Galopp:Rennbahn kämpft gegen Untergewicht

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Im Vorjahr erfolgreich: Sammarco (Mitte) mit René Piechulek gewinnt hier den Dallmayr-Preis. (Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Dem Großen Dallmayr-Preis in Riem droht der Verlust seines Gruppe-1-Status. Nun müht sich der Münchener Rennverein um ein besseres Feld für sein Prestigerennen Ende Juli, auch weil eine Abstufung erhebliche Folgen für die Zucht hätte. Das erste Zwischenergebnis lässt auf eine Wende hoffen.

Von Andreas Liebmann

Für den Sponsor ist er schlicht "die größte Kaffeeparty der Welt", seit Jahren schon. Für den deutschen Galoppsport im Allgemeinen und den Münchener Rennverein (MRV) im Besonderen aber hat der Große Dallmayr-Preis einen ganz anderen Stellenwert: Als Rennen der weltweit höchsten Kategorie Gruppe 1 ist er etwas, worauf man in München stolz ist. In ganz Deutschland gibt es nur sieben Gruppe-1-Renntage, die deutlich herausragen aus dem Rennkalender, und gleich zwei von ihnen finden seit Jahren in Bayern statt, im Münchner Stadtteil Riem. Deshalb ist die Nachricht, die der MRV unlängst verbreitete, für die Szene durchaus beunruhigend: dass nämlich der Gruppe-1-Status des Dallmayr-Renntags akut gefährdet ist.

Gewogen und für zu leicht befunden, auf diesen Nenner kann man das Problem wohl bringen, das dem Verein "einen blauen Brief aus England" einbrachte, wie MRV-Generalsekretär Sascha Multerer auf Nachfrage erläutert. Er meint ein Schreiben vom European Pattern Committee, das für die Klassifizierung der Rennen verantwortlich ist, das regelmäßig überprüft, ob die geforderten Standards erfüllt werden, und das die Rennen entsprechend auf- oder abstuft. Und genau an diesen Standards hakt es.

Die Felder waren nicht gerade üppig besetzt zuletzt. Sieben Pferde nahmen 2022 an dem Rennen teil, sechs nur im Jahr davor. Als klein, aber fein redeten sich die Münchner das Feld schön. Schon das war ein Problem.

Das viel größere hat mit dem so genannten Generalausgleichsgewicht zu tun, kurz GAG, was zwar fürchterlich technisch klingt, im Prinzip aber nichts anderes bedeutet, als dass die teilnehmenden Pferde in Summe auch qualitativ den Ansprüchen nicht genügten. Kurz erklärt ist es so: Je erfolgreicher ein Galopprennpferd ist, desto mehr Zusatzgewicht wird ihm zugeteilt. Dieses wird so berechnet, dass in einem Rennen in der Theorie alle Pferde gleichschnell laufen müssten, sofern sie diese Zusatzgewichte tragen. Am jeweiligen Wert des Ausgleichsgewichts lässt sich also recht einfach die Klasse jedes Rennpferds ablesen. Für diese Einteilung gibt es so genannte Handicapper.

"Ich kann vielleicht ein oder zwei Ausländer mit 100 Kilo nach München lotsen, aber nicht sechs oder sieben", sagt Multerer

Internationale Spitzenpferde bringen es in dieser Rangfolge auf mehr als 100 Kilogramm, viele der in den vergangenen Dallmayr-Rennen gestarteten Pferde, vor allem der deutschen, lagen aber eher in der Kategorie zwischen 90 und 95 Kilo. Und darin liegt das Hauptproblem: Für ein Gruppe-1-Rennen sollten die vier Erstplatzierten zusammen im Schnitt auf ein Gewicht von mehr als 97,5 Kilo kommen. "Ich kann vielleicht ein oder zwei Ausländer mit 100 Kilo nach München lotsen, aber nicht sechs oder sieben", erläutert Multerer. Und jedes von ihnen könne dann ein etwas schwächeres für den Gesamtschnitt "ausgleichen". Das European Pattern Committee hat nun jedenfalls darauf hingewiesen, dass die geforderte Marke zu lange nicht erreicht wurde und es den Gruppe-1-Status folglich aberkennen müsse, sollte sie ein weiteres Mal verfehlt werden.

Der MRV hat nun reagiert - und zum einzigen Mittel gegriffen, das ihm tauglich erschien. Statt wie üblich mehrere Monate vor dem Rennen durften die Interessenten ihre Pferde noch bis gut sechs Wochen vorher anmelden. Ohnehin stünden die langen deutschen Fristen international in der Kritik, weil man sich dadurch für Ereignisse (kostenpflichtig) bewerben müsse, die so weit im Voraus gar nicht seriös planbar seien, so Multerer. Nach dem Nennungsschluss meldete der Verein einen Erfolg: Um 24 Prozent liege das Nennergebnis über dem des Vorjahres, mit 36 teils sehr hochrangigen Pferden, von denen knapp die Hälfte aus Frankreich, England und Irland kommt.

Die Stellschraube ist vergleichsweise klein, doch von einem anderen Termin hätte man sich noch weniger Effekt versprochen, und eine deutliche Erhöhung der 155 000 Euro Dotation sei nicht machbar: "Wir haben zwar letztes Jahr ein kleines Plus gemacht, aber das Geld quillt uns nicht zu den Ohren raus", sagt Multerer.

Ihm gehe es gar nicht mal so sehr um das Prestige, sondern um "riesige Auswirkungen" auf die deutsche Zucht, die ein Wegfall des Gruppe-1-Status in Deutschland hätte. Das liegt neben der ohnehin geringen Zahl dieser Toprennen hierzulande auch an der Distanz von 2000 Metern, die nur das Dallmayr-Rennen anbietet - alle anderen deutschen Gruppe-1-Rennen (abgesehen vom Stutenrennen Preis der Diana) finden über 2400 Meter statt. Es gibt aber nun mal Spezialisten für Kurz-, Mittel- oder Langdistanzen, und jeder Deckhengst von Reputation sollte in mindestens einer dieser Kategorien mal einen Gruppe-1-Sieg gesammelt haben.

Streichungsrunden sieht auch die verkürzte Nennungsfrist noch vor, die erste fand am vergangenen Montag statt. Seitdem sind noch 29 Anmeldungen aktuell, deutlich mehr als im Vorjahr, sagt Multerer. Ihm ist klar, dass sich bis zum Renntag am 30. Juli noch viel verändern kann, auch sehr zu Ungunsten des MRV. Aber mehr als versuchen, das Ruder auf diese Weise noch herumzureißen, könne man nicht. Dennoch: "Wir haben den Mut gehabt, etwas zu ändern auf eine Weise, die in Deutschland bisher unüblich ist." Subtext: Vielleicht wird schon das gut ankommen beim Pattern-Komitee. Der zweite Gruppe-1-Renntag in Riem findet dann Anfang November statt. Ein blauer Brief ist hier nicht zu befürchten.

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