"Pöhler" ist keine rheinische Vokabel. Das mundartliche Verb "pöhlen" stammt aus dem Ruhrpott und beschreibt den euphorischen Bolzplatzfußball der Kinder. "Pöhler" stand also gewissermaßen als Würdigung der westfälischen Fußballbasis auf Jürgen Klopps Baseballkappe, als er Marco Reus am Sonntag anerkennend die Wange tätschelte. Der gebürtige Dortmunder Reus kehrt demnächst aus dem Rheinland ins Westfälische zurück.
Beim Blitzturnier in Düsseldorf trafen sich der Spieler und sein künftiger Trainer Klopp zum ersten Mal seit der Bekanntgabe von Reus' Wechsel nach Dortmund im kommenden Sommer. Dem 22-jährigen Instinktfußballer Reus war die Botschaft auf der Kappe freilich nicht gewidmet. Borussia Dortmund freut sich auf seinen 17-Millionen-Einkauf, während Borussia Mönchengladbach noch immer trauert. Beide Teams waren mit ihren Gedanken also woanders, als sie den gastgebenden Zweitligisten Fortuna Düsseldorf am Sonntag sein eigenes Miniturnier gewinnen ließen.
Die Mönchengladbacher haben Angst vor einer Zukunft ohne Reus. Sie fürchten, ab der kommenden Saison ohne ihren begabten Star nur noch pöhlen zu können. Gladbach kann ohne Reus nicht gewinnen? Das stimmt bisher wirklich. Nur bei fünf Partien binnen zweieinhalb Spielzeiten hat Reus den Gladbachern in der Bundesliga gefehlt, vier dieser fünf Spiele gingen verloren, eines endete unentschieden. Am Sonntag im 45-minütigen Endspiel gegen Düsseldorf blieb Reus auch draußen - und Gladbach verlor 0:1 gegen die Fortuna.
Trost und eine seriöse Einschätzung des Resultats gab es hinterher vom ehemaligen Gladbacher und heutigen Fortuna-Spielmacher Sascha Rösler. "Auf den Sieg brauchen wir uns nichts drauf einzubilden", sagte Rösler. Selbst Gladbachs chronisch ehrgeizigem Trainer Lucien Favre schien diese Niederlage eher egal zu sein. "Das ist nicht schlimm", sagte er nach den Testpartien, in denen die Gladbacher Winter-Zugänge Alexander Ring, 20, und Tolga Cigerci, 19, eher unauffällig zum Einsatz gekommen waren.
Favre plagen ganz andere Sorgen. Am Freitag eröffnet Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München die Rückrunde, danach geht es 16 weitere Spiele lang um eine durchaus mögliche Qualifikation für die Champions League. Darüber hinaus muss sich Favre einfallen lassen, wie er ab der kommenden Saison seinen Topstar Reus ersetzt. Fragen danach braucht man ihm momentan allerdings erst gar nicht zu stellen.
Der FC Bayern unterbricht extra sein Trainingslager in Katar und reist für einen Testkick nach Neu Delhi, um sich endlich auch seinen Fans in Indien zu präsentieren. Dort besiegen die Münchner die Nationalelf des Riesenreichs mit 4:0 - und betreiben bestes Eigenmarketing.
"Ich denke nur bis zum 30. Juni", sagt er abweisend. Immerhin noch mit Reus muss Gladbach eine Rückrunde annähernd auf dem hohen Hinrunden-Niveau spielen, sonst könnte die Saison als gefühlte Enttäuschung verbucht werden. "Wir lassen uns von dem Theater um Marcos Wechsel nicht beeindrucken", verspricht der stets zuversichtliche Stürmer Mike Hanke und sagt fordernd: "Jetzt entscheidet sich der Charakter dieser Mannschaft."
Der sechsmalige Weltfußballer wird den FC Barcelona tatsächlich verlassen. Wer ist der Mann, dessen Karriere als Kind fast schon vorbei gewesen wäre? Messis Fußballerleben in Bildern.
Ähnlich klingende Sätze formulieren auch die Düsseldorfer. Sie ergänzen dieser Tage die elektrisierte Fußballstimmung am Niederrhein. Die Fortuna steht ähnlich wie Gladbach vor einer herausfordernden Rückrunde und muss in der zweiten Liga den ersten Platz verteidigen, damit bei den bereits auf die Bundesliga eingestimmten Fans nicht die große Ernüchterung ausbricht. Zur bereits bestens funktionierenden Mannschaft gesellen sich ab sofort mit dem Kölner Adam Matuschyk ein zusätzlicher Mittelfeldspieler sowie mit dem Finnen Timo Furuholm ein zusätzlicher Stürmer.
Der Torjäger von Inter Turku (22 Tore in 33 Spielen) hat beim Turnier am Sonntag gleich angedeutet, dass er den Düsseldorfern nach einer dann 15-jährigen Bundesliga-Abstinenz zurück in eine Liga mit den geliebten Rheinrivalen aus Mönchengladbach verhelfen könnte. Furuholm erzielte im Endspiel den 1:0-Siegtreffer.
37.500 Zuschauer sahen am Sonntag das Blitzturnier in Düsseldorf. Die Bundesliga-Partie der Gladbacher gegen Bayern München am kommenden Freitag ist mit 54 000 Zuschauern schon lange ausverkauft. Die Euphorie im Westen ist so groß wie lange nicht, mit der Borussia und der Fortuna stehen zwei zuvor taumelnde Traditionsklubs vor der erfolgreichsten Saison seit langem.
2012, im Maya-Kalender das Jahr des Weltuntergangs, könnte dem rheinischen Fußball eine Art Wiederauferstehung bescheren, die sogar die Rückkehr von Marco Reus in die Heimat der Pöhler vergessen lassen könnte.