Fußball-Weltverband:Fifa entledigt sich ihrer Jäger

Gianni Infantino

Gianni Infantino: Das Aufklärer-Duo war ihm schon lange ein Dorn im Auge

(Foto: AP)
  • Das Council des Fußball-Weltverbands entlässt die Vorsitzenden der unabhängigen Ethikkommission: den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert und den Schweizer Chefermittler Cornel Borbely.
  • Der sportpolitische Coup trägt die Handschrift von Gianni Infantino. Das Ethiker-Duo saß dem Fifa-Boss seit dessen Amtsantritt vor 14 Monaten im Nacken.
  • Nach dem Kongress, der am Donnerstag den Rauswurf formal abnicken wird, wäre Infantino erneut ins Visier der Ethiker gerückt.

Von Thomas Kistner

Am Dienstagabend in Bahrain wurde vollzogen, was die Fifa-Spitze von langer Hand vorbereitet hatte: Das Council des Fußball-Weltverbands entließ die Vorsitzenden der unabhängigen Ethikkommission. Der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert und der Schweizer Chefermittler Cornel Borbely stehen nicht auf der Vorschlagsliste der Kandidaten für den Wahl-Kongress am Donnerstag. Dabei hatten die renommierten Juristen sogar öffentlich klargemacht, dass sie ihre rigorose Aufklärungsarbeit im Fifa-Korruptionssumpf fortsetzen wollten.

Die Ratssitzung zog sich über den ganzen Tag, entgegen der endlosen Reform- und Transparenzversprechen hatte der Weltverband den Vorständen nicht mal seine Agenda für den Kongress vorab dargelegt. So wurde nun um vieles zäh gerungen - den Tiefpunkt bildete der Coup gegen die beiden Kammerchefs des bisher so erfolgreich arbeitenden Ethiker-Stabes.

Der sportpolitische Coup trägt die Handschrift von Gianni Infantino. Das Ethiker-Duo war dem Fifa-Boss seit dessen Amtsantritt vor 14 Monaten ein Dorn im Auge. Die zwei hatten nicht nur mit der Verbannung der mächtigen Kickerfunktionäre, Sepp Blatter und Infantinos Förderer Michel Platini, ihre Unabhängigkeit demonstriert. Sie führten 2016 auch Vorermittlungen gegen den neuen Fifa-Chef selbst. Infantino war mit Privatjet-Flügen und anderen Eskapaden in den Fokus gerückt.

Einmischung bei Wahl?

Diese Arbeit wäre fortgesetzt worden: Nach dem Kongress, der am Donnerstag den Rauswurf formal abnicken wird, wäre Infantino erneut ins Visier der Ethiker gerückt. Laut Zeugen soll er bei der Inthronisierung seines Getreuen Ahmad Ahmad (Madagaskar) im Afrika-Verband Caf mitgewirkt haben; die Regeln der angeblich reformierten Fifa verbieten dem Präsidenten jede Einmischungen in solche Wahlen. Infantino weist alle Vorwürfe von sich.

Aber auch seinem Getreuen, dem neuen Afrika-Chef Ahmad, hätte nun eine Ermittlung gedroht. Die US-Justiz hat soeben einen anderen Fifa-Funktionär, Richard Lai (Guam), angeklagt, der eine Million Dollar Schmiergeld kassiert hatte; Lai ist geständig. Laut Justizdokument gibt es zu den Geldflüssen auch einen Mailverkehr Lais mit Katars korruptem Ex-Fußballchef Mohamed Bin Hammam. Ein Mailaustausch zum Thema Geldgeschenk von Bin Hammam liegt, aus derselben Zeit, aber auch zu dem Infantino-Vertrauten Ahmad vor.

Infantino soll für die Absetzung in die unterste Schublade gegriffen haben

Mit der Frage, ob so schwerwiegenden Korruptionshinweisen künftig noch ernsthaft nachgegangen wird, soll sich nun Claudia María Rojas befassen. Die Anwältin und Ex-Richterin in Kolumbien kann, anders als ihr Vorgänger, der Zürcher Staatsanwalt Cornel Borbely, keine Erfahrung in harter Ermittlungsarbeit vorweisen.

Beobachter halten die Berufung daher für ebenso abgekartet wie die überraschende Ernennung der UN-Mitarbeiterin Fatma Samoura als Fifa-Generalsekretärin 2016. Die fußballferne Senegalesin hat auch seither kein Profil entwickelt. Faktisch und erwartungsgemäß regiert stattdessen (entgegen der eigentlichen Amtsbeschreibung) Infantino die Fifa.

Als Nachfolger für den in Korruptionsfällen erfahrenen Münchner Richter Eckert hat das Fifa-Council den griechischen Rechtsprofessor Vassilis Skouris ausersehen. Er war bis 2015 Präsident des Europäischen Gerichtshofes. Die Schlüsselposition hält jedoch die neue Ermittlungschefin Rojas inne, ohne Ermittlungen und Anklagen ihrer Kammer kann der Spruchkammer-Chef nur untätig bleiben.

Für den Rausschmiss der Ethiker soll Infantino am Dienstag nach SZ-Informationen in die unterste Schublade gegriffen haben. Demnach sei den Council-Mitgliedern erzählt worden, Eckert und Borbely hätten sich nicht ordentlich zur Wiederwahl angemeldet. Dem steht nicht nur entgegen, dass beide vor Monaten ihre Bereitschaft zum Weitermachen international publiziert hatten. Beide sollen, erfuhr die SZ, auch die erforderlichen Integritätschecks beim zuständigen Fifa-Governance-Chef Miguel Maduro absolviert und Selbsterklärungen abgegeben haben. Überdies hatten sie sich bei Samoura angemeldet - bei der Generalsekretärin, die jüngst noch in Interviews erzählt hatte, sie stünde "hundertprozentig" hinter den beiden Chefethikern.

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