Fußball-WM: Deutschland - Uruguay:Glücklicher Abschluss der Tournee

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Die deutsche Elf gewinnt ein munteres Spiel um Platz drei gegen Uruguay mit 3:2. Sie agiert dabei wie eine Rockband, die ungestüm loslegt - und dann bis ans Ende ihrer Kräfte gehen muss.

Jürgen Schmieder

Am Ende lagen sich die deutschen Spieler in den Armen. Niemand debattierte mit Oliver Bierhoff über ein Transparent für die Fans, niemand stürmte zu den Anhängern auf der Tribüne, niemand saß schluchzend auf dem Boden des Stadions in Port Elizabeth. Wie die Mitglieder einer Rockband nach dem letzten Konzert der Tournee standen die deutschen Akteure da. Sie waren froh über den 3:2-Erfolg gegen Uruguay in diesem Spiel um Platz drei, sie waren aber auch erleichtert, dass dieses Turnier nun vorüber ist.

Thomas Müller freut sich über seinen fünften Turniertreffer. (Foto: getty)

Anders als vor vier Jahren ging es bei der Partie gegen Uruguay nicht darum, den feierwütigen Fanmeilen-Fans noch eine weitere Party zu bescheren - beim Public Viewing in Hamburg etwa herrschte am Samstag gähnende Leere - es ging höchstens darum, den überaus positiven Eindruck, den die deutsche Elf im Turnierverlauf hinterließ, zu bestätigen. Die Rolle des Heimat-Bespaßers übernahmen bei diesem Spiel die Akteuren aus Uruguay, Diego Forlan sagte: "Wir wollen unbedingt gewinnen und dann zu Hause mit den Fans feiern, weil wir Historisches geleistet haben." Sein Trainer Oscar Tabarez ergänzte: "Wir werden bis in den Tod vorbereitet sein!"

Philipp Lahm, Lukas Podolski und Mario Gomez - der Sänger, der Trommler und der Roadie dieser Rockband - fehlten aufgrund einer Grippe. Es gilt als gesichert, dass alle drei eine Rosskur mit Omas Hausmitteln und notfalls mit Voodoo-Zauber unternommen hätten, wäre es um einen Einsatz im Endspiel gegangen. Auch Miroslav Klose, der Bassist, fehlte zunächst wegen Rückenproblemen und konnte sich nicht am Torrekord von Ronaldo versuchen - wobei dies wohl nicht unbedingt Kloses Traum ist, sondern eher der von Freunden der Statistik und von Journalisten, die versuchen mussten, diesem Spiel um Platz drei wenigstens eine kleine Bedeutung zu geben.

Für die fehlenden Akteure rückten Dennis Aogo, Marcell Jansen und Cacau in die Startelf, dazu durfte Jörg Butt anstelle von Manuel Neuer das Tor hüten. Das Durchschnittsalter der deutschen Feldspieler bei dieser Partie betrug 26,5 Jahre - rechnet man die routinierten Arne Friedrich und Cacau heraus, erhält man gar 22,7 Jahre. Spätestens bei diesen Zahlen wird deutlich, dass Trainer Joachim Löw bei dieser Partie weniger das Resultat interessierte als vielmehr die Perspektive dieser Elf. Er möchte seinem Nachfolger - wobei der wahrscheinlich Joachim Löw heißt - einen Kader übergeben, der nicht nur bei diesem Turnier sympathisch, spielstark und begeisternd agierte, sondern dem eine formidable Zukunft bevorstehen könnte.

Dass es bei dieser Partie doch nicht nur um die goldene Ananas oder einen Händerdruck von Sepp Blatter ging, das zeigte Denis Aogo bereits nach vier Minuten mit einem humorlosen Tackling am Rande der Körperverletzung. Zwei Minuten später gab es eine Rudelbildung am deutschen Strafraum nach einem Handspiel von Cacau - und weitere drei Minuten später köpfte Arne Friedrich an die Latte.

Auch spielerisch wusste die deutsche Elf zu überzeugen, sie kombinierte sich mit wenigen Ballkontakten durch Mittelfeld und erspielte sich zahlreiche Gelegenheiten - was freilich auch daran lag, dass die Gegenspieler an diesem Abend nicht Xavi, Iniesta, Alonso und Busquets hießen, sondern Pereira, Pérez, Arécalo und Cavani. Die deutsche Elf wirkte in dieser Phase wie eine junge Rockband, die bei ihrem letzten Tourneekonzert als Vorgruppe von den Rolling Stones auftreten darf und auf den großen Durchbruch hofft.

Die logische Folge der ballsicheren und kreativen Vorstellung war der Führungstreffer in der 18. Spielminute. Bastian Schweinsteiger, an diesem Abend Kapitän, prügelte den Ball auf das uruguayische Tor, und weil Muslera nur abklatschen konnte, durfte Thomas Müller sein fünftes Turniertor erzielen und weitere Argumente für die Auszeichnung zum besten Jungprofi liefern.

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Der Ausgleich fiel dann aus dem verregneten Himmel von Port Elizabeth und nach einem Angriff, auf den eigentlich die deutsche Elf bei diesem Turnier das Patentrecht hat. Schweinsteiger verlor den Ball gegen Pérez, die Uruguayer kamen über den wegen seines Handspiels im Viertelfinale ständig ausgebuhten Luis Suarez schnell in den deutschen Strafraum und Edison Cavani schob das Spielgerät an Jörg Butt vorbei.

Edison Cavani trifft nach einem schönen Spielzug zum 1:1 - Jörg Butt ist machtlos. (Foto: ag.ddp)

Der Treffer für Uruguay führte zu einem nicht zu übersehenden Bruch bei der deutschen Elf, sie spielte nun wie eine alte Rockband, die am Ende einer Tournee noch ein Konzert geben muss, zu dem keine Fans kommen, sondern nur Sponsoren in Anzug und Krawatte. Sie überließ dem Gegner aus Uruguay die große Bühne des Mittelfelds und sah erstaunt dabei zu, wie sich der Gegner Gelegenheiten erspielte. Die beste davon vergab Suarez (40.), als er freistehend vor Butt nur knapp am linken Pfosten vorbeischoss. Joachim Löw wirkte in dieser Phase an der Seitenlinie wie der Manager einer alternden Rockband, der fürchtet, dass es keine nächste Tournee mehr geben könnte.

Auch in der zweiten Halbzeit konnte die deutsche Elf zunächst ihre Lethargie nicht ablegen, und sie wurde erneut bestraft. Nach mehreren guten Chancen drosch Diego Forlan eine Hereingabe volley ins Tor. Es hatte zu diesem Zeitpunkt den Anschein, als wäre den deutschen Spielern ihre kurzfristige Perspektive (unverletzt in die Vorbereitung der kommenden Saison zu gehen) wichtiger als das Resultat dieses Spiels - und so fiel der Ausgleich ähnlich überraschend wie der erste Treffer Uruguays. Dennis Aogo schlug eine Flanke in den Strafraum, und weil Muslera beim Herauskommen nur Regentropfen fing, durfte Marcell Jansen den Ball ins Tor nicken.

Die deutsche Elf hat bei dieser WM spielerisch überzeugt, in dieser Partie bewies sie, dass sie sich auch in ein Match zurückkämpfen kann und dass ein österreichischer Kommentator dereins nicht umsonst sagte: "Wenn die Deutschen die Ärmel hochkrempeln, dann nicht, weil es besser aussieht."

Schweinsteiger, Müller und Cacau führten ihre Zweikämpfe robust, ja bisweilen verbissen, sie wollten den überaus motivierten und robusen Uruguayern den dritten Platz nicht kampflos überlassen - und am Ende erzielte diese Mannschaft noch ein Tor, das früheren Nationalmannschaften zur Ehre gereichte. Nach einem Eckball drückten mehrere Akteure ihre Gegenspieler beiseite, das Spielgerät irrte durch den Strafraum und trofpte dann an den Kopf von Sami Khedira und von dort ins Tor (81.). Die deutsche Elf brachte die Führung glücklich über die Zeit, Diego Forlán traf in der Nachspielzeit nur die Latte.

Löw muss seine Versuchstiere nun wieder in die Labors der Vereine übergeben, am 11. August trifft sich der Kader wieder zum Freundschaftsspiel gegen Dänemark, am 3. September beginnt in Belgien die Qualifikation zur Europameisterschaft 2012. Bei der täglichen Arbeit werden die deutschen Nationalspieler geschult, physisch, technisch und taktisch. Bei diesem Turnier ist Löw gelungen, möglichst viel aus den Vereins-Werkstätten in den Kader zu transportieren, und wer zunächst nicht zu passen schien (Podolski, Klose, Friedrich), der wurde von Löw passend gemacht.

Nun probierte Löw die Zukunft, die mit dem Schlusspfiff begann. Und wie Tintenfisch Paul - der nach Informationen von sueddeutsche.de künftig zur DFB-Delegation gehören könnte - richtig vorhersagte, gewann die deutsche Elf dieses Spiel. Sie präsentierte sich erneut als Team der Zukunft, das durchaus auch in der Gegenwart bestehen kann.

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