Vor dem WM-Endspiel:Frankreich kämpft mit einem mysteriösen Virus

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Olivier Giroud scheint fit zu sein. Andere Spieler bereiten Didier Deschamps mehr Sorgen. (Foto: Dave Shopland/Imago/Shutterstock)

Vor dem Finale gegen Argentinien fallen viele französische Spieler mit Erkältungssymptomen aus. Trainer Didier Deschamps lässt Öffentlichkeit und Gegner über das Ausmaß weitgehend im Unklaren.

Von Martin Schneider

Als Didier Deschamps zur Pressekonferenz erschien, wurde er als Erstes gefragt, wie es ihm denn gehe. Eigentlich eine nette Abwechslung in diesen Runden, einfach mal eine höfliche Frage stellen an den Trainer der französischen Nationalmannschaft. Wie geht es Ihnen eigentlich so einen Tag vor dem WM-Finale gegen Argentinien? Sind Sie aufgeregt? Haben Sie gut geschlafen? Aber die Frage war grundsätzlicher gemeint. Eher im Kontext: Sind Sie auch krank?

Deschamps sagte direkt: "Es geht mir gut", aber danach gelang es ihm nicht wirklich, seine Landsleute zu beruhigen. Denn seit ein paar Tagen werden Les Bleus mit etwas konfrontiert, was die französische Zeitung Le Monde das "mysteriöse Virus" nennt. Schon zum Halbfinale fielen Adrien Rabiot und Dayot Upamecano aufgrund von Grippe-Symptomen aus, nun hat es vor dem Endspiel offenbar Raphaël Varane und Ibrahima Konaté erwischt, also die komplette Innenverteidigung. Auch Kingsley Coman soll Fieber haben. Theo Hernández und Aurélien Tchouaméni fehlen wegen Knie- und Hüftprellungen.

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Das wären beträchtliche Ausfälle; aber wer im Lager der Franzosen gerade gesund oder krank ist, das ist nicht ganz klar. Deschamps klärte auch nicht weiter auf. Als er zur Pressekonferenz aufgebrochen sei, hätten alle noch geschlafen, darum habe er keine Neuigkeiten, was den Krankenstand angehe. "Wir versuchen, mit der Situation so gut umzugehen, wie wir können. Wir bleiben ruhig und fokussiert", sagte der 54-Jährige. "Natürlich wäre es uns lieber, diese Schwierigkeit nicht zu haben, aber wir versuchen, das mit der Hilfe unserer Ärzte so gut wie möglich zu managen."

Das klang weniger ermutigend als die Aussagen von Ousmane Dembélé und Frankfurts Randal Kolo Muani am Vortag. Dembélé berichtete, er habe seinen Kameraden Ingwer-Honig-Tee gemacht. "Eine kleine Grippe" sei es, sagte Kolo Muani. Seine Mitspieler werden zum Finale schon fit sein. Der Pressesprecher wies danach aber direkt darauf hin, dass Kolo Muani "kein Arzt" sei.

Deschamps reagiert auf die Frage nach Benzema kurz angebunden

Ob es sich um einen Covid-Ausbruch handelt, ist unklar, in Katar gibt es schon seit Beginn der WM quasi keine Corona-Regeln. Helfer reichten allerdings nach dem Halbfinale gegen Marokko allen Journalisten, die die französischen Spieler in der Interview-Zone trafen, Masken. Deschamps machte nach dem Spiel die in Katar omnipräsenten Klimaanlagen mitverantwortlich für den Gesundheitszustand seiner Spieler. Fast jeder Ort in Doha, ob Hotel, Bus oder auch ein ganzes Stadion, ist gekühlt. Die Temperaturunterschiede zwischen außen und innen sind oft signifikant. Auch andere Teams litten darunter. Die Schweiz traf es vor dem Achtelfinale gegen Portugal, auch die Brasilianer husteten zwischenzeitlich. Deren Spieler Antony vermutete auch Klimaanlagen als Urheber der Malaise, ebenso wie US-Coach Gregg Berhalter.

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Auch bei einem komplett anderen Thema war Deschamps kurz angebunden. Der Name Karim Benzema geistert seit dem Halbfinale wieder rund um seine Mannschaft und das passt dem Trainer erkennbar nicht. Der Weltfußballer fiel zu Beginn des Turniers mit einer Muskelverletzung aus, nun ist er wieder fit, und weil er weiterhin regulär zum Kader gehört, könnte er theoretisch auch eingesetzt werden. "Ich habe keine Lust, diese Frage zu beantworten", sagte Deschamps nach dem Halbfinale gegen Marokko zum Thema Benzema-Rückkehr. Vor dem Finale wurde er wieder deutlich. Er konzentriere sich auf seine 24 Spieler, die hier sind. "Ich weiß nicht, wer vielleicht herkommt und das Team unterstützt", sagte Deschamps harsch.

Benzema trainiert aktuell auf dem Gelände von Real Madrid. Die Einladung von Staatspräsident Emmanuel Macron, zum Finale zu reisen, soll er ausgeschlagen haben. (Foto: Christophe Ena/dpa)

Benzema hat eine besondere Geschichte bei der französischen Nationalmannschaft. 2015 flog er aus dem Team, weil der dringende Verdacht im Raum stand, er habe dabei geholfen, seinen Teamkollegen Mathieu Valbuena zu erpressen. Sechs Jahre später folgte das Urteil dazu, ein Jahr Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe von 75 000 Euro. Erst 2021 begnadigte ihn Deschamps, nominierte ihn wieder für das Nationalteam. Doch Weltmeister wurden die Franzosen 2018 mit dem auch in der Mannschaft sehr beliebten Olivier Giroud. Den stellte Deschamps nach Benzemas Muskelverletzung wieder auf, viele Beobachter glauben, dass das dem Mannschaftsklima nicht geschadet habe, eher im Gegenteil. Benzema trainiert aktuell auf dem Gelände von Real Madrid, am Samstag berichtete die Zeitung Le Parisien, er habe die Einladung von Staatspräsident Emmanuel Macron, zum Finale zu reisen, ausgeschlagen.

Beides - Benzema und die Grippe - sind jedenfalls Baustellen, die man als Nationaltrainer nicht unbedingt vor einem WM-Finale braucht. Der einzige Vorteil, den Deschamps aus der Situation ziehen kann, ist, dass er nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch Gegner Argentinien weitgehend im Unklaren darüber gelassen hat, wer nun eigentlich genau bei den Franzosen auflaufen wird. Aber wenn er die Wahl hätte, hätte Deschamps vermutlich lieber 24 gesunde Spieler.

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