er eine Rolle, denn er heißt: Gianni Infantino.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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