Fußballkolumne: Medizinball:Diagnose: Sitzfleisch

Lesezeit: 2 min

Die Aschewolke aus dem Vulkan auf Island erfordert es derzeit, dass Spitzensportler den Bus nehmen und lange stillsitzen. Dabei sind trainierte Athleten besonders anfällig für Thrombose.

Werner Bartens

Der Fußball wirft neben Fragen der Taktik und des Torschusses auch immer wieder medizinische Themen auf - schicksalhafte Verletzungen, komplizierte Diagnosen, unterhaltsame ärztliche Bulletins. Geschehnisse dieser Art werden in der Kolumne Medizinball eingehend untersucht.

Skeptisch besteigt Barcelonas Kapitän Carles Puyol den Bus, der die Katalanen nach Mailand bringen sollte. (Foto: Foto: ap)

Sportler können viel mit ihrem Körper anstellen. Ihn verbiegen, rasant beschleunigen, Bälle damit jonglieren. Nur eines können sie nicht: ruhig sitzen. Noch schlechter können sie: lange ruhig sitzen. Sie wollen sich bewegen. Die Aschewolke aus dem unaussprechlichen isländischen Vulkan erfordert es derzeit aber, dass manche europäische Spitzensportler vorübergehend einer sitzenden Tätigkeit nachgehen. Sie müssen Bus fahren oder den Zug nehmen.

Besonders schlimm erwischt hat es den FC Liverpool, der - 2000 Kilometer von der Heimat entfernt - in der Europa-League gegen Atletico Madrid antritt. Von der Insel geht es durch den Euro-Tunnel mit dem Bus nach Bordeaux, mit dem Flugzeug dann weiter in die spanische Hauptstadt. Im Vergleich dazu sind die Champions-League-Entfernungen über knapp 1000 Kilometer von Barcelona nach Mailand erträglich; die 847 Kilometer von Lyon nach München via Stuttgart wirken gar wie ein Kurztrip.

Trotzdem droht Gefahr für die Athleten. Das lange Sitzen lässt den Blutfluss erlahmen. "Auch wer gut trainiert ist, kann eine Thrombose bekommen", sagt Melchior Seyfarth, stellvertretender Direktor des Deutschen Herzzentrums München. "Besonders wer wenig trinkt, ist in Gefahr." Dass die Athleten so trainiert sind, könnte ihr Risiko sogar erhöhen. Ausdauersportler haben oft einen niedrigen Ruhepuls von unter 40 Schlägen in der Minute. Daher wird ihr Blut nicht so oft durch den Körper gejagt wie bei Untrainierten.

Das Blut stockt

Das Stocken des Blutes in Ruhe, das zu einem Gerinnsel führen kann, wird wahrscheinlicher. "Ich rechne trotzdem nicht damit, dass ein Kicker beim ersten Sprint auf dem Rasen tot umfällt, weil ihn eine Lungenembolie ereilt", sagt Seyfarth. Löst sich nämlich bei der ersten Bewegung nach langer Ruhe ein Gerinnsel aus den Venen und saust mit dem Blutfluss Richtung Herz und in die Lungen, droht Lebensgefahr.

Als "Holzklasse-Syndrom" ist die Thrombose bei langen Flugreisen längst bekannt. Je enger, länger und stärker angewinkelt die Beine gestaucht werden, desto eher kommt es zum Stillstand des Blutes. Fußbewegungen im Sitzen helfen, viel Flüssigkeit und häufige Pausen auch. Als erste Todesfälle durch Thrombosen nach Epo-Doping im Radsport bekannt wurden, stellten sich Athleten nachts alle zwei Stunden den Wecker, um das Blut in Schwung zu halten. Von legendären Gangpartys im Mannschaftshotel ist die Rede. Eine Gangparty lässt sich auch im Bus praktizieren, wirkt sich allerdings womöglich nachteilig auf die Frische im Spiel aus.

© SZ vom 21.04.2010/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga: Elf des Spieltags
:In Robbens Schatten

Der holländische Lustfußballer überragt sechs Doppeltorschützen, Hannovers Torwart Fromlowitz ist fassungslos und schuldlos zugleich Die sueddeutsche.de-Elf-des-Spieltags

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: