SZ: Herr Löw, im Moment meldet sich in Deutschland fast jeder Bundesliga-Trainer zu Wort, um Sie in den höchsten Tönen zu loben. Interessiert Sie das, bekommen Sie das mit?
Der Ärger muss raus: Joachim Löw beim Spiel gegen Serbien.
(Foto: rtr)Löw: Ich lese bei einem Turnier grundsätzlich wenig, ich schaue außer den Fußballspielen auch nicht fern. Diese Woche habe ich den Fernseher wegen der Bundespräsidentenwahl mal kurz im Trainerraum angemacht, aber sonst nie. Auch auf Sizilien und in Südtirol im Trainingslager war der Fernseher in meinem Zimmer immer aus.
SZ: Ist Ihnen so viel Lob peinlich, werden Sie rot?
Löw: Nein, das nicht. Ich kann es ja einordnen. Als Bundestrainer lebt man immer zwischen Lob und Kritik, man darf beides nicht überbewerten. Im Übrigen gibt es noch überhaupt keinen Grund für abschließendes Lob: Wir haben bislang eine gute WM gespielt, aber das Turnier ist für uns noch nicht zu Ende. Wir wollen noch mehr.
SZ: Robin Dutt, der Trainer des SCFreiburg, sagt, Deutschland sei bei der WM eine der wenigen Nationen, bei der eine klare Handschrift erkennbar sei. Lob aus Ihrer Heimatstadt Freiburg akzeptieren Sie aber, oder?
Löw: Richtig ist, dass es bei der WM einige Teams gibt, die von großen Persönlichkeiten oder starkem Individualismus leben. Unsere Vorstellung war dagegen immer, dass wir eine eingespielte Mannschaft haben wollen, die konzeptionellen Fußball spielt. Das ist es wahrscheinlich, was Robin Dutt meint.
SZ: Also: Lob akzeptiert.
Löw: Okay, akzeptiert.
SZ: Und weiter geht's mit den Hymnen: Armin Veh, Trainer des HamburgerSV, sagt, Deutschland sei gegen Argentinien Favorit. Auch akzeptiert?
Löw: Nein, die Favoritenrolle liegt bei den Argentiniern. Sie haben im Turnier alle vier Spiele gewonnen und im März beim Test gegen uns in München auch sehr stark gespielt. Sie haben eine, ja, ich würde schon sagen: eine geniale Offensive und eine sehr routinierte Abwehr.
SZ: Gegen England gab es Szenen, die man von einer deutschen Nationalelf lange nicht mehr gesehen hat. Einmal hat Khedira den Ball hintenrum gespielt, im Doppelpass mit Müller und dann . . .
Löw: . . . es interessiert mich weniger, ob der Ball hinten- oder vornerum gespielt wird, Hauptsache, er wird richtig gespielt. Was mich interessiert: Dass die Mannschaft gelernt hat, das einfache Spiel zu beherrschen. Ballmitnahme, Spiel ohne Ball, spielen und gehen, und natürlich die Raumaufteilung - das waren die vier zentralen Themen, die wir vom ersten Trainingstag auf Sizilien an durchgekaut haben, in Theorie und Praxis. Und wir üben das weiter, bis zum heutigen Tag.
SZ: Was meinen Sie mit "spielen und gehen"?
Löw: Wir haben Spieler mit viel Potenzial, aber bei meinen Beobachtungen in der Liga habe ich festgestellt, dass das Spiel manchmal für sie erledigt ist, wenn sie den Ball abgespielt haben. Dann geht das Spiel aber weiter, dann muss man weitermachen, sich anbieten, in die abgesprochenen Räume gehen - das haben wir geübt, die Mannschaft hat es gut umgesetzt. Dadurch ist unser Spiel flüssiger und dynamischer geworden.